Pop-BriefingLoredana tötet den Akkusativ
Was ist aus dem Mann geworden, der einst Michael Jacksons Show sabotierte? Was hat Loredana falsch gemacht? Zudem: The Residents erfinden einen Bluesmann – und covern seine Songs.
Das muss man hören
Seinen grossartigsten Auftritt hatte Jarvis Cocker am Abend des 16. Januar 1996. Die Verleihung der Brit Awards sollte mit dem Auftritt von Michael Jackson ihren Höhepunkt erreichen. Der King of Pop war gerade damit beschäftigt, kraft seines «Earth Song» die Probleme der Welt zu erklären, liess dafür eine gefühlte Hundertschaft Kinderlein traurig über die Bühne wandeln, und als Jackson sich dramatisch mit einem hydraulischen Schwenkarm über die Bühne gondeln liess, stürmte unverlangt der schlaksige Herr Cocker die Szenerie, stellte sich vorne auf die Bühne und begann mit seinem Hintern zu wackeln.
Als die Tänzer und Sicherheitskräfte ihn von der Bühne zu spedieren trachteten, ergriff er die Flucht, flitzte halsbrecherisch durchs Bühnenbild, erschien sogar kurz als winkender Schatten in der Weltkugel, auf die Jackson hungernde Kinder aus Afrika projizieren liess, und wurde später von der Polizei festgenommen. Das Publikum im Saal war aufgebracht, kurz darauf die ganze Welt.
Jarvis Cocker, der in dieser Zeit mit seiner Band Pulp neben den Pop-Gockeln von Oasis und Blur zu den begehrtesten Britpop-Helden Grossbritanniens zählte, wurde hernach mit globalem Liebesentzug bestraft, von den Medien gejagt und von Michael Jackson beschimpft.
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Nun ist ihm mit dem Quarantäne-Song «House Music all Night Long» ein fulminantes Comeback geglückt. JARV IS…, nennt er seine neue Band, das dazugehörige Album erscheint diesen Freitag. Zu diesem Comeback soll ihn übrigens der Portishead-Kopf Geoff Barrows überredet haben.
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Es wimmelt derzeit nur so von jungen schwarzen britischen Frauen, die einer entspannten und tieftraurigen Form der Soulmusik frönen. Angeführt wird diese neue Welle von Exponentinnen wie Arlo Parks oder Celeste. In dieser Woche sind uns zwei neue Stimmen aus dieser Zunft aufgefallen.
Die eine heisst Pip Millett, stammt aus Manchester und hat soeben ihre Debüt-EP veröffentlicht.
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Die zweite heisst Yazmin Lacey, kommt aus London und betört in ganz ähnlicher Manier.
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Wie klingt es, wenn zwei verfeindete Indianerhäuptlinge ihr Kriegsbeil begraben, eine Band gründen, um mit dieser eine neuzeitliche Form der indianischen Mardi-Gras-Musik zu kreieren? Nun, es ist nachzuhören auf dem Album der 79rs Gang. Zu den beiden nun befreundeten Streithähnen gesellten sich Musiker aus dem Umfeld des LCD Soundsystem und Arcade Fire, das haitianische Musikkollektiv Lakou Mizik und der Jazztrompeter Nicholas Payton. Und ja, es klingt sehr gut!
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Überall, wo der Ire Danny Keane auftaucht, wird es musikalisch erbaulich. Der multiinstrumental veranlagte Cellist wirkte unter anderem bei Lamb, Bat For Lashes, Mulatu Astatke oder Nitin Sawhney mit, nun hat er ein Soloprojekt gestartet, das geschmackssicher zwischen Jazz, Afro und grooviger Kunstmusik pendelt.
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Darüber wird gesprochen
Es wird allem Anschein nach gerade mehr Musik gehört als je zuvor. Der Branchenbeobachter Mark Mulligan von der Firma Midia Research hat im letzten Jahr eine massive Zunahme von Abschlüssen kostenpflichtiger Musikabos ausgemacht. Er hat errechnet (gewisse Anbieter liefern nach wie vor keine genauen Zahlen), dass die Zahl der Abos im ersten Quartal 2020 die Marke von 400 Millionen durchbrochen hat, was einem Zuwachs von 30 Prozent oder 93 Millionen Abos innerhalb von zwölf Monaten entspricht.
Branchenführer ist immer noch Spotify mit 32 Prozent, gefolgt von Apple mit 18 und Amazon Music mit 14 Prozent. Bereits an vierter Stelle rangiert Tencent Music, eine Firma die sich einzig auf den chinesischen Markt konzentriert.
Massiv eingebrochen sind laut einer anderen Studie in der Coronakrise indes die die CD- und LP-Verkäufe. War bis März in diesem Segment in den USA gar ein überraschender Zuwachs von 4,6 Prozent zu verzeichnen gewesen, sackten die Verkäufe danach bis Juni um 35 Prozent ein. Für alle, die sich überlegen, derzeit ein Album zu veröffentlichen: Besser keine allzu grosse Auflage physischer Tonträger planen.
Das Schweizer Fenster
Unsere helvetische Lieblingsdeutschcloudrapperin Loredana hat ein neues Lied herausgebracht. Das wäre noch keine spezielle Erwähnung wert, würde sie auf diesem Werk nicht wieder einmal absolut neue Wege gehen. Dieses Mal hat sie sich offenbar entschlossen, sprachlich sämtliche Gesetze zu brechen: Der neue Song heisst «Geh dein Weg». Und ihr Verzicht auf den Akkusativ hat in der Szene für einigen Spott gesorgt. Auszug aus den Kommentarspalten:
- «Loredana hat mal eben der Akkusativ getötet ...»
- «Hey, Alter, wem interessiert schon des Akkusativ?»
- «Ohne Akku keinen Empfang, Leudde. Also schon wichtig!»
- «Loredana? Der hat doch keine Ahnungen!»
Ausserdem wurden heute die Gewinner des Grand Prix Musik des Bundesamtes für Kultur bekanntgegeben. Quasi den Hauptpreis (100’000 Franken) hat die umwerfende Erika Stucky eingeheimst. Hier gehts zum Porträt und zur Liste mit den weiteren Gewinnerinnen und Gewinnern.
Hier gehts zu unserer Liste mit über 22 Stunden andergattig hervorragender Schweizer Musik:
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Das Fundstück
Was ist das wieder für ein Riesenspass, den uns das Avantgarde-Kollektiv The Residents da auftischt! Auf dem neusten Album will sich die seit jeher anonym gebliebene Band dem Blues zuwenden. Anlass dazu sollen die Aufnahmen eines längst vergessenen Bluesmannes namens Alvin Snow alias Dyin’ Dog gegeben haben, die irgendwann in den Siebzigern entstanden seien. The Residents haben die Lieder nicht nur auf ihre sehr sonderbare Art gecovert, der zweite Teil des Doppelalbums «It’s Metal, Meat & Bone: The Songs of Dyin’ Dog» besteht aus den nie veröffentlichten Demos des mysteriösen Mannes, der klingt wie eine Kreuzung aus Tom Waits, Captain Beefheart, Howlin’ Wolf und Screamin’ Jay Hawkins.
Das Schöne an der Geschichte: Diesen Mann hat es nie gegeben. The Residents haben also eine Bluesfigur erfunden, ein absolut begeisterndes Album unter dessen Namen aufgenommen, um dieses im selben Zug auch gleich zu covern. Man möchte sie dafür umarmen.
Hier der Blues des Dyin’ Dog:
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Und hier die Version von The Residents:
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Die Wochen-Tonspur
Diese Woche gibt es neues Tonmaterial von The Streets (etwas ausser Form), Lamb (in Pianoballadenstimmung), Ghostpoet (er klingt eigentlich immer gleich) und von Paul Weller (nur ein Song ist wirklich sensationell). Dann gibts wundertoll verhallte kreolische Groovemusik von Skinshape, Hüa-Westernmusik von Charley Crockett, eine tieftraurige Ballade von Bettye LaVette, klapperigen Ragga von Digital Monx und psychedelischen Post-Punk-Jazz vom Synth-’n’-Drum-Duo Soccer96 aus dem Umfeld von Ibibio Sound Machine und A Comet is Coming. Und die einstige Breakbeat-Grossmacht Coldcut veröffentlicht einen Track, den sie mit dem kürzlich verstorbenen Tony Allen aufgenommen hat.
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