Geldblog: Marktschrei(b)erLindt & Sprüngli bleibt eine Verlockung
Relief Therapeutics hegt Corona-Fantasien +++ Landis+Gyr kämpft mit vielen Problemen +++ Lonza ist vom Mauerblümchen zum Star avanciert

Lindt & Sprüngli: Kaufen
Keine Aktie an der Schweizer Börse ist so teuer wie jene von Lindt & Sprüngli. 82'500 Franken kostet ein Stück. Wer möchte sich das schon leisten angesichts des Ungleichgewichts, das damit in einem durchschnittlichen Portfolio entsteht. Gut, gibt es vom Schokoladenhersteller auch einen Partizipationsschein (PS), der bei «nur» 7765 Franken notiert – der zweitteuerste Valor an der SIX. Wer derart tief in die Tasche greift, bekommt aber auch etwas für sein Geld. Lindt ist ein umsichtig geführter Konzern von hoher Qualität. Das betrifft die Finanzen, die Innovationskraft und die Marktposition. Das Geschäftsmodell hat sich als relativ stabil erwiesen. So war es im ersten Halbjahr 2020 möglich, die Investitionen in Werbung – im Vergleich zum Vorjahr – zu erhöhen. Wenig deutet darauf hin, dass Lindt etwas von seiner Klasse einbüssen wird. Deshalb glaube ich, dass die PS von Lindt & Sprüngli – das nötige Kleingeld vorausgesetzt – mit einem langfristigen Investitionshorizont attraktiv sind.
Relief Therapeutics: Meiden
Ganz anders Relief Therapeutics: Die Aktien des Biopharmaunternehmens waren 2019 maximal ein Bruchteil eines Rappens wert. Diesen Sommer betrug der Höchstkurs dann rund 80 Rappen. Hinter dem Rally liegen Corona-Fantasien. Das Unternehmen mit nur einer Handvoll Direktangestellter arbeitet mit seinem US-Partner NeuroRx an einem Wirkstoff gegen Covid-Erkrankungen. Patienten, die zu krank waren, um an einer klinischen Studie teilzunehmen, hätten mit dem Wirkstoff Aviptadil eine deutlich höhere Überlebenschance bei schweren Covid-Verläufen, schrieb das Unternehmen im August und noch detaillierter letzte Woche. Erneut gewannen die Aktien. Die Hoffnung: Das Mittel erhält von der US-Gesundheitsbehörde eine Notzulassung und kann einen durchschlagenden Erfolg feiern. Bis Ende Monat wird der Entscheid erwartet. Spielernaturen können auf einen positiven Ausgang wetten. Der Haken: Bisher wurden die Patienten von Ärzten einzeln ausgewählt. In einer Studie mit zufälligen Erkrankten könnte die Wirkung tiefer liegen. Dadurch sinkt nicht nur das Marktpotenzial, sondern auch die Notwendigkeit einer Sofortzulassung vor der ordentlichen Phase III. Diese könnte Monate bis Jahre dauern – und damit würde das Mittel wohl zu spät kommen. Mir ist das Risiko zu hoch. Die Aktien könnten 2021 wieder wenige Rappen wert sein.
Landis+Gyr: Verkaufen
Der neue Chef von Landis+Gyr, Werner Lieberherr, hatte im März einen schwierigen Start. Wegen Covid-19 verzögern sich grosse Aufträge oder fallen ganz weg. Der Umsatz schmolz im ersten Semester um fast ein Drittel, der Betriebsgewinn ist weniger als halb so gross wie im Vorjahr. Der Stromspezialist schrieb erstmals seit der Kotierung 2017 rote Zahlen. Doch die Probleme sitzen tiefer. Bereits Ende 2020 machten regulatorische Probleme im wichtigsten US-Markt den Zugern zu schaffen, zudem erodieren Auftragsbestand wie auch die Cash-Position. Um die Kostenbasis zu verkleinern und das Geschäft auf zukunftsfähigere Software auszurichten, muss es vorerst ein Sparprogramm richten. 12 Prozent der Belegschaft müssen gehen. Dass Landis+Gyr an einem Dividendenvorschlag von 2 Franken pro Aktie festhält, ist bemerkenswert und soll wohl als Zeichen der finanziellen Stabilität gedeutet werden. Es fragt sich, ob diese Mittel nicht besser als Sicherheitspuffer dienen oder in die Transformation investiert werden sollten. Wohin Lieberherr Landis führen will, ist nicht ersichtlich. Die operativen Probleme sind gross, das Marktumfeld garstig. Es gibt kaum ein Argument, das derzeit für ein Engagement in die Aktien spricht.
Lonza: Kaufen
Früher galt Lonza an der Börse als Mauerblümchen. Nun ist der Pharmazulieferer – unter anderem ebenfalls wegen Corona – zum Star im Schweizer Titanenindex SMI geworden. Mit einem Kursgewinn von 60 Prozent seit Anfang Jahr stellen die Lonza-Aktien alle anderen Schwergewichte in den Schatten, Roche und Novartis inklusive. Trotz hoher Bewertung sind die Valoren nach dem Investorentag am Donnerstag weiter gestiegen. Das kann ich nachvollziehen. Präsident Albert Baehny, der schon bei Geberit einen Superjob gemacht hat, drückt Lonza immer mehr seinen Stempel auf. Die Produktion läuft auf Hochtouren, die Anlagen sind ausgelastet. Volle Auftragsbücher versprechen anhaltendes, prozentual zweistelliges Wachstum. Das bedingt hohe Investitionen. Trotzdem will die Konzernleitung die bereits stolzen Profitmargen steigern. Lonza hat vom US-Pharmaunternehmen Moderna den Auftrag erhalten, einen Corona-Impfstoff herzustellen, falls er denn zugelassen wird. Ein Prestigeprojekt, denn er schmälert die Marge. Niemand will damit den grossen Reibach machen. Der Auftrag ist aber gut für das Image. Er zeigt, dass Lonza absolut konkurrenzfähig produziert.
Diese Kolumne wird von den Redaktorinnen und Redaktoren der «Finanz und Wirtschaft» verfasst. Sie haben sich verpflichtet, nicht in den entsprechenden Titeln aktiv zu sein. Wer die Tipps dieser Kolumne umsetzt, tut das auf eigenes Risiko. Die SonntagsZeitung übernimmt keine Verantwortung.
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