Überfällige Zeitfahr-MedailleMit dieser WM-Medaille kommt Küng definitiv in der Weltelite an
Der Thurgauer startete mehrfach mit Ambitionen an einer WM. Mehr als Rang 10 schaute aber nie heraus. Nun bestätigt er seine definitive Ankunft in der Weltelite.
Wie soll das gehen? Sich so klein wie möglich zu machen, wenn man 1,93 Meter misst? Stefan Küng versucht es trotzdem auf den letzten Kilometern des WM-Zeitfahrens. «Denn ich wusste von den Zwischenzeiten, dass es sehr eng würde», sagt er. Da macht einen jeder Quadratzentimeter Angriffsfläche, den man dem Wind vorenthalten kann, noch ein kleines bisschen schneller.
Und trotzdem folgt im Ziel die Ernüchterung: Als viertletzter Fahrer im Rennen kommt Küng ins Ziel, verpasst die Bestzeit von Wout Van Aert um nur drei Sekunden.
«Vielleicht war es genau das, was mich vom Podest trennen wird», sagt sich Küng in diesem Moment enttäuscht. Er kennt das Gefühl. Der 26-Jährige ist unbestritten ein Talent im Kampf gegen die Uhr. Doch das widerspiegelt sich in seinen Resultaten nur ungenügend. In diesen gibt es neben einigen Erfolgen auch viele «fast und beinahe».
Rang 3, weil der Titelverteidiger sich übernommen hat
Weltmeisterschaften sind noch einmal ein Thema für sich: Bei seinen ersten Teilnahmen bestritt er jeweils auch den Teamwettbewerb, mehrmals erfolgreich. Aber jene Rennen kosteten auch viel Kraft, die dann im Einzelzeitfahren fehlte. Andere Male war der Parcours nicht ideal oder ganz generell der Wurm drin.
Auch jetzt, bei diesem sechsten Versuch in der Elite? Auf Küng folgen noch drei Fahrer. Tom Dumoulin ist kein Faktor. Mit Filippo Ganna wiederum muss sich Küng nicht vergleichen, er wird hochüberlegen Weltmeister. Ganna ist so etwas wie Küngs italienisches Double: beide 1,93 Meter gross und auf der Bahn Verfolgungsweltmeister – Ganna hält gar den Weltrekord.
Nun fehlt nur noch Rohan Dennis, der Titelverteidiger. Über 20 Sekunden Vorsprung hat der Australier bei Streckenhälfte auf Küng – und hat sich damit offensichtlich übernommen. Denn Küng nimmt ihm auf der zweiten Hälfte 30 Sekunden ab – und gewinnt doch WM-Bronze.
Es folgt die nächste sterile Corona-Siegerehrung, mit Masken und bereits umgehängten Medaillen. Auch wenn sein Mund verdeckt bleibt, ist deutlich zu sehen, dass da kein breites Grinsen Küngs Gesicht ziert. Seine Mimik zeugt vor allem von Erleichterung.
Auf die vergangene Saison hin wechselte er die Equipe, weg von der Maschinerie BMC, hin zu Groupama-FDJ, wo er eine ganz andere Wertschätzung erfährt. Dazu kommt aber ein Zeitfahrvelo, auf dem er sich nie so wohl fühlt wie auf jenem von BMC. Mitte vergangener Saison verändert er seine Sitzposition, eine Notmassnahme, die rückblickend vielleicht der erste Schritt hin zu dieser Bronzemedaille ist.
Daneben gibt es die Entwicklungsarbeit mit Velosponsor Lapierre, die in einem neuen Zeitfahrvelo mündet, «mit dem wir vielleicht sogar einen kleinen Vorteil gegenüber der Konkurrenz haben», so Küng. In Imola erhält er vollen Teamsupport: Sein Mechaniker bereitet das Velo vor, Trainer Julien Pinot sitzt neben Nationaltrainer Marcello Albasini im Auto und gibt per Funk die Anweisungen.
Wenn Velo und Athlet eine Einheit bilden
So war es bereits vor einem Monat an der EM, Küng gewann erstmals jenen Titel. «Es gab in dieser Saison zwei grosse Einzelzeitfahren – und ich stand bei beiden auf dem Podest. Das zeigt, dass ich einen grossen Schritt gemacht habe und jetzt definitiv zur Weltspitze gehöre», sagt Küng nun.
Nationaltrainer Albasini kommt ins Schwärmen, wenn er an Plouay zurückdenkt: «Da gefiel er mir so richtig. Nicht weil er gewann, sondern weil die Bewegung fliessend war, Velo und Athlet eine Einheit bildeten. In Imola war es jetzt nicht anders. Es war Zeit, dass diese Medaille gekommen ist.»
Es ist Küngs zweite WM-Bronze-Medaille in Folge, nachdem er in Yorkshire vor einem Jahr im Regen Dritter im Strassenrennen geworden ist. Auf jenes verzichtet er nun, auch wenn ihm der Entscheid nicht leichtfiel. Doch auch wenn die grossen Zeitfahren dieser Saison nun vorbei sind: Küng hat noch Ziele. Die verschobenen Pavé-Klassiker: Flandernrundfahrt und Paris–Roubaix folgen Ende Oktober. Küng hat nicht vor, da nur zuzuschauen.
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