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Video

Måneskin in Zürich
120 Minuten Rock ohne doppelten Boden

Bassistin Vic De Angelis in einer ihrer Lieblingsposen bei einem Auftritt 2022 – fotografieren war in Zürich nicht erlaubt.

Das Album «Rush», erschienen im Januar, wurde verrissen. Aber das spielte gestern Abend im Hallenstadion keine Rolle. Måneskin sind nach Zürich gekommen, um zu beweisen, dass sie grösser sind als der Hype, den sie mit ihrem Sieg beim Eurovision Song Contest 2021 ausgelöst haben. Zum ersten Mal seit ihrem globalen Durchbruch treten sie in der Schweiz auf.

Wo steht die Band aus Rom, zwei Jahre nachdem der ESC sie zu «Rettern des Rock» katapultiert hat, samt «Vogue»-Shootings, Spotify-Specials und Milliarden Streams?

Die Show

Mit nur fünf Minuten Verspätung beginnt die Show, wenig rockstarhaft, das Hallenstadion in Zürich hat sich gerade noch rechtzeitig gefüllt. Hinter einem riesigen, roten Vorhang baut die Band geduldig eine erste Soundwand auf, die Takt für Takt anwächst – bis der Vorhang fällt und Sänger Damiano David zum Retro-Mikrofon greift, das von der Decke hängt.

In den ersten 15 Minuten powern sie die Songs nahtlos hintereinander durch, darunter mit «Zitti e buoni» und «Gossip» auch zwei ihrer Hits, erst dann ist Zeit für ein kurzes Durchatmen und ein «Good evening, Zu-ritsch». Tempo und Lautstärkepegel halten die vier hoch, das ganze zweistündige Konzert durch.

Måneskin geben sich gern opulent, in ihren Posen, den Outfits – was sie aber in Zürich bieten, ist eine überraschend simple Rockshow. Auf der Bühne stehen einzig das Schlagzeug auf seinem Podium, Gitarren- und Bassverstärker – und die Band, gewohnt spärlich oder in transparenten Stoffen gekleidet. 120 Minuten, vier Personen, kein doppelter Boden.

Die Showelemente beschränken sich aufs gelegentliche Bad in der Fan-Menge – hier tut sich insbesondere Bassistin Victoria De Angelis hervor, die auch auf dem Rücken über die Fans gleitend noch satte Basslinien durchzieht. Das Konzert von Måneskin ist nicht besonders – und damit etwas Besonderes. Es gibt keine Effekte, keine Stimmungsfilmchen auf den Leinwänden, keine grossen Ansagen, keine Outfitwechsel. Einfach eine Band, die spielt.

Drei fitte Instrumentalisten und ein charismatischer Sänger: Måneskin bei einem Konzert in Bari Ende März.

Die Musik

Schon im Intro hinter dem Vorhang wird klar: Hier sind drei beeindruckende Instrumentalisten am Werk – die alle erst 22 Jahre alt sind. Auch wenn Damiano David als Frontmann optisch der Auffälligste in der an sich optisch auffälligen Band ist, so sind es doch seine zwei Mitmusiker und die Mitmusikerin, die das Publikum zwei Stunden bei Stange halten. Noch bei den Zugaben hat kaum jemand den Saal verlassen.

Die Band ist seit 2015 aktiv, kennen gelernt haben sie sich in der Schule, angefangen haben sie mit Strassenmusik. Mit inzwischen drei Alben und einer EP haben sich einige Hits angehäuft, da ist der ESC-Siegersong, aber auch «The Lonliest», «I Wanna Be Your Slave» oder «Beggin’», Måneskins erster Milliarden-Streams-Hit. Zu letzterem Lied sagt Sänger David in einer seiner wenigen Wortmeldungen: «Viele Leute sagen, sie hassen den Song. Aber tief drin lieben sie ihn.» Man spürt: Der grosse Erfolg nach dem ESC, er hat der Band nicht nur Sicherheit gegeben.

Das Publikum

13’000 Menschen fasst das Hallenstadion, und sie bilden einen dichten Teppich vor der Bühne, der während des ganzen Konzerts nicht zur Ruhe kommt. Auch in den Rängen hält es die meisten schon nach fünf Minuten nicht mehr auf den Sitzen. Die Altersspanne ist breit, wie so oft bei solchen Grosskonzerten, von Schulkindern bis Ü-40er. Die Mehrheit der Anwesenden ist weiblich, man hört viel Italienisch und sieht viele Lederjacken. Insbesondere in Bühnennähe ist die Dichte an gezückten Handys während der Show hoch.

«Coole Kids mögen keinen Rock, sie hören nur Trap.»

Songzeile in «Kool Kids»

Textsicher sind hier fast alle, bei den Songs vom neusten Album genauso wie bei den italienischen Nummern, die gut eingestreut ihren Platz im Programm finden. Frontmann David fordert die Menge immer wieder mit Zurufen auf, zu hüpfen oder mitzusingen. Er tut das wenig inspiriert («Jump, jump!»), aber es funktioniert. Bei «I Wanna Be Your Slave» verwandelt sich das Hallenstadion für einen kurzen Moment in einen gigantischen, wabernden Moshpit.

Zum Ende des regulären Sets holt Damiano David einige Fans auf die Bühne, was auf der laufenden Tour zu «einer kleinen Tradition» geworden sei. Dazu spielen sie «Kool Kids», und David singt: «Coole Kids mögen keinen Rock, sie hören nur Trap.» Während in der ausverkauften grössten Konzerthalle des Landes dann freilich das Gegenteil bewiesen wird.

Der Moment

Beim Song «For Your Love», das als Lieblingsstück von Gitarrist Thomas Raggi angekündigt wird, nimmt Sänger Damiano David einen der grossen Bühnenscheinwerfer in die Hände und richtet ihn zuerst auf seinen Kumpel an der Gitarre, während der sich in eines seiner epischen Solos stürzt. Danach sucht er mit dem Lichtkegel Bassistin De Angelis, die wieder ins Publikum abgetaucht ist.

Viel wurde über Måneskin geschrieben, über mutmassliche Drogeneskapaden und die sexuellen Orientierungen der Bandmitglieder. Doch beim Konzert, vor den fiebrigen Fans, zeigt die Band, worum es ihr geht: Seht her, wie wir spielen können.