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Kolumne von Markus Freitag
Bin ich patriotisch?

Eine Schweizer Fahne weht auf der Kuppel des Bundeshauses, am Mittwoch, 31. Mai 2023, in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
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Was halten Sie eigentlich von Patriotinnen und Patrioten? Gehören Sie vielleicht selbst dieser Spezies an? Tragen Sie etwa am 1. August Sorge zu einer rot-weiss gehaltenen Dekoration in Ihren vier Wänden? Hissen Sie vielleicht sogar das Schweizer Kreuz? Oder feiern Sie den Nationalfeiertag ferienhalber gern im Ausland und stossen dort stolz auf die SVP der fernen Heimat an, sprich auf die Schweizer Wesensmerkmale Sauberkeit, Verlässlichkeit und Pünktlichkeit?

Als patriotisch gilt, wer eine tiefe und emotionale Verbundenheit zum Heimatland und seinen kulturellen Werten, geschichtlichen Wegmarken und politischen wie wirtschaftlichen Leistungen empfindet. Dabei schliesst Patriotismus die Kritik an der eigenen Gemeinschaft keinesfalls aus und fordert sie sogar ein, wenn diese bestimmte Standards nicht erfüllt. Diese Art der Bindung äussert sich nicht selten im Nationalstolz.

Aber aufgepasst: Patriotismus ist keinesfalls mit Nationalismus gleichzusetzen. Zwar lieben auch Nationalistinnen und Nationalisten ihr Vaterland. Allerdings geht diese Zuneigung stets auch mit der Abwertung und Verachtung der Heimatländer anderer Menschen einher. Eine Feindseligkeit, die Patriotinnen und Patrioten eher fremd ist. Ist für diese die Zugehörigkeit zur Gemeinschaft auch für Aussenstehende erwerbbar, schreiben Nationalisten hierfür die Geburt oder die Existenz von Vorfahren vor.

Die Bewohnerinnen und Bewohner der Deutschschweiz offenbaren weniger Nationalstolz als der Rest im Land.

Wo liebesschwangere Patriotinnen also gern ihre Hände reichen, verschränken Nationalisten bewusst die Arme. Während im «grossen Kanton» die Bundesregierung auf Geheiss der CDU/CSU-Fraktion ein «Bundesprogramm Patriotismus» ankurbeln soll, bekennen laut internationalen Umfragen hierzulande beinahe 90 Prozent, dass sie stolz darauf sind, eine Schweizerin oder ein Schweizer zu sein. Diese Identität beruht nach eigenen Auswertungen zu einem erheblichen Teil auf der Verliebtheit in die hauseigene Demokratie. Auf diese lassen die Hiesigen weit weniger kommen als beispielsweise die Bevölkerungen Frankreichs, Italiens oder auch Deutschlands.

Stolze Schweizerinnen und Schweizer finden sich eher auf der bürgerlichen als auf der linken Seite des Politspektrums und eher in ländlichen als in städtischen Gefilden. Eine finanzielle Schieflage lässt die emotionale Bindung zur Schweiz indes erkalten. Interessanterweise offenbaren die Bewohnerinnen und Bewohner der Deutschschweiz weniger Nationalstolz als der Rest im Land. Dies gilt auch für Frauen und Ledige im Vergleich zu Männern und Verheirateten. Schweizerinnen und Schweizer, die darüber hinaus von sich behaupteten, extrovertiert, verträglich und gewissenhaft zu sein, haben eher das Zeug zum Patrioten oder zur Patriotin als diejenigen, die sich für offen und neurotisch halten.

Wer hierzulande zum Patriotismus neigt, erklärt die Wahlen und Abstimmungen natürlich zum Pflichttermin und bringt am ehesten den bürgerlichen Parteien Sympathien entgegen. Diesem Menschenschlag wird auch nur allzu gern eine grosse Bereitschaft zu Dienst und Opfer fürs Heimatland nachgesagt. Unzählige Studien verweisen deshalb auf die grössere Steuerehrlichkeit von Patriotinnen und Patrioten. Nicht umsonst erinnerte der frühere amerikanische Präsident John F. Kennedy deshalb seine Mitbürgerinnen und Mitbürger auch daran, dass sie weniger danach fragen sollen, was ihr Land für sie tun kann, sondern was sie stattdessen für ihr Land tun können.

Deshalb einmal geradeheraus gefragt: Wie ist das eigentlich bei Ihnen? Was stellen Sie für Ihr Land denn so auf die Beine?

Markus Freitag ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bern. Im Wahljahr schreibt er jeden zweiten Freitag über unser Seelenleben.