Kampf gegen häusliche GewaltKein Täter mehr werden: Zürich schickt Männer in Gewalttherapie
Männer, die ihre Frauen schlagen, müssen in Zürich deutlich häufiger als bis anhin in ein Lernprogramm gegen Gewalt. Das Programm wirke, sagt die Justizdirektion.
Die eigenen vier Wände sind für Frauen nach wie vor der gefährlichste Ort. Alle zwei Wochen stirbt in der Schweiz eine Frau an den Folgen häuslicher Gewalt. Die Kantonspolizei Zürich rückte im vergangenen Jahr rund 18-mal pro Tag wegen häuslicher Gewalt aus, und sie sprach über 1200 Wegweisungen, Kontakt- oder Rayonverbote gegen Gefährder aus.
Wie aber schützt man Frauen, wenn ein Kontaktverbot ausläuft und der Täter nach Hause zurückkehrt?
Ein Instrument sind die sogenannten Lernprogramme, in denen gewalttätige Personen lernen, nicht mehr rückfällig zu werden. Die Staatsanwaltschaft, das Gericht und die Vollzugsbehörden können ein solches verordnen. Das Angebot des Amtes für Justizvollzug und Wiedereingliederung (JuWe) gibt es seit mehr als 20 Jahren, es wurde jedoch kaum genutzt. In den vergangenen zehn Jahren wurden durchschnittlich 25 Personen dem Programm zugewiesen.
Im letzten Jahr hingegen sind die Zuweisungen geradezu explodiert. Die Behörden verpflichteten 171 Personen zu einem Lernprogramm, wie das JuWe am Dienstag bekannt gab.
Grund dafür ist eine Gesetzesänderung von letztem Juli, die Opfer von häuslicher Gewalt besser schützen und sie in den Verfahren entlasten soll. Sie hat es möglich gemacht, solche Programme schneller zu verordnen – neu zum Beispiel auch dann, wenn ein Verfahren noch läuft (lesen Sie hier mehr zur Bilanz der Gesetzesänderungen).
Im Lernprogramm reflektieren die Teilnehmer in 16 mehrstündigen Sitzungen, wann und warum sie Gewalt anwenden. Thema sind beispielsweise Alkoholkonsum, Stressbewältigung oder problematische Rollenbilder. Mit speziell ausgebildeten Sozialarbeitern entwickeln sie einen Notfallplan für Risikosituationen. In der Gruppe üben sie, wie sie sich in brenzligen Situationen verhalten, ohne gewalttätig zu werden. Nach drei, sechs und neun Monaten gibt es Kontrollgespräche.
Rückfallrisiko deutlich gesenkt
Das Programm wirkt: Personen, die an mindestens zehn Sitzungen teilgenommen haben, wurden innerhalb der folgenden zwei Jahre seltener rückfällig, wie das JuWe untersucht hat. Von den 43 Personen, die zwischen 2011 und 2016 das Lernprogramm absolviert hatten, wurden in den zwei Folgejahren nur 2 rückfällig – die Polizei registrierte bei ihnen einen Vorfall häuslicher Gewalt. Das entspricht weniger als 5 Prozent.
Bei Personen, die kein Lernprogramm absolviert hatten, lag die Rückfallquote hingegen bei 17,4 Prozent. Auch im langjährigen Vergleich kam es bei Lernprogramm-Absolventen zu weniger Gewalt als bei anderen Tätern.
Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) sagt dazu: «Wir investieren viel in die Arbeit mit jenen Personen, die Gewalt anwenden.» Das zahle sich aus: «Lernprogramme erhöhen die Chance, dass die Gewalt aufhört.» Das sei im Sinne der Opfer: Der wirksamste Opferschutz sei derjenige, der Gewalt verhinderte.
Die Sprache ist die grösste Hürde
Ein Problem ist, dass Täter, die kein oder nicht genügend Deutsch sprechen, bis anhin nicht teilnehmen konnten. Das wäre aber wichtig, denn Migrantinnen werden häufiger Opfer von häuslicher Gewalt.
Der Regierungsrat will im Rahmen eines grossen Massnahmenpakets gegen Gewalt an Frauen nun nachbessern und das Lernprogramm auch für nicht Deutschsprechende zugänglich machen. Zur Diskussion stehen Kurse in Portugiesisch, Albanisch, Serbisch und Türkisch.
Joder Regli, Verantwortlicher für die Lernprogramme, sagt: «Da gäbe es sehr viel Potenzial.» Man kläre momentan auch ab, was in Zusammenarbeit mit Fachstellen und NGOs möglich wäre.
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