Tabuthema Frauenpriesterinnen«Jesus war der erste Feminist»
Jacqueline Straub will die erste Priesterin der katholischen Kirche werden. Mit ihrem modernen Glauben stösst sie auf Widerstand – auch beim Papst persönlich. Ein Porträt.
Seit über 2000 Jahren gibt es die katholische Kirche. In dieser Zeit wurden 266 Männer zum Papst gewählt und Millionen von ihnen ins Priesteramt geweiht. Frauen in dieser Position? Gab es nie. Jacqueline Straub hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das zu ändern. Und nicht nur das. Wenn es nach ihr geht, soll gleich die ganze Institution revolutioniert werden.
Denn Straub liegt nicht nur in Sachen Frauenpriestertum über Kreuz mit der katholischen Kirche. Auch in anderen Tabuthemen der Kirche ist sie progressiv: «Dass die Kirche Homosexualität als Sünde ansieht, verletzt mich zutiefst. Für mich sind homosexuelle Menschen genauso von Gott gewollt und geliebt.»
Auch die Haltung zum Thema Sex vor der Ehe solle in einem modernen Kontext gesehen werden. Es brauche zwar einen bedachten Umgang mit Sexualität, aber diese Haltung stamme aus einer Zeit, als eine Frau mit 12 Jahren verheiratet wurde. «Heute heiratet man aber mit 30, vielleicht noch später, das heisst, man predigt jungen Menschen, sie sollen 15 Jahre oder noch länger enthaltsam sein.» Ebenso vehement tritt Straub für einen freiwilligen Zölibat ein, dass Frauen, die abtreiben, nicht verurteilt werden, und dafür, dass auch geschiedene Ehepaare wieder die Kommunion erhalten.
Die konservative, altmodische Haltung des Klerus ist für Straub der Hauptgrund, weshalb die Kirche Mitglieder verliert: «Wir haben keine Glaubenskrise, wir haben eine Kirchenkrise.» Die Kirche müsse moderner werden, findet Straub. Studien würden zeigen, dass viele Jugendliche sehr wohl Interesse an Spiritualität hätten. Aber statt zur katholischen Kirche zu gehen, würden sie sich dann halt eine andere Religion suchen und zum Beispiel bei Freikirchen landen, die den Glauben modern verpacken, «dabei sind manche aber noch viel konservativer als die katholische Kirche».
Auch vom Reformpapst gibt es eine Absage
Um sich Gehör zu verschaffen, schreibt Straub Bücher zur Rolle der Frau in der Kirche und ist auf Social Media aktiv. Sie schreibt immer wieder Briefe an den Papst und konnte Franziskus 2017 sogar einen Brief persönlich übergeben. Doch auch im Vatikan stösst sie auf taube Ohren. Zwar bekommt sie Antworten aus Rom, diese sind aber durchs Band negativ, häufig wird sie mit knappen Stellungnahmen abgespeist: «Das finde ich dann schon irgendwie arrogant, denn ich trage diese Berufung seit 15 Jahren in meinem Herzen.»
Ihren Kampf lässt sie sich aber nicht ausreden. Ablehnung aus erzkonservativen Kreisen ist für sie nichts Neues. Schon mit 20 musste sie im Theologiestudium feststellen, dass selbst junge Katholiken ihren Wunsch nicht nachvollziehen können: «Da sagten mir 20-Jährige: Wenn du Pfarrerin wirst, trete ich aus der Kirche aus.» Andere männliche Mitkommilitonen schlugen ihr vor, dass sie ja als Haushälterin tätig sein und nebenbei die Predigten des Pfarrers schreiben könnte.
Kirche: Nur Männer können das Gefühl der Berufung empfinden
Während ihres Studiums machte ihr ein Dozent klar: Es werde nahezu unmöglich sein, mit ihrer Haltung eine Anstellung in der katholischen Kirche zu finden. Denn ein Bischof würde sich in der konservativen Hierarchie der Kirche wohl die Karriere verbauen, wenn er jemanden wie Straub förderte.
Der Weg zum Pfarramt? Ebenso verbaut. Die Ausbildung erfolgt in der katholischen Kirche im Priesterseminar. Um aufgenommen zu werden, muss man eine innere Berufung spüren, Gott und der Kirche dienen zu wollen. Dass ein solches Gefühl objektiv nicht nachweisbar ist, ist eine Sache. Aber die katholische Kirche setzt voraus, dass nur Männer es überhaupt empfinden können.
Berufung im Jugendcamp
Straub kann das nicht verstehen. Sie spürt ihre Berufung, seit sie mit 15 an einem katholischen Jugendcamp teilgenommen hat. Diese Woche veränderte ihr Leben. Eine Freundin fragte sie damals, ob sie in das Sommercamp mitfahren wolle, und Straub sagte sich: «Warum nicht?» In dieser Woche spürte sie «ein Brennen im Herz» und das erste Mal den Wunsch, «das zu tun, was der Pfarrer macht, also am Altar stehen, Ehen schliessen, oder Kinder taufen». Als sie von einem Gruppenleiter des Camps aufgefordert wurde, das gemeinsame Gebet zu halten, zögerte sie zunächst, betete dann aber einfach drauflos. Danach sagte der Gruppenleiter, ohne von ihrem Wunsch zu wissen: «Du wärst die perfekte Pfarrerin.»
Nach dem Camp meldete sie sich in ihrem Wohnort als Ministrantin: «Der Pfarrer hiess mich willkommen und sagte, ich könne sofort loslegen.» Auch er bemerkte den Wunsch, den Straub in sich trägt, und suchte das Gespräch. Er schlug ihr sogar vor, zur evangelisch-reformierten Kirche zu konvertieren, wo Frauen das Priesteramt ausüben dürfen. Doch die Konfession zu wechseln, ist für Straub keine Option. Sie bleibt bei ihrem Wunsch und kämpft dafür. Doch die römisch-katholische Kirche stellt sich quer: Für die Männer soll der Glauben Männersache bleiben.
«Kirche hat keinerlei Vollmacht, Frauen die Priesterweihe zu spenden»
Eine plausible Erklärung dafür hat Straub nie wirklich erhalten. Dass das Thema ein heikles ist, zeigt sich auch daran, dass sich die Schweizer Bischofskonferenz auf eine Anfrage zum Thema aktuell nicht äussern will – stattdessen wird auf ältere Communiqués verwiesen. Darunter ein Dokument von 1994, in dem aus einem Schreiben des damaligen Papstes Johannes Paul II. zitiert wird: «‹Die Kirche hat keinerlei Vollmacht, Frauen die Priesterweihe zu spenden.› Mit anderen Worten: Der Papst sieht sich zum Nein veranlasst, weil er (lehrmässig) keine Möglichkeit sieht, Ja dazu sagen. Es geht hier somit nicht bloss um eine Frage der Kirchenordnung, sondern um das grundlegende Kirchen- und Sakramentenverständnis.»
In der offiziellen Losung des katholischen Lehramts werden drei Gründe aufgeführt: Erstens war Jesus ein Mann, zweitens hat er zwölf männliche Apostel als Nachfolger berufen, und drittens ist es Tradition, dass nur Männer Priester werden.
«Jesus hat gesellschaftliche Normen durchbrochen»
Für Straub sind diese Argumente wenig einleuchtend: «Wenn man sieht, wie Jesus sich in einer Zeit, in der Frauen nichts zu sagen hatten, verhalten hat, könnte man meinen, dass er schon der erste Feminist war.» Damals hätten Männer nur mit Frauen sprechen dürfen, die mit ihnen verwandt oder verheiratet waren, doch Jesus habe das ignoriert: «Da sieht man schon, dass er gesellschaftliche Normen durchbrochen hat.»
Ausserdem sei Jesus nach seiner Auferstehung nicht etwa einem Mann begegnet, sondern Maria Magdalena: «Er gab ihr den Auftrag, seine Auferstehung zu verkünden. Und das in einer Zeit, in der Frauen sich nicht öffentlich äussern durften. Damit sprengt er jegliche männerzentrierten Vorstellungen seiner Zeit.»
«Dumm», «Unrein», «Unfähig»
Die Argumente des Lehramts sind dabei noch harmlos im Vergleich zu dem, was Straub aus extrem konservativen Kreisen der Kirche zu hören bekommt: «Da fallen Sätze wie: Frauen sind dumm, Frauen sind unrein, Frauen sind unfähig oder Frauen sind anfällig für Depressionen.» Solche Sätze haben Straub anfangs verletzt, «oft sind auch Tränen geflossen», inzwischen hat sie aber gelernt, damit umzugehen.
Straub ortet den Grund für solche Argumente auch in der Machtfrage: «Manche Männer in der Kirche haben Angst, ihre Macht teilen zu müssen.» Gerade in Rom habe man Angst, dass durch die Anwesenheit von Frauen noch mehr Skandale aufgedeckt würden, «aber es gibt auch Männer im Klerus, die schlicht und einfach misogyn sind».
Thema bleibt heikel
Obwohl Straubs Kampf bislang erfolglos war – sie wird gehört. Inzwischen ist sie eine bekannte Stimme in der katholischen Kirche. 2018 landet sie sogar auf der BBC-Liste der 100 inspirierendsten Frauen der Welt. Für ihre Unterstützer in der Kirche bleibt das Thema heikel: «Ein US-Pfarrer, den ich kenne und der an einem Protestmarsch für Priesterinnen mitlief, wurde sogar exkommuniziert.» Dennoch spürt sie bei den Gottesdiensten, an welche sie eingeladen wird, um zu predigen, Unterstützung von der Basis. Nur selten reagieren Gläubige abweisend auf sie. Und auch Bischöfe sprechen sich unter der Ägide von Papst Franziskus vermehrt positiv für mehr Gleichberechtigung in der Kirche aus.
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