Israel tötet Nummer zwei der HamasEin Erfolg, der den Libanon in den Krieg ziehen könnte
Die israelische Armee tötet in Beirut einen der höchsten Hamas-Führer, einen Mann der Finsternis, der hinter vielen Anschlägen steckt. Wie reagiert nun die Hizbollah?
Saleh al-Arouri war sich womöglich recht sicher, dass sein Versteck nicht auffliegen würde. Bereits im August vergangenen Jahres hatten libanesische Medien berichtet, dass Israel plane, den stellvertretenden Leiter des Hamas-Politbüros zu ermorden. Nach dem Terrorangriff vom 7. Oktober rückte er noch weiter nach oben auf der Liste der Israelis, Premierminister Benjamin Netanyahu befahl persönlich die Eliminierung aller Hamas-Führer im Ausland.
Trotzdem scheint sich Arouri sicher gefühlt zu haben in Beirut: Der Tod traf ihn nicht in einem Tunnel oder einem unterirdischen Bunker, von denen es im Süden der libanesischen Hauptstadt einige gibt, sondern in einem zehnstöckigen Gebäude in der Dahiyeh, wie der Süden Beiruts genannt wird. Es ist die Hochburg der Schiiten, fest unter der Kontrolle der Hizbollah, der vom Iran unterstützten Terrorgruppe.
Wohl der bisher grösste Erfolg des israelischen Militärs
Die Hamas ist dort keine feste Grösse, bis heute hat sie nicht öffentlich bestätigt, ob es ihren libanesischen Ableger überhaupt gibt, dessen Chef Arouri gewesen sein soll. Offiziell war er Vize der politischen Führung, Chef der Hamas im Westjordanland und Mitbegründer des bewaffneten Armes, der Qassam-Brigaden, der Hauptverantwortlichen für den Anschlag vom 7. Oktober, bei dem 1200 Israelis ermordet und mehr als 200 als Geiseln verschleppt wurden.
Arouri ist ein Mann der Finsternis, verantwortlich für Anschläge und Morde an Israelis und an Palästinensern von der rivalisierenden Fatah. Für ihn muss es ein Ehrentitel gewesen sein, von der US-Regierung 2015 als «Specially Designated Global Terrorist» eingestuft zu werden.
Nun ist er als «Märtyrer» gestorben, so hat es die Hamas selbst als Erstes vermeldet, um Israel nicht die Deutungshoheit darüber zu überlassen, ein so hochrangiges Mitglied der Hamas getötet zu haben. Es ist wohl der bisher grösste Erfolg des israelischen Militärs. Ein präziser Schlag, bei dem zwei weitere Hamas-Kommandeure ums Leben kamen, aber offenbar wenig oder keine Zivilisten. Es ist ein ganz anderes Bild als das der Angriffe im Gazastreifen, wo viele Frauen und Kinder getötet werden.
Es ist ein Erfolg für Israel, aber vielleicht auch der Beginn einer neuen Eskalationsstufe im Libanon. «Es ist ein neues israelisches Verbrechen, das darauf abzielt, den Libanon in eine neue Phase der Konfrontation zu stürzen, nachdem die täglichen Angriffe im Süden des Landes eine grosse Zahl von Toten und Verletzten gefordert haben», sagte der geschäftsführende Premierminister Najib Mikati.
Sein Tod könnte die Lage verändern
Eine richtige Regierung hat der Libanon nicht, Mikati sagte neulich selbst, das Land sei eigentlich nur noch ein «fake», seit 2022 gibt es keinen Präsidenten. Die Hizbollah bestimmt, wie es weitergeht. Ob das Parlament tatsächlich einen neuen Präsidenten wählt. Ob es in den Krieg zieht gegen Israel. Mehr als 150’000 Raketen hat die Terrorgruppe im Süden des Landes angeblich stationiert, seit dem 7. Oktober werden fast täglich welche nach Israel abgeschossen, das dann wiederum zurückfeuert. Bisher war es eine Art Ritual, mit dem beide Seiten Stärke demonstrieren konnten, ohne die Lage komplett eskalieren zu lassen.
Der Tod von Arouri könnte die Lage verändern. Er war in den Libanon gezogen, weil ihn erst die Türkei und dann wahrscheinlich auch Katar nicht mehr haben wollte, weil seine Rolle als Finanzier und aktiver Kommandeur der Hamas zu heikel wurde. Im Libanon hat der Staat wenig zu sagen, die Hizbollah aber viel. Mit der Hamas eint sie das Ziel, Israel zerstören zu wollen.
Leute wie Arouri fungierten als Bindeglied, es gab aber auch Differenzen: Die Hamas warf der Hizbollah nach dem 7. Oktober immer wieder vor, ihren Krieg gegen Israel nicht ausreichend zu unterstützen, nicht die totale Konfrontation zu suchen. Der Tod von Arouri könnte nun der Moment sein, in dem die Hizbollah glaubt, nicht mehr anders zu können, als Israel massiver anzugreifen.
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