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Interview mit Elefanten-Kurator
«Ich hätte Heri von Herzen ein Kalb gegönnt»

«Jetzt haben wir kein Kalb, nicht einmal ein totes» – Kurator Fabian Schmidt redet offen über den Tod von Heris Jungem.
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Herr Schmidt, Sie wirken erschöpft. Wie waren die letzten beiden Wochen für Sie?

Ich habe jegliches Zeitgefühl verloren. Ich weiss weder, was heute für ein Tag ist, noch wann genau Weihnachten ist. Wir arbeiten momentan durch, auch an den freien Tagen kommen wir in den Zolli, um nach Heri zu schauen.

Wie ist ihr Zustand aktuell?

Immer noch den Umständen entsprechend gut. Das Fieber ist nicht zurückgekehrt, sie bewegt sich viel, auch auf der Aussenanlage, und sie frisst gut. Sie nimmt auch ihre Rolle als Leitkuh in der Gruppe wieder wahr.

Wer kümmert sich neben Ihnen noch um Heri?

Es ist ein Team aus fünf unglaublich motivierten und pflichtbewussten Tierpflegern, die sie schon während der ganzen Trächtigkeit begleiten, also seit dem Sommer 2022. Das in dieser Zeit aufgebaute Vertrauen ist gerade enorm wichtig. Denn nur, wenn sie freiwillig zu uns ans Gitter kommt, können wir sie behandeln.

Sonst würde man sie leiden lassen?

Eine Behandlung gegen den Willen der Tiere ist gar nicht mehr möglich, seit wir 2017 auf eine Haltung umgestellt haben, bei der die Tierpflegenden nicht mehr zu den Elefanten ins Gehege gehen. Wir kümmern uns durchs Gitter um die Tiere. Das hat sehr viele Vorteile, beispielsweise für unsere Sicherheit. Aber auch für die Elefanten, da sie nicht mehr mit Haken gegen ihren Willen irgendwohingezogen und dort angekettet werden. Dafür hat es halt den Nachteil, dass wir in jedem Fall auf die Mitarbeit der Tiere angewiesen sind.

Wie kooperativ ist Heri?

Momentan läuft es sehr gut. Sie akzeptiert auch die Medikamente, die ihr oral verabreicht werden. Wir packen die Tabletten zum Beispiel in Früchte, damit sie sie nimmt. Aber es kam auch schon vor, dass sie das gemerkt hat. Wir schauen deshalb genau hin, ob sie die Tabletten heimlich ausspuckt.

Keine Elefantengeburt im Zoo Basel: Heri

Welche anderen Behandlungen braucht Heri?

Weil sie vergangene Wochen Infusionen bekommen hat, sind Venen hinter ihrem rechten Ohr entzündet. Hier massieren wir sie mit einer Creme. Das schätzt sie sehr, weil es den Juckreiz lindert, weshalb sie dafür sehr gerne ans Gitter kommt. Im Aussengehege erkennt man sie momentan daran, dass sie sich immer sofort einen Stock hinters rechte Ohr klemmt, um sich zu kratzen.

Wie haben die anderen Tiere auf Heris kritischen Zustand reagiert?

Rosy, die sowieso eher nervös ist, hat man es sehr stark angemerkt. Als die Geburt eigentlich angestanden wäre, ging es so weit, dass sie versucht hat, Pfleger durch das Gitter anzugreifen. Wir mussten das Training mit ihr und Maya deshalb zeitweise sogar aussetzen. Mittlerweile geht es wieder. Beide suchen zudem stark Heris Nähe, vor allem Rosy braucht die Rückversicherung der dominanten Leitkuh sehr.

Und doch hätten Sie eben diese Leitkuh mit der Schwangerschaft in hohem Alter einem viel zu hohen Risiko ausgesetzt, sagen Kritiker.

Ich kenne die Vorwürfe, aber das stimmt einfach nicht. Heri ist heute 47 Jahre alt. Das ist bei Elefanten auch in freier Wildbahn ein Alter, in dem sie noch genauso fruchtbar sind wie in ihren Zwanzigern. Und auch bei wild lebenden Elefanten kommen Trächtigkeiten in diesem Alter vor.

Die Befruchtung ist das eine, aber galt es nicht als Risikoschwangerschaft?

Dafür schaut man nicht in erster Linie aufs Alter, sondern den Gesundheitszustand einer Kuh. Es gibt beispielsweise junge Elefantenkühe mit Übergewicht, wo eine Trächtigkeit viel riskanter wäre als bei Heri. Sie war so gut in Form, dass selbst Leute, die viel von Elefanten verstehen, sie kaum je älter als 30 Jahre geschätzt haben.

War denn geplant, dass Heri trächtig werden sollte, als man den Bullen Tusker nach Basel holte?

Eigentlich hätten wir eher gedacht, dass eine der beiden Jüngeren trächtig wird. Aber es ist gar nicht so, dass wir da aktiv züchten könnten, da es ja keine künstliche Besamung ist. Wir schaffen einfach eine passende Umgebung für die Tiere und bringen dann den Bullen mit der Herde zusammen. Den Rest regeln die Tiere selbst.

Keine Elefantengeburt im Zoo Basel: Tusker

Hätte man Heri da nicht abtrennen müssen, damit eben nicht sie schwanger wird?

Das hätte das Tierwohl gar nicht erlaubt. Man kann ein Tier aus einer Herde vielleicht mal eine Stunde abtrennen, aber schon das sorgt für Unruhe. Ausserdem wären eine Trächtigkeit und Geburt bei Maya oder Rosy auch nicht einfach risikolos gewesen. Sie sind keine dominanten Kühe und haben noch nie geboren. Da kann es vorkommen, dass eine Mutter das eigene Kalb tötet.

Das hätte man bei Heri nicht befürchtet?

Heri ist ein unglaublich soziales Tier, deshalb lieben wir sie alle auch so sehr. Bei einer Totgeburt vor 19 Jahren hat sie zudem keinerlei Aggressionen gegen das Kalb gezeigt. Also nein, diese Sorgen waren bei ihr eher gering. Im Gegenteil: Wir alle hätten es Heri von Herzen gegönnt, wenn sie ihr Kalb hätte aufziehen können. Sie wäre sicher eine tolle Mutter gewesen.

Tierschützer werfen dem Zoo vor, dass es keineswegs um Heri gegangen sei. Man habe einfach um jeden Preis ein Junges haben wollen. Auch, weil das lukrativ sei…

Ein absolut haltloser Vorwurf. Ja, wir hätten gerne ein Jungtier in Basel. Dies aber nicht aus finanziellen Überlegungen, sondern um im Zolli Schritt für Schritt eine Herde mit Verwandtschaftsbeziehungen aufzubauen. In der Natur besteht eine Elefantengruppe aus einer Leitkuh, ihren Töchtern und Enkelinnen. Das haben wir in Basel nicht, das ist ein Schwachpunkt.

Ich fahre an Weihnachten nur zu meiner Familie, wenn es Heri weiterhin gut geht.

Ein weiterer Kritikpunkt: Im Zolli fehle das nötige Expertenwissen, was Heri in Gefahr gebracht habe.

Auch das stimmt schlicht nicht. Wir waren von Beginn der Trächtigkeit an mit Kuratoren, Tierärztinnen und Elefantenpflegern aus ganz Europa in Kontakt. Wir haben uns die besten Fachleute zur Seite geholt, um eine Elefantengeburt in einem Zoo zu begleiten. Unsere eigenen Leute haben zudem Fachtagungen besucht und sich weitergebildet.

Und jetzt ist aus all dem nichts geworden. Trauern Sie um das tote Kalb?

(atmet schwer) Oh ja, sehr. Das ganze Team trauert. Es ist nach dem Tod von Tusker ein weiterer Schlag in den Nacken, den wir verarbeiten müssen. Wir haben uns so lange auf diese Geburt vorbereitet und uns gefreut. Niemand hat in den letzten zwei Monaten Ferien genommen, um ganz sicher hier zu sein, wenn es zur Welt kommt. Und jetzt haben wir kein Jungtier, nicht einmal ein totes. Wenn es wenigstens verstorben rausgekommen wäre, dann hätten wir damit abschliessen können. Aber jetzt…

Jetzt wird es wahrscheinlich als Steinfrucht im Uterus mumifiziert und verbleibt darin?

Das ist eines von drei Szenarien, die bei Elefanten vorkommen. Die anderen sind, dass das Kalb doch noch als Ganzes oder in mehreren Teilen rauskommt. Die letzte Möglichkeit wäre für Heri am gefährlichsten, weil dann Infektionen drohen.

Ist der Traum von einem Elefantenjungen in Basel damit ausgeträumt?

Wie es weitergeht, wird nächstes Jahr sicher ein Thema. Der Zolli Basel plant da aber keineswegs alleine, wir sind wie alle Zoos in ein internationales Zuchtprogramm eingebunden. Wenn Heri tatsächlich eine Steinfrucht im Bauch haben sollte, würden wir sicher nichts riskieren. Ab dem 50. Geburtstag wird aber ihre Fruchtbarkeit zurückgehen, dann ist die Situation wieder eine andere. Aber ganz ehrlich, damit mag ich mich gerade nicht auseinandersetzen. Im Moment geht es um Heris Überleben, nichts anderes.

Auch an Weihnachten?

Auch dann. Ich fahre nur zu meiner Familie, wenn es Heri weiterhin gut geht. Und auch dann bleibt das Handy auf laut gestellt. Notfalls fahre ich nachts um drei Uhr los, um nach ihr zu sehen.