Studie zu sexuellen ÜbergriffenIn Zürich werden neun von zehn jungen Frauen belästigt
Ein neuer Bericht zeigt ein erschreckendes Bild über die vorherrschende Stimmung im öffentlichen Raum. Jetzt wird die Stadtpräsidentin aktiv.
Stadtpräsidentin Corine Mauch (SP) trat am Dienstagnachmittag mit einer schlechten Botschaft vor die Medien: «Die Häufung von Belästigungs-Fällen ist erschreckend.» Sie meinte damit die in einer Studie erfassten sexuellen Übergriffe gegen Frauen und Transpersonen im öffentlichen Raum der Stadt Zürich.
Wie verbreitet solche Übergriffe in der Stadt Zürich sind, zeigt die von der Stadt in Auftrag gegebene Studie «Unterwegs in Zürich. Wie geht es Ihnen dabei?». Befragt wurden etwas mehr als 1600 Personen im Alter zwischen 16 und 79. Die Fragen beziehen sich ausschliesslich auf Erfahrungen im öffentlichen städtischen Raum.
Gemäss der Studie gehören Belästigungen zur Tagesordnung. Gemeint ist dabei nicht nur strafrechtlich relevantes Verhalten, sondern auch Beleidigungen, Anrempeln oder obszöne Gesten. Deutlich wurde, dass Männer und Frauen ungleich betroffen sind.
Wohlbefinden nur tagsüber
Was Mauch als «erschreckend» beschrieb: Gemäss den Resultaten der Studie wurden zwei Drittel aller befragten Frauen schon einmal auf die eine oder andere Art belästigt. Durch Einbezug der Tageszeit werden die Zahlen eindeutiger: Vier Fünftel aller Frauen, die nachts in Zürich unterwegs sind, haben schon übergriffige Erfahrungen gemacht. 16 Prozent machen solche Erfahrungen ab 22 Uhr gar mit einer gewissen Regelmässigkeit.
Das gilt insbesondere für die Gruppe der relativ ausgehfreudigen 16- bis 35-Jährigen. Neun von zehn Frauen in dieser Alterskategorie gaben an, bereits einmal belästigt worden zu sein. Diese Altersgruppe hält sich häufig an Orten des Nachtlebens wie Clubs, Bars, Festivals oder Volksfesten auf. Bei den Männern zeigt sich ein anderes Bild: Rund ein Drittel der Männer berichtet von übergriffigen Erlebnissen.
Mauch und Poizeivorsteherin Karin Rykart (Grüne) präsentierten am Dienstag ein Massnahmenpaket, mit dem sexuell motivierte Übergriffe sichtbar gemacht werden sollen. Das Projekt «Zürich schaut hin – Gemeinsam gegen Sexismus, Homo- und Transfeindlichkeit» wurde im Rahmen des Gleichstellungsplans 2019–2022 lanciert.
Das generelle Wohlbefinden in der Stadt Zürich tagsüber sei relativ hoch, sagte Mauch zuerst. Die Studie belegt das: Drei von zehn Personen, die am Tag unterwegs sind, fühlen sich wohl, sechs sogar sehr wohl. Anders sieht es nach 22 Uhr aus: Dann fühlt sich nur noch gut die Hälfte wohl, jede fünfte Person gibt an, sich unbehaglich zu fühlen. Wenig erstaunlich ist folgender Befund: Wer wiederholt aufgrund seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung belästigt wurde, fühlt sich im öffentlichen Raum der Stadt Zürich auch weniger wohl.
Passives Verhalten häufig
Das am Dienstag präsentierte Online-Tool soll laut Mauch dazu beitragen, dass sich «alle Personen in der Stadt frei bewegen können». Auf der Website zuerichschauthin.ch lassen sich sowohl selbst erlebte wie auch beobachtete Übergriffe melden. Das Opfer erhält daraufhin Hinweise, wo es entweder Anzeige erstatten oder an welche Beratungsstellen es sich wenden kann. Das Projekt solle Daten liefern und das Thema sichtbar machen, sagte Mauch. «Es besteht ein Informationsbedarf.»
Zur Sensibilisierungskampagne gehören nebst Weiterbildungen für die Stadtpolizei oder die SIP Züri auch Workshops für Mitarbeitende von Nachtleben-Betrieben. Aber auch die Förderung von Zivilcourage und Selbstbehauptung sind Teil der Bemühungen. Mit Beiträgen und Plakaten soll die Thematik in den öffentlichen wie auch den virtuellen Raum gebracht werden. Mauch kann sich auch vorstellen, dass dies in Zusammenarbeit mit Influencern geschieht.
Die Studie versucht schliesslich Erklärungen für sexistisches Verhalten seitens der Täter zu finden. Und stellt die Frage, welche Rolle ein in der Gesellschaft verbreiteter Sexismus bei Übergriffen spielt. Für rund die Hälfte der Befragten stellt Sexismus in der Schweizer Gesellschaft ein grosses Problem dar, für die andere Hälfte nicht. Dementsprechend fallen die Beurteilungen der Belästigungen aus.
Fehler gefunden?Jetzt melden.