Frankfurter BuchmesseIn den Gängen könnte ein kleines Flugzeug landen
Vergangenes Jahr fiel die Frankfurter Buchmesse aus, diesmal findet sie wieder physisch statt. Mit nur einem Viertel der Aussteller und Besucher ist sie ein Schatten ihrer selbst.

Der Buchhandel habe mit der Pandemie «einen der grössten Stresstests der Geschichte souverän bestanden», meinte Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Branchenverbandes Börsenverein, zur Eröffnung. Im Corona-Lockdown sei eben nicht nur genetflixt, sondern auch viel gelesen worden, und wenn das Weihnachtsgeschäft gut läuft, werde das Schlimmste überstanden sein. Für die Frankfurter Buchmesse, die weltgrösste Veranstaltung der Branche, gilt das noch lange nicht.
Im vergangenen Jahr waren die Hallen des Messegeländes geschlossen, diesmal gelten strenge Regeln: komplizierte Akkreditierung, beschränkte Ticketzahl, grosse Abstände, Maskenzwang. Dazu kam die Zurückhaltung der Aussteller und Besucher. Die zugelassene Zahl von 25’000 Eintritten pro Tag wurde anfangs deutlich verfehlt, und drei Viertel der üblichen Aussteller blieben der Messe fern, aus Ländern wie den USA fast alle. Die Schweizer brachten noch einen Gemeinschaftsstand zustande, Bücher von Diogenes und Kampa aber fehlen dort.
So sind nur drei Hallen von acht besetzt, auch die nicht vollständig, und die Gänge zwischen den Ausstellungsständen sind so breit gehalten, dass ein kleines Flugzeug dort problemlos landen könnte.
Das Aufregerthema mal wieder: Rechte Verlage
Die Folge: eine teilweise gespenstische Atmosphäre. Kein Gedränge vor den Verlagskojen, keine Empfänge und Partys, nicht einmal der Entspannungs-Prosecco am Stand zur blauen Stunde. Viele vertraute Gesichter fehlen, andere erkennt man nur schwer unter der Maske.
Spannende Podiumsdiskussionen über fachliche oder politische Fragen: Fehlanzeige. Von den vielen Lesebühnen sind gerade zwei übrig geblieben. Das bedeutet: für viele Autoren kaum Auftrittsmöglichkeiten – und so kein Grund, nach Frankfurt zu reisen. In der Stadt klagten die Hoteliers (und senkten die Preise) wie die Taxifahrer.

Eine einzelne Absage brachte es dafür zum Messe-Aufregerthema. Den Namen Jasmina Kuhnke kannten bisher nur wenige in der Szene, jetzt kennen ihn alle. Die Autorin und Aktivistin «of colour», wie man heute sagen muss, sollte ihren Debütroman «Schwarzes Herz» (Rowohlt) auf der Messe vorstellen, sagte aber ab mit der Begründung, dort sei auch der rechte Verlag Jungeuropa vertreten und sie werde von Rechtsradikalen im Netz bedroht.
Die Absage, der sich «aus Solidarität» einige andere Autoren anschlossen, erhöhte indes nicht nur den Bekanntheitsgrad von Jasmina Kuhnke, sondern natürlich auch den von Jungeuropa, der in jedem Messebericht vorkommt (wie auch in diesem).
Wer sich auf einer Buchmesse nur mit Gleichgesinnten wohlfühlt, ist dort wohl auch fehl am Platz.
Die Frage der Präsenz rechter Verlage plagt die Frankfurter Buchmesse seit einigen Jahren; es kam in den Hallen schon zu lautstarken Demos, sogar zu Handgreiflichkeiten. Immer wieder werden Forderungen laut, derartiges Gedankengut auszuschliessen. Dabei ist die Sache juristisch, aber auch politisch eindeutig: Ein Ausschlussgrund könnten nur strafbare Inhalte sein. Und wer sich auf einer Buchmesse nur mit Gleichgesinnten wohlfühlt, ist dort wohl auch fehl am Platz.
Buchmessendirektor Juergen Boos bekräftigte in dieser Auseinandersetzung seine Haltung, auch Bücher, deren Inhalte man nicht möge, müsse man aushalten, die Messe sei schliesslich ein Ort des Austausches und der Debatte.

Das ist auch die Position von Tsitsi Dangarembga, der diesjährigen Friedenspreisträgerin aus Zimbabwe, wo einen missliebige Ansichten schnell ins Gefängnis bringen können. «Hier wird Meinungsfreiheit praktiziert», sagte sie bei einem Podiumsgespräch über eine Messe, auf der die Anne-Frank-Stiftung, aber eben auch Jungeuropa sich präsentieren darf.
Die eigentlichen Sorgen der Branche liegen wirklich woanders. Zum Beispiel beim Papiermangel, der das Weihnachtsgeschäft bedroht. Oder beim Wunsch der Bibliotheken, E-Books von Neuerscheinungen sofort und nicht nach einer Karenzzeit ihren Nutzern zur Verfügung zu stellen; Verlage und Autoren fürchten Einnahmeverluste und reagieren öffentlich mit der Aktion «Fairlesen».
Die Sorge der Buchmesse selbst: Wenn sie nicht schnell zu alter Grösse zurückkehrt, wird sie weiter an Attraktivität verlieren, für Aussteller wie für Besucher. Die Ausgabe 2022 dürfte dafür entscheidend sein.
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