Drakonische Strafen abgeschafftIm Sudan geschieht ein kleines Wunder
Gesetze der religiösen Hardliner wie öffentliche Auspeitschungen fallen. Frauen werden besser geschützt, die Genitalverstümmelung wird verboten.
Aus dem Sudan kommt eine ganze Serie von guten Nachrichten: Letzte Woche wurde die weibliche Genitalverstümmelung unter Strafe gestellt. Menschen, die diesen Eingriff bei Frauen vornehmen, können bis zu drei Jahre im Gefängnis landen. Laut den Vereinten Nationen sind noch immer knapp neun von zehn Mädchen von Genitalverstümmelung betroffen.
Diese Woche wurden nun drakonische Gesetze aus dem Strafgesetzbuch gekippt: öffentliche Auspeitschungen sind verboten, das Alkoholverbot für Nichtmuslime, das Apostasiegesetz, das den Abfall vom Glauben mit dem Tod bestraft, sowie die Todesstrafe für gleichgeschlechtlichen Sex wurden abgeschafft. Zwar kann Homosexuellen noch bis zu sieben Jahren Haft drohen, doch die LGBT-Organisation Bedayaa (arabisch für Anfang) spricht von einem «grossen Schritt in Richtung einer Reform des Justizsystems».
Rat aus Militärangehörigen und Zivilisten
Die jüngsten Entscheidungen sind die Früchte der Revolution, die im Dezember 2018 begann und im Sommer 2019 im Prozessauftakt gegen den gestürzten Langzeitpräsidenten Omar al-Bashir ihren Höhepunkt fand. Dem Militärregime des Ex-Präsidenten, der massgeblich von Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt wurde, diente die scheinbare Islamisierung des Sudans als Legitimation für seinen autokratischen Herrschaftsstil.
Seit 1989 herrschte der Diktator über das Land. Mittlerweile regiert ein elfköpfiger Rat aus Militärangehörigen und Zivilisten. In diesem sogenannten Souveränen Rat gibt es natürlich viele Spannungen . Erst im Jahr 2022 stehen demokratische Wahlen an.
Vor allem Frauen spielten eine tragende Rolle während der Massenproteste. Sie demonstrierten an vorderster Front – und wehrten sich gegen die jahrelange Unterdrückung durch die Militärregierung. Die neuen Gesetze ermöglichen sudanesischen Frauen, mit ihren Kindern zu verreisen ohne zuvor die Erlaubnis männlicher Verwandten einholen zu müssen.
«Niemand hat das Recht, eine Person oder Gruppe als ungläubig zu bezeichnen.»
Auch für die Christen im Land, die 3 Prozent der 40 Millionen Sudanesen ausmachen, hat sich die Lage seit dem Sturz von al-Bashir verbessert. Für die Legalisierung von Alkohol für Nichtmuslime nannte Justizminister Nasredeen Abdulbari allerdings die Bedingung, dass es «nicht den Frieden stört» und der Alkohol nicht in der Öffentlichkeit getrunken werde.
Als bedeutender Wandel gilt das angekündigte Ende der mächtigen Takfir-Praxis, die Menschen bislang zu Ungläubigen stempelte, wenn sie vermeintliche Regeln gebrochen hatten. Häufig wird diese Praxis von Fundamentalisten als Freibrief für alle möglichen Strafen gebraucht. Im Staatsfernsehen kündigte Abdulbari nun an: «Niemand hat das Recht, irgendeine Person oder Gruppe als ungläubig zu bezeichnen.» Dies bedrohe «die Sicherheit der Gesellschaft und führt zu Rachemorden».
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