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Meinung

Kolumne «Miniatur des Alltags»
Im Ernstfall zählt jedes Detail

Ob handgreifliche Auseinandersetzungen, Unfälle oder Einbrüche: Es lohnt sich, genau hinzuschauen.
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Als Gerichtsreporterin weiss ich: Aussagen von Augenzeugen sind in vielen Strafverfahren das wichtigste Beweismittel. Die Jahre in den Gerichtssälen haben mich aber auch gelehrt, dass eine Person, die Zeuge eines Ereignisses wird, noch lange keine brauchbaren Aussagen machen kann.

Sätze wie «Ich denke, das Auto war gross» oder «Der Mann war eher dunkel gekleidet» lassen mich jeweils etwas ratlos zurück. Und immer stellt sich mir die gleiche Frage: Wie können wir mit geöffneten Augen durch die Welt gehen und doch so blind sein?

Klar also, dass ich mir vorgenommen habe, immer besonders genau hinzuschauen.

Als ich neulich mit dem Fahrrad von der Stadt Zürich in den Zollikerberg hinaufpedalte, fielen mir die beiden Personen auf der Parkbank an der Kreuzung Forchstrasse/Bergstrasse deshalb schon von weitem auf. Obschon man den Wald im Rücken und das Plätschern eines kleinen Brunnens im Ohr hat, ist der Platz an der Hauptverkehrsachse alles andere als schön. Und so hatte ich hier denn auch noch nie jemanden rasten sehen.

Während ich in gemächlichem Tempo näher kam, erkannte ich, dass es sich bei den zwei Personen um eine Frau und einen Mann – beide wohl in einem ähnlichen Alter – handelte. Beide hatten eine angebrochene Zigarette in der Hand und ihre Körperhaltung deutete darauf hin, dass eine gewisse Spannung in der Luft lag.

Als ich auf gleicher Höhe angekommen war, wendete die Frau das Gesicht ab, während der Mann wie versteinert geradeaus schaute.

Ich aber schaute weiter hin. Ich merkte mir Haarfarbe, Kleidung und warf einen Kontrollblick auf die Uhr an meinem Handgelenk. Wenn die Frau später vermisst wird, zählt jedes Detail, sagte ich mir im Geiste, während ich nun wieder etwas zielstrebiger in die Pedale trat.

Keine zehn Minuten später war ich zu Hause. Hatte vorhin nun die Frau einen schwarzen Pulli getragen?