Im Club Med auf MauritiusEine woke Zürcher Familie fliegt gratis in die Luxusferien – darf sie das?
10 Tage Villa mit Pool und Butler. Sport, Kinder-Club, Essen, Trinken, Flug – alles inklusive. Das Angebot macht unserem Autor Gewissensbisse. Dann sagt er zu. Ein ziemlich ehrlicher Ferienbericht.
Die E-Mail ist kurz. «Familienreise mit Sand zwischen den Zehen: All-inclusive-Ferien auf Mauritius» steht da. Dann der Beschrieb der Villa im Luxusresort. Kosten für uns: keine. Absenderin: Die Kollegin vom Reiseressort. Ich trete in die Stube und vor die Familie. «Wie wärs, wenn wir im Frühling Luxusferien am Meer machen?»
Es ist kurz nach sechs Uhr abends in Adelboden, und ich freue mich auf das Ende der Skiferien, das Ende des grauen, kalten, ewigen Winters. Was für ein glorioser Ausblick: Sonne, Strand, Spass und Meer – in ein paar Wochen. «Jaaaa!», schreien die Kinder. «Spinnst du?», zischt meine Frau.
Man muss verstehen: Wir sind eine halbwegs woke Familie aus Zürich. Wir essen weniger Fleisch als auch schon, kaufen bio und regional ein, lesen gendergerechte Kinderbücher vor, vermitteln soziale Gerechtigkeit – und Klimaschutz.
Für einmal Reiche spielen
Wir wissen, der wirkungsvollste Weg, als Einzelperson das Klima zu schützen, ist, nicht zu fliegen. Der Effekt aller anderen Massnahmen verpufft dagegen. Fliegen ist das grosse No-go für Leute wie uns. (Mehr dazu: CO₂-Kompensationen im Tourismus – Die schwierige Reise in klimaneutrale Ferien)
Und jetzt diese Versuchung. 10 Tage Mauritius im Club Med, Luxusvilla mit Meerblick, Pool und Butler. Essen, Trinken und Sport inklusive. Kinderbetreuung und täglicher Champagner-Apéro inklusive. Flug inklusive. Die Bilder auf der Webseite sehen aus wie Ferienfotos von Leuten, die zehnmal mehr verdienen als wir. Und das sollte man auch, wenn man hier Ferien machen will. So ein Tag kostet gut 3000 Franken.
Ich sehe mich schon an der Sonne liegen, das Rauschen des Indischen Ozeans im Ohr. Ich sehe vergnügte Kinder im sanften Licht des tropischen Herbstes. Freunde sehen eher die Widersprüche: «Ihr fliegt nach Mauritius? Für zehn Tage?» Ich finde, wir bekommen einen Einblick in die Welt, die wir sonst nie betreten könnten.
Meine Frau will nicht fliegen (das Klima), sie will keine Afrika-Ferien mit Butler buchen (der Kolonialismus), sie will nicht in ein Resort (der Massentourismus). Aber bei uns herrscht Demokratie, und drei zu eins ist ein klares Votum. Wir fliegen dahin. (Kommentar zu Klimaaktivismus: Die Umwelt schützen – und nach Thailand fliegen)
Als wir die Tür zur Villa öffnen, verschwinden alle Gewissensbisse erst mal. Es ist wunderschön hier. Plantation d’Albion ist ein Resort im Westen von Mauritius und liegt direkt am Meer. Die Gebäude und Sportplätze verteilen sich über einen gepflegten Tropengarten. Spazierwege führen über Sandstrände und an Felsen vorbei.
Hier gibt es zwei Pools, zwei Bars und zwei Restaurants: der Speisesaal mit Buffets und das gehobene À-la-carte-Restaurant Au Phare mit Meer-Terrasse. Mittelpunkt der Anlage ist das grosse Schwimmbecken mit Pool-Bar und Showbühne. Gäste finden Platz in 266 Zimmern, vom Hotelzimmer bis zur Villa der Exclusive Collection, wie wir eine belegen.
Auf unserer Veranda werden wir mit einem Fruchtcocktail empfangen. Die Kinder springen in den stilvoll geplättelten Pool. Er bietet Blick über einen Garten voller Palmen, Agaven und Sträucher, dessen Ende der Indische Ozean säumt. Es ist ruhig hier, keine anderen Feriengäste sind zu hören, nur die Vögel und der Wind in den Palmen. Wir fühlen uns wie in einem kleinen Paradies.
Dann kommt Rakesh, unser Butler. Es ein verkrampftes Kennenlernen. Ich will mich erklären, entschuldigen: Wir gehören nicht hierhin, wir sind keine «solchen» Leute – aber mein schlechtes Gewissen hilft niemandem, am wenigsten Rakesh. Ja, wir nennen ihn beim Vornamen, er nennt uns Sir und Madam. Rakesh sorgt sich ab der ersten Minute um uns, gleichzeitig zuvorkommend und zurückhaltend. Wir werden die ganzen Ferien keinen Finger im Haushalt rühren.
«Gedenken Sie heute segeln zu gehen, Sir?»
Er kommt am Morgen und bereitet das Frühstück zu, das wir auf der Veranda geniessen, ein Vorzug der Villa- gegenüber den Hotelgästen, die im Speisesaal frühstücken. Danach kümmert er sich um den Haushalt, hilft uns, die Kurse des Tages zu buchen – «Gedenken Sie heute segeln zu gehen, Sir?» – und grössere Ausflüge zu planen (Delfin-Expedition oder Inseltour?).
Am Nachmittag kehrt er zurück und bereitet einen Apéro zu mit Häppchen, mit Spassgetränken für die Kleinen und Champagner für die Grossen. Und wenn wir bereit sind fürs Nachtessen, bestellt Rakesh uns einen Buggy.
Man bewegt sich als Luxusgast nicht zu Fuss durchs weitläufige Resort. Chauffeure fahren einen zum Bogenschiessplatz, zur Wellnessanlage oder zur Bar. Die Kinder lieben die Fahrten. Tagsüber sind sie gemütlich, abends sind sie rasant.
Bereits im Vorfeld hat sich der umsichtige Villa-Manager Xavier darum gekümmert, dass wir beliebte Dienstleistungen rechtzeitig buchen. Nun schreiten meine Frau und ich in die Wellness-Hütte für eine Massage. Zum Rauschen der Wellen lassen wir uns durchkneten. Das tut gut, der Flug dauert 11 Stunden, mit schlafenden Kindern auf dem Schoss kommt man zerknittert an.
Nach der Massage legen wir uns an den Zen-Pool gleich nebenan. Hier gilt: Zutritt nur für Erwachsene. Der Infinity-Pool liegt direkt am Meer, eine Bar und das Restaurant sorgen fürs Wohlergehen. Es ist schon einigermassen schwierig, sich hier nicht zu entspannen.
Keine Lust auf Kinder-Club
Weniger entspannt sind Tochter (7) und Sohn (10) in der Kinderbetreuung. Zwar werden die Kids in altersgerechte Gruppen eingeteilt, und das Programm hat es in sich: Bogenschiessen, Trapez, Fussball, Basteln, Pool, Kajakfahren. Die Kinder freuen sich darauf, und wir geben sie mit gutem Gewissen ab, die betreuenden Männer und Frauen sind sehr freundlich und motiviert.
Deutschschweizer Gäste müssen aber wissen: Die Animateurinnen und Animateure sprechen kein Deutsch. Da es gerade auch keine Deutsch sprechenden Kinder im Resort hat, verlieren unsere beiden bald die Lust am Kids Club. Doch wir geniessen die Tage auch zu viert. Dank Butler und Sportangebot kommen alle auf ihre Kosten.
An der Réception, auf dem Golfplatz, im Boot unterwegs zum Schnorcheln: Die Angestellten geben hier alles für ihre Gäste.
Das liegt auch an den Mitarbeitenden, die kompetent und zuvorkommend auftreten. Am Empfang, auf dem Golfplatz, im Ausflugsboot: Die Angestellten geben alles für ihre Gäste, und zwar fast rund um die Uhr. In der Früh bereiten sie die Kurse vor, die vom Morgen bis zum Nachmittag stattfinden, und vor dem Nachtessen, das sie mit den Gästen einnehmen, wird geprobt für die abendlichen Musical-Shows.
Da fragen wir uns schon (jetzt kommen die bohrenden Fragen zurück): Ist das nicht sehr viel Arbeit und sehr wenig Freizeit? Claudia ist Amerikanerin, 24 Jahre alt. Sie kümmert sich tagsüber um die Kinder, übt mit Erwachsenen am Trapez, abends singt und tanzt sie auf der Bühne.
«Im Club Med zu arbeiten, ist kein Job, es ist ein Lifestyle», sagt Claudia. Man nimmt ihr die Hingabe ab. Bald endet ihre Saison auf Mauritius, dann geht sie zurück nach Hause, wo sie als Schauspielerin Fuss fassen will – oder aber sie hängt eine Saison an, irgendwo auf der Welt.
Mitarbeitende in tieferen Positionen haben nicht die Möglichkeit, nach der Saison nach Hause zu fliegen. Sie leben auf Mauritius, einer Insel, die zwar politisch als stabil gilt, aber stark vom Tourismus lebt: einer Branche, die mit ihren langen Arbeitszeiten und tiefen Löhnen nicht gerade familienkompatibel ist. Manche Mitarbeitende im Resort lassen denn auch durchscheinen, dass der Spagat zwischen vollem Arbeitseinsatz und Familie nicht einfach ist.
Tennis schweisst uns zusammen
Für jüngere Angestellte bietet Club Med die Chance, herumzukommen. Elhadj (28) kommt aus einem Dorf in Senegal und arbeitet als Tennislehrer. Mein Sohn und ich buchen eine Lektion. Wir kommen hier richtig ins Schwitzen, feilen an unserer Technik und jagen den Bällen nach. Ein grosser Spass, der uns zusammenschweisst.
Dasselbe geschieht beim Bogenschiessen. Anfänglich kämpfen die Kinder mit Pfeil, Bogen und Konzentration. Doch als die ersten Geschosse in der Zielscheibe stecken, steigt die Laune, und am Ende spazieren wir vergnügt zum Speisesaal.
Wer so viel Sport treibt, kriegt nämlich Hunger. Mittags und abends bedient man sich an sechs Buffets mit lokalem und internationalem Essen. Mauritisches Essen ist ein Mix aus indischen und kreolischen Einflüssen: Dhals, Currys, Teigfladen. Wer Bekanntes vorzieht, findet Pizza, Steaks, französische oder asiatische Speisen. Attraktiv wirkt das Vorspeisen-Buffet, wo Gerichte à la minute angerichtet werden.
Besonders gut am Buffet: Um Nachschub zu holen, dürfen zappelige Kinder immer wieder vom Tisch, ohne dass die Eltern schimpfen. Und sie finden jeden Tag etwas, was sie mögen.
Abstriche bei der fleischlosen Küche
Schwieriger ist es für Vegetarier und Veganerinnen. Das Angebot ist fleisch- und fischlastig, das Salatbuffet wirkt im Vergleich lieblos. Auch scheint der Trend zu lokalem und saisonalem Essen unwichtig. Warum?
«Wir haben unser vegetarisches Angebot ausgebaut», entgegnet Villa-Manager Xavier. Doch die Kundschaft erwarte ein reichhaltiges Angebot an Fleisch und Fisch. Landen da nicht viele Produkte mit hoher CO₂-Bilanz im Abfall? «Wir messen unseren Food-Waste täglich», beteuert Xavier, «so können wir die Mengen möglichst genau berechnen.»
Immerhin, der regionale Aspekt ist mit dem Insel-Buffet gegeben. Auch bezieht Club Med Früchte und Gemüse bei lokalen Produzenten. Als nachhaltiges Vorzeigeprojekt erwähnt Xavier das Wasser-Recycling im Resort. Ein Grossteil wird gefiltert und für die Bewässerung des Gartens verwendet.
Einmalige Klimasünde
Womit wir zurück bei der Frage sind: Ist es nicht inkonsequent, als linke, nette Familie so Ferien zu machen? Unsere Antwort: doch. Die Fliegerei war eine Klimasünde – und eine Ausnahme, in die nächsten Ferien gehts wieder per Zug oder Auto.
Was bleibt, sind schöne Erinnerungen: der Segelausflug mit dem Sohn, bei dem der Lehrer nach einer Stunde sagt: «So, Junge, jetzt bist du der Captain», und der 10-Jährige segelt den Katamaran zurück an den Strand. Die Tochter, die sich dank dem Schnorchel von der unsicheren Anfängerin in einen Fisch verwandelt: Stundenlang schwimmt sie vergnügt im Pool. Die Frau, die sich aufs meterhohe Trapez wagt und sich tollkühn durch die Luft schwingt.
10 Tage friedliche Familienferien voller Abenteuer in einem kleinen Paradies lassen die Gewissensbisse fast verblassen. Das war einmalig – versprochen.
Diese Reise wurde von Club Med unterstützt.
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