Furchtloser Kloten-Stürmer«Ich hatte noch nie Angst vor grösseren, stärkeren Männern»
Er räumte mitten in der Nacht Schnee, streute Salz und liess sich die Ronaldo-Frisur schneiden. Nun will der nur 1,68 Meter grosse Mischa Ramel mit Kloten den SCB ärgern.
Verteidiger Nicholas Steiner verwirft die Hände. «Nein», bricht es aus ihm heraus. «Der war so gut geschossen, den hättest du nun wirklich nicht halten müssen», ruft er dem Torhüter Sandro Zurkirchen im Training scherzend zu. Dann kommt Assistenztrainer Kimmo Rintanen und verwertet wie einst als Spieler eiskalt. Ein Raunen ist zu hören. Da und dort wird gejubelt. Die gute Stimmung erstaunt nicht, steht doch der Aufsteiger Kloten nach einer herausragenden Saison im Pre-Playoff gegen den SCB. «Wir sind heiss, wollen unbedingt gewinnen», sagt Mischa Ramel vor dem Auftakt am Dienstag in Bern.
Erst Anfang Februar kam der 19-Jährige gegen denselben Gegner zu seinem Debüt in der höchsten Liga. Eigentlich hätte der Stürmer die Saison in der Swiss League bei Winterthur beenden und dann zu Klotens U-20-Junioren zurückkehren sollen. Ramel sass bereits im Zug, dachte an den bevorstehenden Einsatz gegen die GCK Lions, als ihn Trainer Jeff Tomlinson anrief und nach Kloten beorderte. Ramel verblüffte auf Anhieb, kam beim 3:2-Sieg als 13. Stürmer zu sieben Minuten Eiszeit. «Nach dem Spiel fragte ich, ob ich meine Ausrüstung in der U-20-Garderobe aufhängen soll. Doch Jeff meinte, ich dürfe bleiben.»
«Es hiess auch schon: ‹Du mit deiner Grösse, dich haue ich ja sowieso um.› Als ich dann entgegnete, er solle es doch versuchen, kam nichts mehr.»
Trotz seiner Körpergrösse von nur 168 Zentimetern und einem Gewicht von 72 Kilogramm agiert der Stürmer furchtlos. Er ist giftig in den Zweikämpfen und scheute sich unlängst auch nicht vor dem um 18 Zentimeter grösseren und 20 Kilogramm schwereren Langnauer Sebastian Schilt. «Ich kann nicht wie Marc Marchon in die Zweikämpfe gehen», sagt Ramel. «Trotzdem gehe ich den Gegner an, will ihn am Spielzug hindern und Scheiben gewinnen. Angst vor grösseren, stärkeren Männern hatte ich noch nie.»
Der Teenager musste sich auch schon Sprüche anhören. «Lasse ich im Kampf um den Puck nicht locker, hiess es auch schon: ‹Du mit deiner Grösse, dich haue ich ja sowieso um.› Als ich dann entgegnete, er solle es doch versuchen, kam nichts mehr.» Für Ramel gilt: «Einstecken, weiterspielen.» Immer wieder wurde ihm gesagt, dass es ihm aufgrund seiner Grösse nicht reiche. «Das war Ansporn genug. Ich wollte das Gegenteil beweisen.» Der Stürmer, der in Kloten unlängst seinen ersten Profivertrag bis 2025 unterzeichnet hat, sagt sogar: «Ich bin froh, klein zu sein. Meine Stärke ist die Schnelligkeit. Wenn der Gegner zu meinen glaubt, er könne sich durchsetzen, mache ich noch eine schnelle Bewegung, und schon bin ich durch. Das macht Spass.»
In den ersten acht Partien gelangen dem U-20-WM-Teilnehmer drei Punkte. Bereits im dritten Einsatz erzielte er gegen Meister Zug das erste Tor und überzeugt auch im Powerplay. «Ich schätze es, habe ich eine Chance erhalten. Doch ich kämpfe noch immer um einen Platz, muss mich weiter verbessern. Zurücklehnen und auf dem Eis chillen geht nicht», sagt der Mann, der in Winterthur an der Seite des Kanadiers Matt Wilkins zum Leistungsträger reifte und sich trotz 37 Niederlagen in 45 Partien nie verunsichern liess.
Mitten in der Nacht zur Arbeit
Aufgewachsen ist Ramel in Niedergösgen SO. Durch seinen drei Jahre älteren Bruder Dominik, der zuletzt bei den Argovia Stars in der 1. Liga spielte, fand er zum Eishockey. Und landete via Olten und Basel in Kloten. Der damalige Novizen-Coach Thomas Derungs war nach einer 6:7-Niederlage und fünf Ramel-Toren derart angetan vom Stürmer, dass er gleich Ramels Mutter kontaktierte und ihren Sohn ins Probetraining einlud.
Der Schritt nach Nordamerika reizte den heute 19-Jährigen trotz Angeboten nie. Lieber absolvierte er im Werkhof einer Gemeinde noch eine Lehre als Fachmann Betriebsunterhalt. Er hat die Ausbildung im vergangenen Sommer abgeschlossen, auch wenn der Fokus mehrheitlich dem Eishockey galt, was wiederum zu Gesprächen zwischen den Clubverantwortlichen und dem Lehrmeister führte. Dennoch mochte Ramel die Arbeit. «Ich durfte Hecken schneiden, den Rasen mähen, Randsteine setzen, sie reparieren und im Winter den Schnee räumen oder glatte Strassen salzen.» Es kam sogar vor, dass der Stürmer mitten in der Nacht aus dem Bett und zur Arbeit musste. «Es war hart, aber abwechslungsreich.»
In der letzten Saison, als Kloten noch in der Swiss League spielte, kam Ramel zu ersten Einsätzen im Fanionteam, sass aber beim Aufstieg auf der Tribüne. Die anschliessenden Feierlichkeiten liess sich der Stürmer jedoch nicht nehmen. Er zog mit Marc Marchon um die Häuser und landete schliesslich beim Coiffeur, wo er sich gemeinsam mit Marchons Bruder Joel die legendäre Dreieckfrisur, die Brasiliens Ronaldo an der WM 2002 trug, schneiden liess, was Ramel hinterher bereute.
Nun will der Solothurner, dessen Trikot noch ohne Namen versehen ist, auch auf dem Eis für Aufsehen sorgen. Im Duell gegen Bern.
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