Hochtalentierter Läufer und FlüchtlingDer Entscheid ist da – Dominic Lobalu darf für die Schweiz starten
Der Weltverband hat seinen Beschluss aber an Bedingungen geknüpft – der vor dem Krieg im Südsudan geflüchtete Läufer ist erst 2026 startberechtigt. Swiss Athletics kämpft weiter.
Die Situation hat für Dominic Lobalu in der vergangenen Woche noch nicht allzu rosig ausgesehen. Seit fast fünf Monaten lag das Gesuch von Swiss Athletics für seine Startberechtigung an internationalen Titelkämpfen bei World Athletics – ohne Echo. Und an einer Medienkonferenz im Rahmen von Weltklasse Zürich am letzten Donnerstag sagte Weltverbandspräsident Sebastian Coe, er habe keine Antwort auf die Frage nach dem Stand des «Falls Lobalu» – «weil dafür das unabhängige Nationality Review Panel zuständig ist. Und ich werde jeden Entscheid, den dieses Panel fällt, unterstützen.»
Nun ist es jedoch schnell gegangen. Gemäss Recherchen dieser Redaktion hat der Schweizer Leichtathletikverband, der am 6. April 2023 das Gesuch um eine Startberechtigung für den aus dem Südsudan geflüchteten Läufer bei World Athletics eingereicht hatte, am Freitagnachmittag Bescheid erhalten: Das Nationality Review Panel entschied, dass Lobalu ab dem 6. April 2026 für die Schweiz an internationalen Meisterschaften antreten darf – also drei Jahre nach Einreichung des Gesuchs.
Nicht auf den Schweizer Pass angewiesen
Der 25-jährige Lobalu, der für die eben zu Ende gegangene WM in Budapest sowohl für die 5000 m als auch die 10’000 m qualifiziert gewesen wäre, ist für seine Starts demzufolge nicht auf den Schweizer Pass angewiesen. Diesen kann er frühestens 2031 beantragen und im besten Fall 2034 bekommen. Dann, wenn sich seine Laufkarriere voraussichtlich dem Ende zuneigt.
Das Panel knüpfte die Vergabe der Startberechtigung an Bedingungen: Es verlangt, dass der Athlet, der seit 2019 in der Ostschweiz lebt, seine Beziehung zur Schweiz weiter vertieft. Das dürfte gar nicht so schwierig sein, weil er schon sehr gut verankert ist und kaum eine Beziehung anderswohin hat. Lobalu lebt in Abtwil SG, startet für den LC Brühl, hat mit Markus Hagmann einen Schweizer Trainer und eine ebensolche Trainingsgruppe. Zudem arbeitet er in einem Sportgeschäft, war noch nie auf Sozialhilfe angewiesen und profitiert von mehreren Schweizer Sponsoren. Dass seine Bindung zur Schweiz jedoch stärker wird, je länger er hier lebt, scheint gegeben.
Lobalu sagt: «Ich bin froh, dass mir World Athletics die Möglichkeit in Aussicht stellt, die Schweiz ab 2026 an internationalen Grossanlässen zu vertreten. Und ich bin Swiss Athletics dankbar für die bedingungslose Unterstützung.» Es sei aber noch ein langer Weg, er möchte lieber schon heute als erst übermorgen für das Land und die Menschen laufen, die ihm als Flüchtling erstmals in seinem Leben ein Gefühl von Heimat gegeben hätten. «Als Athlet träumt man von WM- und Olympiamedaillen. Diesen Traum werde ich weiterverfolgen.»
Swiss Athletics hat die News grundsätzlich mit Genugtuung zur Kenntnis genommen. Präsident Christoph Seiler sagt, man sei froh, dass das Panel einen Entscheid getroffen habe, der die aussergewöhnliche Geschichte von Lobalu berücksichtige. «Wir haben aber auch zur Kenntnis genommen, dass die Startberechtigung mit einer langen Wartefrist und Bedingungen verknüpft ist.» Deshalb gebe man sich noch nicht zufrieden. «Wir werden das weitere Vorgehen prüfen, wir sind der Ansicht, dass Dominic Lobalu per sofort an internationalen Titelkämpfen startberechtigt sein sollte. Alles andere widerspricht den Werten des Sports.» Swiss Athletics prüft die Auflagen nun und befindet über das weitere Vorgehen – was bis zu einem Rekurs führen könnte.
Wartefrist nicht bei allen drei Jahre
Das Panel hat bei Lobalu die in den Regeln von World Athletics festgehaltene Wartezeit von drei Jahren angewandt – was es nicht in jedem Fall tut. Anfang August hat die einstige weissrussische Sprinterin Kristina Timanowskaja die sofortige Starterlaubnis für Polen erhalten, obwohl der polnische Verband sein Gesuch erst am 12. Juni 2023 eingereicht hatte. Und im gleichen Report, in dem Lobalus Startberechtigung bekannt gegeben wurde, erscheint der Kubaner Lester Lescay Gay, der am 17. April 2023 um einen Nationenwechsel nach Spanien ersuchte, diese erhielt und mit Auflagen ab 25. Januar 2025 startberechtigt sein soll. Nach eindreiviertel Jahren also. Im Gegensatz zu Lobalu sind Timanowskaja und Lescay Gay bereits einmal für eine Nation gestartet – Lobalu noch nie.
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