Test Auto-AboHeute Mareen, morgen vielleicht Jeff
Das Auto-Abo empfiehlt sich als flexible Rundum-sorglos-Alternative zu Leasing oder Kauf. Ein Langzeittest mit einem Schweizer Anbieter soll klären, ob die gehypte Nutzungsform hält, was sie verspricht.

Mareen? Kurioser Name. Gemäss Wikipedia ist er abgeleitet vom dänischen Marene oder Maren und geht auf das lateinische «marinus» zurück, was so viel wie «aus dem Meer stammend» bedeutet. Das trifft auf jene Mareen, die da so still vor sich hinlümmelt, seit sie ein junger Mann auf dem Parkplatz abgeliefert und sich nach einigen praktischen Erklärungen mit den Worten «Viel Spass» verabschiedet hat, nicht zu. Sie stammt aus dem meerfernen Mlada Boreslav in Tschechien, wo sie ganz anders getauft wurde: Skoda Enyaq iV 60.
Doch bei Clyde erhält nun mal jedes der jeweils über hundert online angebotenen, neuen oder zumindest neuwertigen Autos einen eigenen Spitznamen – schon seit der Firmengründung 2019. Gut möglich, dass dem Auto-Abo-Anbieter allmählich die konventionellen Namen ausgehen. Aber seis drum, das mit Mareen ist ja nicht für immer. Morgen folgt vielleicht Jeff (Tesla Model 3), übermorgen Andreea (Cupra Formentor), oder wie wärs mit einem heissen Frühling mit Ewald (Audi A5 Cabrio)? Würden sich dahinter Menschen verbergen, klänge das frivol. In Bezug auf Autos soll der beliebige Partnerwechsel aber bald zum Standard gehören.
Abo-Markt wird immer grösser
Services nach Bedarf zu nutzen, statt sich mit einem Kauf festzulegen, liegt generell im Trend. Für das Netflix-Modell beim Auto spricht neben einer flexiblen Nutzung mit geringen Mindestvertragslaufzeiten von wenigen Monaten vor allem die monatliche Fixgebühr. Versicherung, Service, Reparatur, Reifen, Steuern und Vignette sind in der Regel inbegriffen, was eine gute Kostenkontrolle erlaubt und je nach Abo-Konfiguration sogar preisliche Vorteile gegenüber einem klassischen Leasing bringt. Gemäss Vergleichsdienstleister Comparis lassen sich die Abo-Tarife selbst im Vergleich mit einem Kauf sehen: Bei acht von achtzehn analysierten Angeboten betrug der Aufpreis unter 100 Franken pro Monat, bei vier sogar unter 50 Franken. Das Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen rechnet daher damit, dass sich das Modell schon bald als dominierende Form der PW-Nutzung durchsetzen wird. Bis 2030 soll der Abo-Anteil in Europa um die 40 Prozent betragen, während die übrigen 60 Prozent zu gleichen Teilen auf Barkauf, Finanzierung und Leasing entfallen.
Um die tatsächliche Grösse des Schweizer Abo-Auto-Markts wird derzeit ein Geheimnis gemacht, seine zunehmende Unübersichtlichkeit spricht aber für einen Boom. War das Modell vor wenigen Jahren noch nahezu unbekannt, tummeln sich unter den Anbietern heute Start-ups, Automarken, Importeure, Versicherungsgesellschaften, Mietwagenfirmen, Garagisten, ja sogar eine Grossbank. Als Marktführer gilt die 2018 gegründete, unabhängige Firma Carvolution; die Wahl für diesen über ein halbes Jahr geplanten Test fiel aber auf das aus dem Amag Innovation & Venture Lab in Zürich hervorgegangene Start-up Clyde – laut Geschäftsführer Timo Nührich derzeit «der schnellstwachsende Anbieter mit Abo-Zahlen im vierstelligen Bereich».
Der Nachteil: eine begrenzte Auswahl an Marken, vornehmlich aus der VW-Gruppe. Die Vorteile: keine Anfangspauschale oder Kaution, nur zehn statt dreissig Tage Kündigungsfrist, kostenlose Lieferung und Abholung, diverse Kilometerpakete. Vor allem aber beträgt die Mindestlaufzeit nur einen Monat statt der üblichen drei oder eher sechs. Der perfekte Zeitraum, also, um jene Fragen zu beantworten, die sich im verunsichernden Zeitalter des Mobilitätsumbruchs viele stellen: Passt ein E-Auto in meinen Alltag? Wenn ja, bin ich mit diesem Modell zufrieden oder möchte ich erst andere ausprobieren, ehe ich mich für eine längere Laufzeit entscheide – oder gar finde, ohne mich, Leute, ich kaufe mir jetzt einen Sportwagen mit V12-Motor?
Je kürzer die Laufzeit, desto teurer
So gesehen tritt Mareen hier nicht nur in der Rolle der Lebensabschnittspartnerin auf. Als vollelektrischer SUV mit 58,0-kWh-Batterie und theoretisch bis zu 406 Kilometern Reichweite soll sie auch als Assistentin eines Feldversuchs dienen. Ihr Monatslohn: 1419 Franken. Happig. Allerdings gäbe es bei Clyde auch günstigere Angebote (etwa einen konventionell motorisierten VW Polo für 809 Franken). Und nicht zu vergessen: Die einmonatige Laufzeit fällt gut 70 Prozent teurer aus als ein Jahresvertrag – im besten Fall nimmt Mareen also nur 769 Franken pro Monat, alles inklusive mit Ausnahme der Stromkosten.
Noch lümmelt sie auf dem Parkplatz, beantwortet keine Fragen. Für erste Feststellungen zum Abo reicht es aber: Gerade mal vier Minuten dauerte der Bestellvorgang über die Website – einschliesslich der Eingabe der Kreditkartendaten und der Überlegung, ob es nicht doch die anthrazitfarbige Martha sein soll. Knapp zwei Stunden später wurde der Wunschtermin für die Übergabe angefragt und kurzerhand bestätigt. Vier Arbeitstage danach kam per Mail der Fahrzeugausweis für eine allfällige Bestellung der Blaue-Zone-Parkkarte. Und zehn Tagen nach der Buchung wurde Mareen wie eingangs geschildert abgeliefert, gratis. Ob das Auto-Abo mehr Komfort als ein Leasing oder Kauf bietet? Geschenkt.

Fehler gefunden?Jetzt melden.