Folgen der Corona-Krise Hamsterkäufe bei Medikamenten für 400 Millionen Dollar
Weil chronisch Kranke sich Pillenvorräte anlegen, verzeichnet Novartis einen Umsatzsprung. Bis zum Sommer sollten Studien zeigen, welche Wirkstoffe gegen Covid-19 helfen.
Die Pandemie führt dazu, dass chronisch kranke Patienten Geld in Medikamenten anlegen: Deswegen stiegen die Verkäufe allein bei Novartis um 400 Millionen Dollar im ersten Quartal an. Konzernchef Vas Narasimhan spricht dabei nicht von Hamsterkäufen, sondern von «Vorauskäufen». Grund hierfür seien vor allem Rezepte, die Ärzte ihren Patienten gleich für mehrere Monate ausstellen, damit sie nicht mehr so häufig in die Praxen oder Spitäler kommen müssen. Dies werde im Rest des Jahres dann die Verkäufe jedoch schmälern.
In den ersten drei Monaten stiegen die Verkaufserlöse währungsbereinigt um 13 Prozent auf 12,28 Milliarden Dollar. Lässt man die auf die Coronavirus-Pandemie zurückzuführenden Vorratskäufe weg, schätzt Novartis das Umsatzplus auf rund neun Prozent. Unter dem Strich stand mit 2,17 Milliarden Dollar ein um 24 Prozent erhöhter Gewinn. Bei den Krebstherapien verzeichnet Novartis – und vor allem auch die Patienten – negative Effekte wegen der Pandemie. «Es gibt einen Rückgang bei der Behandlung mit Gentherapien», sagt Narasimhan. Die Infusion Kymriah bei Leukämie und Lymphdrüsenkrebs zum Beispiel wird meist in Spitälern verabreicht, die haben jedoch wegen der Pandemie nur eingeschränkten Normalbetrieb, und Kranke meiden sie auch teilweise aus Angst vor einer Ansteckung von sich aus.
Narasimhan geht jedoch davon aus, dass das Gesundheitswesen rasch wieder in den regulären Modus zurückkehrt und die Therapien so wieder im normalen Rhythmus durchgeführt werden können. Kommt jedoch eine zweite Pandemiewelle, könnte das auch Novartis weiter infizieren. Narasimhan stellt seinen Wachstumsausblick fürs Gesamtjahr unter den Vorbehalt, dass das Gesundheitssystem rasch wieder zu Vor-Corona-Zeiten zurückkehren kann, er merkt aber an: «Wir würden mit weiteren Wellen jedoch sicher besser umgehen können.» Denn Staat, Gesellschaft und Spitäler dürften dann schneller reagieren.
Auf der Suche nach Medikamenten gegen Covid-19 erwartet Narasimhan in wenigen Wochen seriöse Testergebnisse: «Ich denke, bis zum Sommer haben wir die Daten dieser klinischen Studien.» Unter anderem im Basler Unispital wird etwa das jahrzehntealte Malariamittel Hydroxychloroquine auf seine Wirkung bei Covid-19 getestet. «Die bisher publizierten Daten zeigen, dass es spät gegeben leider nicht wirkt. Dies heisst aber nicht, dass es nicht früh gegeben wirken könnte», sagt Chefarzt und Infektiologe Manuel Battegay dieser Zeitung. Auch dann sei jedoch ein Effekt präventiv oder als Frühtherapie in Studien zu belegen. Novartis hatte Anfang April bis zu 130 Millionen Dosen des Medikaments als Spende weltweit versprochen und an die USA, die Schweiz und andere Staaten sogar schon ausgeliefert. Diese Propagandamassnahme könnte sich als voreilig herausstellen.
Der Novartis-Chef stellte den Kampf gegen das Coronavirus in den Vordergrund der Präsentation der Quartalszahlen. Zwar hat der Konzern keine Impfstoffsparte mehr, doch ist er, anders als Roche, auch bei der Forschung zu übertragbaren Krankheiten relativ stark dabei. Wenngleich Novartis das lukrative Geschäft mit Krebstherapien in den letzten Jahren stark vorantrieb, hat sich der Konzern bei der Forschung zu vernachlässigten Krankheiten in Entwicklungsstaaten nicht zurückgezogen. Zu Malaria oder Denguefieber werde weiter geforscht. «Wir haben hier die richtige Balance», sagt Narasimhan. Die Corona-Pandemie zeigt nun, dass auch in Industriestaaten infektiöse Krankheiten wieder zu einem Thema und zu einem Geschäftsfeld werden.
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