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Ex-Filmmogul Harvey Weinstein muss 23 Jahre ins Gefängnis

23 Jahre Haft: Harvey Weinstein wurde wegen Sexualverbrechen schuldig gesprochen. Bild: Keystone/Justin Lane
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Der frühere Hollywood-Produzent Harvey Weinstein (67) ist wegen Sexualverbrechen zu 23 Jahren Haft verurteilt worden. Richter James Burke verkündete das Strafmass am Mittwoch in New York.

Vor rund zwei Wochen hatte eine Jury den 67-jährigen Weinstein wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung schuldig gesprochen. Die Höchststrafe wären 29 Jahre Haft gewesen. Weinstein war zu der Verkündung in einem Rollstuhl vor Gericht erschienen.

In zwei Anklagepunkten freigesprochen

Die Staatsanwaltschaft hatte im Vorfeld noch einmal ausdrücklich eine harte Strafe gefordert. Weinstein habe jahrzehntelang Frauen missbraucht und zeige bislang keine Reue. Die Verteidigung hat bereits angekündigt, in Revision gehen zu wollen. Eine Jury hatte Weinstein Ende Februar wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung für schuldig befunden. Nicht schuldig sei er aber in den beiden schwersten Anklagepunkten des «raubtierhaften sexuellen Angriffs» sowie eines noch schwereren Vorwurfs bezüglich Vergewaltigung.

In dem aufsehenerregenden Prozess ging es vor allem um zwei Vorwürfe: Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oralsex gezwungen und die heutige Friseurin Jessica Mann 2013 vergewaltigt haben.

Nach dem Schuldspruch war Weinstein zunächst in ein Spital gekommen und dann in das Gefängnis Rikers Island in der Millionenmetropole New York. Nun soll er in einem Gefängnis im Bundesstaat New York untergebracht werden.

Nach Urteilsverkündung ins Spital

Weinstein wurde nach der Verkündung vor zwei Wochen in Handschellen abgeführt. Er musste bis zur Verkündung des Strafmasses durch Richter James Burke am 11. März im Gefängnis bleiben. Anders als zunächst geplant wurde er aber vorerst nicht in das berüchtigte Gefängnis Rikers Island auf einer Insel vor New York gebracht, sondern zunächst in ein Krankenhaus.

Er habe über Schmerzen in der Brust geklagt und habe wegen hohen Blutdrucks untersucht werden müssen, berichteten US-Medien unter Berufung auf Weinsteins Team. Nach den Untersuchungen sollte er aber nach Rikers Island gebracht werden.

Meilenstein der #MeToo-Ära

Weinsteins Anwälte kündigten nach dem Schuldspruch vor zwei Wochen an, in Berufung gehen zu wollen. Dabei könnten sie beispielsweise die Rolle der Jury oder des Richters ins Visier nehmen und das Verfahren als voreingenommen darstellen.

Seit 2017 haben mehr als 80 Frauen Weinstein sexuelle Übergriffe vorgeworfen. In dem aufsehenerregenden New Yorker Prozess ging es seit Januar aber vor allem um zwei Vorwürfe: Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oral-Sex gezwungen und die heutige Friseurin Jessica Mann 2013 vergewaltigt haben. Der Prozess gilt als Meilenstein der #MeToo-Ära, die von dem Fall ausgelöst wurde.

Frauenrechtlerinnen und Schauspielerinnen reagierten erleichtert, gaben sich aber auch kämpferisch. Die Präsidentin der mit #MeToo verbundenen Stiftung «Times's Up», Tina Tchen, sprach von einer «neuen Ära der Justiz». 23 Frauen, die Weinstein sexuelle Übergriffe vorwerfen – darunter prominente Schauspielerinnen wie Ashley Judd und Rosanna Arquette – beklagten, dass Weinstein nicht in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen wurde. «Unser Kampf ist noch lange nicht vorbei».

Mutige Opfer

Der New Yorker Bezirksstaatsanwalt Cyrus Vance sprach nach dem Schuldspruch von einem «grossen Tag». Die Zeuginnen der Anklage und die beiden Staatsanwältinnen Joan Illuzzi und Meghan Hast hätten «den Lauf der Geschichte im Kampf gegen sexuelle Gewalt» geändert.

Der Journalist Ronan Farrow, dessen Berichterstattung über Weinstein massgeblich zum Start der #MeToo-Bewegung beigetragen hatte, würdigte den Mut der Opfer: «Das Urteil des New Yorker Prozesses gegen Harvey Weinstein ist das Ergebnis der Entscheidung mehrerer Frauen, sich mit hohen persönlichen Risiken an Journalisten und Staatsanwälte zu wenden».

Immenser Druck auf die Anklage

In den vergangenen Wochen hatte die Staatsanwaltschaft in dem Verfahren versucht, mithilfe von insgesamt sechs Hauptzeuginnen in teils drastischer Detailtiefe ein Muster Weinsteins offenzulegen – das eines Mannes, der seine Macht in der Filmindustrie systematisch ausnutzte, um sich junge Frauen gefügig zu machen. Eines Mannes, der Frauen für Sex Karrierehilfe versprach und sie bei einem Nein zum Geschlechtsverkehr zwang.

Der Prozess war mit immensem Druck auf die Anklage verbunden und wegen der Schwierigkeit, Sexualdelikte zu beweisen, auch mit der Möglichkeit eines Freispruchs.

Verteidigung gibt Zeuginnen Mitschuld

Die Verteidigung hingegen hatte den Zeuginnen eine Mitschuld gegeben und Weinstein in einer Opferrolle dargestellt. Frauen hätten ihn über Jahrzehnte wegen seines Einflusses und Geldes ausgenutzt, sie seien sich ihrer Handlungen und Signale an ihn bewusst gewesen. Jeglicher Sex habe einvernehmlich stattgefunden.

Weinsteins Anwälte hatten hervorgehoben, dass Jessica Mann eine längere Beziehung mit dem heute 67-Jährigen geführt habe. Sie zeigten Nachrichten und E-Mails, die ein positives Verhältnis zwischen den beiden auch nach den vorgeworfenen Taten zeigen sollten. Damit versuchten die Verteidiger, bei den Juroren Zweifel an der Schuld Weinsteins zu säen.

Zumindest bei den schwersten Vorwürfen des «predatory sexual assault» – die lebenslängliche Haft möglich gemacht hätten – schienen die Juroren unentschlossen und glaubten der Zeugin Annabella Sciorra, einer Schauspielerin, nicht einstimmig. Dies legten Anfragen der Jury an den Richter von Freitag nah. Bei den Vorwürfen von Haleyi und Mann erkannten die fünf Frauen und sieben Männer aber einstimmig eine Schuld Weinsteins.

Verlegung der Verhandlungen verlangt

Die Anschuldigungen gegen den Produzenten, im Herbst 2017 von der «New York Times» und dem Magazin «New Yorker» veröffentlicht, waren der Anfang der #MeToo-Bewegung.

Überall auf der Welt erkannten viele Frauen und auch einige Männer in der Folge ihre eigenen Geschichten in denen der mutmasslichen Weinstein-Opfer wieder – sie begannen, diese Geschichten unter dem Schlagwort «Me too» («Ich auch») zu sammeln.

Richter: «Dieser Prozess ist kein Referendum über die #MeToo-Bewegung»

Der Prozess hatte von Anfang an gegen eine mögliche Vorverurteilung des Angeklagten zu kämpfen – wegen der breiten gesellschaftlichen Debatte und der intensiven Berichterstattung in den vergangenen Jahren. Kundgebungen und Gesänge gegen männlichen Machtmissbrauch und sexuelle Gewalt veranlassten die Verteidigung zu Beginn des Verfahrens, erneut eine Verlegung der Sitzungen ausserhalb von New York zu beantragen. Dies wurde zurückgewiesen.

Bei der Auswahl der Geschworenen erklärten sich auffallend viele der potenziellen Kandidaten von vornherein für befangen. Den letztendlich ausgewählten Juroren hatte Richter Burke ins Gewissen geredet: «Dieser Prozess ist kein Referendum über die #MeToo-Bewegung», sagte er. Es gehe ausschliesslich darum, die juristische Schuld bei den zwei Vorfällen 2006 und 2013 zu klären.

Weitere Anklagen in Los Angeles

Weinstein war zu den Sitzungen vor dem Obersten New Yorker Gericht nach einem Autounfall im August stets tief gebeugt und auf eine Gehhilfe gestützt in den Saal 1530 in Manhattan gehumpelt. Er selbst hatte im Prozess die Aussage verweigert.

Die juristischen Kämpfe sind für Weinstein auch ausserhalb des Verfahrens in New York nicht zu Ende. In Los Angeles wurde er ebenfalls wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagt. Auch dort könnte es zum Prozess kommen. Davon abgesehen verhandeln seine Anwälte weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit mit zivilen Klägerinnen um Entschädigungen.

SDA/chk/step