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Prozess um schwere Geldwäsche
Freundin von Kokainkönig sass monatelang mit Baby in Zürcher Gefängnis 

Eine Mutter mit ihrem Kleinkind im Gefängnis – im Kanton Zürich ist das seit 14 Jahren möglich. Das Bild zeigt eine Haftanstalt in Mailand. 
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Sie hat innert zwei Jahren 2,5 Millionen Franken Drogengeld am Zürichsee verprasst und sich in dieser Zeit mit gefälschten Identitäten gleich zwei gültige Aufenthaltsbewilligungen in der Schweiz erschlichen: Am Mittwoch fand der Strafprozess gegen die 29-jährige Lebenspartnerin des belgischen Drogenbosses Flor Bressers (36) vor dem Zürcher Bezirksgericht statt – allerdings ohne die Angeklagte Philomina Veenstra (Name geändert).

«Ich habe schon ähnliche Fälle gehabt, bei denen ein Beschuldigter für eine halbe Stunde Verhandlung zehn Stunden aus Kanada hätte anreisen müssen», sagt der Richter gleich zu Beginn des Prozesses. Im Fall der 29-jährigen Niederländerin ist die Sache jedoch anders: Die belgischen Behörden haben Veenstra untersagt, das Land zu verlassen, wie der Richter betont.

Nur kurz auf freiem Fuss

Aus diesem Grund, und weil die frühere Kosmetikerin die Vorwürfe schriftlich gestanden hatte, akzeptierte er ihr Gesuch und befreite sie von der eigentlich verpflichtenden Teilnahme beim Prozess. Anwesend im Bezirksgericht waren dann lediglich ihr Zürcher Anwalt, ein inoffizieller Gesandter der Angeklagten, zwei Juristinnen, die angaben, aus reinem Interesse gekommen zu sein, und vier Medienvertreter.

Mitte Februar 2022 war Veenstra zusammen mit ihrem europaweit gesuchten Lebensgefährten in einem Luxusapartment im 22. Stock des Renaissance Towers in Zürich – Monatsmiete knapp 26’000 Franken – verhaftet worden. Nach 8,5 Monaten Untersuchungshaft reiste sie Ende Oktober in ihre niederländische Heimat. Noch am Flughafen wurde sie festgenommen und bereits Anfang November nach Belgien ausgeliefert. Dort verbrachte sie weitere 7,5 Monate im Gefängnis. Laut belgischen Medien, die sich auf dortige Justizkreise berufen, soll vor rund einem Monat ein Untersuchungsrichter die Frau aus der Haft entlassen haben. Seither steht sie in Belgien unter strengen Auflagen unter Hausarrest, wie mehrere Quellen dieser Redaktion bestätigen.

«Sehr, sehr luxuriöser Lebensstil»

Aufgrund des Geständnisses von Veenstra und eines Deals mit der Staatsanwaltschaft wurde der Prozess in Zürich als abgekürztes Verfahren ohne Befragungen und Plädoyers geführt. Schon nach weniger als zwei Minuten war die eigentliche Verhandlung beendet, und das Gericht zog sich zu einer gut einstündigen Urteilsberatung zurück.

Hier fand der Prozess gegen die Lebensgefährtin des belgischen Drogenbarons Flor Bressers statt. 

Die 29-Jährige habe einen «sehr, sehr luxuriösen Lebensstil» gepflegt, sagte der Richter bei der Urteilsverkündung. Da die Deliktsumme von 2,5 Millionen aus dem Drogenhandel kam, sei ihr Handeln «natürlich besonders verwerflich» gewesen. Laut Anklage hätte die junge Frau wissen müssen, dass das Geld aus Verbrechen stamme.

Die Anwälte schweigen zum Urteil

Das Bezirksgericht folgte vollumfänglich dem Vorschlag der Staatsanwaltschaft. Es verurteilte Veenstra – bei einem möglichen Strafrahmen von bis zu fünf Jahren Gefängnis – wegen schwerer Geldwäscherei, mehrfacher Täuschung der Behörden sowie Urkunden- und Ausweisfälschung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren. Zudem erhielt sie eine bedingte Geldstrafe von 100 Tagessätzen à 60 Franken – für beide Strafen gilt eine Probezeit von zwei Jahren.

Darüber hinaus muss Veenstra die Verfahrenskosten in Höhe von knapp 100’000 Franken tragen. Die Kosten von 85’000 Franken für ihren Zürcher Verteidiger, der angab, instruiert worden zu sein, keinen Kommentar abzugeben, trägt die Staatskasse. Auch ihr belgischer Anwalt, der schon Terroristen und korrupte Politiker vor Gericht vertreten hat, wollte sich auf Anfrage dieser Redaktion nicht äussern.

Mutter-Kind-Zelle mit Altersgrenze

Sein Urteil hält das Bezirksgericht für angemessen, auch weil die Angeklagte ein Geständnis ablegte. «Zu berücksichtigen ist auch, dass die Beschuldigte 8,5 Monate zusammen mit ihrem Baby in Untersuchungshaft war – auch das ist sicher sehr einschneidend», sagte der Richter. 

Eine Mutter schaut mit ihrem Baby aus dem Fenster einer italienischen Haftanstalt.

Laut Informationen, die dieser Redaktion vorliegen, verbrachte die 29-Jährige einen Grossteil ihrer schweizerischen Haftzeit zusammen mit ihrem Sohn im Frauengefängnis Dielsdorf. Dort gibt es seit dem Jahr 2009 Mutter-Kind-Zellen, in denen Mütter mit Babys bis zum Alter von 18 Monaten aufgenommen werden können, sagt Elena Tankovski vom Zürcher Justizvollzug und Wiedereingliederung (Juwe) auf Anfrage. Zum vorliegenden Fall dürfe sie sich wegen des Amtsgeheimnisses und des Rechts auf Persönlichkeitsschutz nicht äussern.

Neuer Anstrich und ein Farbenspiel

Die Entscheidungsbefugnis, ob eine Mutter mit ihrem Baby die Haft antreten darf, liege bei der zuständigen Kesb. An vorderster Stelle stehe dabei das Kindswohl. In jedem einzelnen Fall wird laut Juwe geprüft, was das Beste für das Kleinkind ist. Hinzu kämen seit dem Jahr 2018 Empfehlungen des Europarats, wonach Kleinkinder nicht als Inhaftierte behandelt werden dürfen.

So sieht es im Frauengefängnis Dielsdorf aus, in dem auch die Lebensgefährtin von Flor Bressers mit ihrem Baby inhaftiert war.

Gefängnisse müssten für die Betreuung von Babys «kindgerecht» gestaltet sein. In Dielsdorf bestehe jede Mutter-Kind-Zelle aus zwei Zellen, die durch eine Verbindungstür miteinander verbunden sind. Dadurch gebe es ausreichend Platz für einen Wickel- und Esstisch sowie verschiedene Spiele und Hilfsmittel, damit die inhaftierten Mütter ihre Kinder fördern könnten. In der Zeit, als Veenstra mit ihrem Sohn in Dielsdorf eintraf, wurde laut Juwe der Mutter-Kind-Bereich frisch gestrichen und ein neues Farbenspiel installiert.

19 Mütter mit Babys inhaftiert

«Sicherzustellen ist ausserdem, dass Kleinkinder freien Zugang zu den Aussenbereichen der Haftanstalt und dem Spazierhof haben und genügend Eindrücke der Aussenwelt sammeln können», sagt Tankovski. Mit geeigneter Begleitung müssen die Kinder die Gefängnismauern verlassen können, um etwa regelmässig eine Kinderkrippe besuchen zu können.

Zwischen 2012 und 2022 waren im Frauengefängnis Dielsdorf 19 Mütter mit ebenso vielen Babys inhaftiert. Längere Aufenthalte mit Kleinkindern dauern laut Juwe erfahrungsgemäss rund vier Monate. Ob Veenstra auch die 7,5 Monate Haft in Belgien gemeinsam mit ihrem Sohn verbringen durfte, ist unklar. Zumindest im Hausarrest sind die beiden jedoch vereint.