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Fotografie: Moderne Sakralarchitektur
Das sind die visionärsten Kirchen von Europa

Die St. Paulus Kirche in Weckhoven (DE) von den Architekten Fritz Schaller und Stefan Polónyi, 1966-1970.
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Wer sich eine Kirche vorstellt, hat wahrscheinlich eine gotische Kathedrale vor Augen mit hohen Türmen, Spitzbögen, Kirchenschiff und bunten Seitenfenstern, auf denen sich die Dramen des Mittelalters abspielen.

Dabei brechen die Gotteshäuser spätestens seit den 60er-Jahren auf unorthodoxe Weise mit der traditionellen Architektur. Das zeigt Jamie McGregor Smith mit seinem neuen Bildband «Sacred Modernity».

Heilig-Kreuz-Kirche in Wien, Architekt Hannes Lintl, 1971-1975.
Santuario della Beata Vergine della Consolazione in San Marino, Architekt Giovanni Michelucci, 1964-1967.

2019 zog der Fotograf von London nach Wien. Während der Corona-Pandemie waren die Kirchentüren die einzigen, die in seiner neuen Heimatstadt noch offen standen.

Eine der ersten Kirchen, die er betrat, war die katholische Wotrubakirche von 1974. Der Brutalismusbau besteht aus 152 scheinbar unregelmässig angeordneten Betonblöcken, das Licht scheint durch die Lücken und bündelt sich im Inneren.

«Ich war fassungslos, dass dieses fortschrittliche Kunstwerk von einer so konservativen Institution in Auftrag gegeben worden war», sagt McGregor Smith. Er recherchierte weiter und stiess bald auf eine ganze Bewegung der modernistischen Sakralarchitektur.

Pfarrkirche St. Theresia in Linz (AUT), Architekt Rudolf Schwarz, 1959-1962.
Kościół św. Dominika in Warschau, Architekt Władysław Pieńkowski, 1985-1994.

Seine Suche führte ihn während vier Jahren nach Italien, England und in die Schweiz. Er fand Kirchen, die «gebärmutterähnlichen Militärverschlägen» ähnelten, die wie Bunker aus dem Kalten Krieg oder wie Raumschiffe aussahen.

Christi Auferstehung in Köln, Architekt Gottfried Böhm, 1968-1970.
Innenansicht Christi Auferstehung in Köln, Architekt Gottfried Böhm, 1968-1970.

Doch woher kommt dieser Wille zur freigeistigen Gestaltung? Mitte der 1960er-Jahre fand das Zweite Vatikanische Konzil statt, welches die Kirche zur modernen Welt hin öffnen sollte. Diese Reform führte auch zu einer radikalen Umgestaltung des Kirchenraums.

L’Église Saint-Nicolas in Hérémence (Wallis) von Walter Maria Förderer, 1967-1971.
Innenansicht Église Saint-Nicolas in Hérémence (Wallis) von Walter Maria Förderer, 1967-1971.

Anstatt kreuzförmiger Grundriss und strenge Kirchenbänke entstanden nun Bauten aus Beton mit eckigen Formen und frei liegenden Baustrukturen. Wie etwa die Wallfahrtskirche Monte Grisa im italienischen Triest, deren Betonmosaike an den Buchstaben M für Maria erinnern sollen. Bis heute lösen die kühnen, minimalistischen Bauwerke heftige Debatten zwischen Modernisten und Traditionalisten aus.

Tempio Mariano di Monte Grisa in Triest, von Antonio Guacci, 1963-1965.

Mit seinem Bildband zeigt McGregor Smith nicht nur, wie die Architektur das Unerklärliche mit dem Irdischen verbindet. Seine Bilder fragen auch nach dem Potenzial dieser Räume für die Zukunft in einer immer säkularer werdenden Gesellschaft.