Verrückter Grand Prix von MonzaFerrari ist am Boden, der Sieger eine Sensation
Pierre Gasly gewinnt eines der spektakulärsten Formel-1-Rennen – aufs Podest schaffts weder Mercedes, noch Red Bull oder Ferrari. Für die Italiener wird der Heim-Grand-Prix zur grossen Peinlichkeit.
Es ist ein Ende, wie es dieser Spektakel-Grand-Prix von Italien verdient hat. Carlos Sainz zeigt sich im Rückspiegel von Pierre Gasly, immer wieder, Spannung pur, ein Herzschlagfinale. Letzte Kurve, Zielflagge, es reicht nicht für den Spanier. Um 415 Tausendstel – oder «eine Runde», wie der Sohn der gleichnamigen Rallye-Legende in den Funk stöhnt. Dann wäre er vielleicht noch vorbeigekommen und er die grosse Sensation an diesem Sonntag.
Sainz? Gasly? Ein McLaren gegen einen Alpha Tauri? Es ging tatsächlich um den Sieg zwischen den beiden. Gasly behält die Nerven. «Ich komme damit noch nicht klar», sagt er, «ich realisiere es noch nicht.» Er ist der erste französische Formel-1-Sieger seit Olivier Panis und 1996. Es ist Gaslys Geburtsjahr. Damals profitierte sein Landsmann davon, dass sich beim Grand Prix von Monaco nur vier Autos ins Ziel retteten. An diesem Sonntag in Monza sind es immerhin 16. Und ist Gasly vor allem deshalb der verdiente Sieger, weil er schon einen exzellenten Start gezeigt hat und in den letzten Runden fährt wie ein Routinier.
Dabei fährt der 24-Jährige erst seine dritte Saison für das Tochterteam des mächtigen Red-Bull-Rennstalls. Dessen Fahrer sind derweil chancenlos wie viele der Favoriten.
Lance Stroll komplettiert das Podest, Pilot von Racing Point. Damit schafft es erstmals seit Ungarn 2012 weder Mercedes noch Ferrari, noch Red Bull unter die ersten drei. Das verrückte Rennen im Autodromo von Monza endet zwar damit, dass die italienische Hymne abgespielt wird und unter dem Podest ein Haufen Menschen mit Inbrunst mitschreit. Doch dieser Haufen trägt eben nicht rote Overalls, sondern die schwarz-weissen von Alpha Tauri, das seinen Sitz ebenso in Italien hat wie das stolze Ferrari, das immer weniger Grund hat, stolz zu sein.
Ferrari gibt sich der Lächerlichkeit preis
In diesen Tagen ist eigentlich nur noch peinlich, was die Scuderia zeigt. Fünf Runden hält das Auto von Sebastian Vettel, dann explodiert die Bremsleitung, brennt es hinten am Rad und lässt der Deutsche die Fetzen fliegen. Er rammt auf seiner Irrfahrt mehrere Styropor-Hindernisse und schleicht in die Box, wo er aussteigt. Besser, bei Ferrari überlegt sich keiner, was hätte passieren können, wäre die Leitung nicht vor Kurve 1 mit viel Auslauf gerissen. Vettel, der gebeutelte Vierfachweltmeister, steht kurz darauf vor den Kameras. Das Gesicht mit einem roten Mundschutz zur Hälfte zugedeckt, darauf steht: «Essere Ferrari», «Ferrari sein», das Motto der Italiener in diesem Jahr.
Vettel wäre derzeit wohl gerne überall, nur nicht bei diesem Ferrari, das sich allmählich der Lächerlichkeit preisgibt. Der Deutsche begegnet den schrecklichen Auftritten zunehmend mit Sarkasmus, er schmunzelt bei jeder Frage, man sieht es an den Falten neben seinen Augen. «Wenn ich denke, schlimmer geht es nicht, dann geht es scheinbar doch immer noch etwas schlimmer. Das nervt einfach. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als zu versuchen, irgendwie weiterzumachen. Aber der Spassfaktor ist nicht auf seinem Höhepunkt.» Und als er gefragt wird, was er bis zum nächsten Sonntag tut, wenn der Grand Prix in Mugello ansteht, der 1000. für Ferrari, was in normalen Jahren Anlass zur Freude wäre, sagt Vettel: «Am Dienstag bin ich im Simulator. Dieses Auto hält wenigstens.» Einzig Galgenhumor rettet ihn noch davor, nicht komplett zu verzweifeln. Und die Aussicht, dass er dieses Team Ende Jahr verlassen darf.
Sainz bestraft sich mit Ferrari
Was da wohl Carlos Sainz durch den Kopf geht auf dem Podest von Monza? Er geht bei McLaren, weil er beim grossen Ferrari die rosigere Zukunft sah. Er scheint sich ziemlich vertan zu haben.
Auch Charles Leclerc, Vettels Teamkollege, erlebt ein abruptes Ende des Heimrennens. Erst fährt er im hinteren Mittelfeld Runde um Runde Kimi Räikkönen im Alfa Romeo hinterher, bis sein Ferrari bei 270 km/h ausbricht und heftig in die Reifenstapel kracht. Der Monegasse kommt ohne Verletzung davon und sagt: «Das Auto war sehr schwierig zu fahren.» Er sorgt damit für einen Rennunterbruch und für einen stehenden Neustart nach 26 Runden.
Hamilton führt da noch vor Gasly – und auf den Plätzen 4 und 5: die Alfa Romeo von Räikkonen und Antonio Giovinazzi. Eine Safety-Car-Phase kurz davor hat das Feld mächtig durcheinandergewirbelt. Hamilton und Giovinazzi reagierten am schnellsten, liessen sich schnell neue Reifen aufziehen, weil der Zeitverlust geringer ist, wenn der Safety Car auf der Piste das Feld einbremst. Das hätten sie besser gelassen: Die Boxeneinfahrt war gesperrt, weil der ausgefallene Haas von Magnussen gleich daneben zu stehen gekommen war. Die Mini-Blinklichter am linken Streckenrand, die darauf hingedeutet hatten, sahen die beiden nicht – und erhielten dafür eine 10-Sekunden-Stop-Strafe.
Erst fällt Hamilton, dann Giovinazzi ans Ende des Feldes. Der Brite pflügt sich durch bis auf Rang 7 und bugsiert bei seiner rasenden Fahrt auch noch Räikkönen aus den Top 10, der sich tapfer gewehrt hat gegen all die Racing Point, Renault und Mercedes, doch schlicht keine Aussicht auf Erfolg hatte. Im Heck seines Alfa Romeo brummt ein Antrieb von Ferrari. Im letzten Jahr war dieser noch eine Wunderwaffe, siegte Leclerc in Spa und in Monza. 2020 sind die Auftritte der Scuderia nur noch eines: ein grosses Debakel.
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