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Der FCZ zittert
Schicksalsspiel in Winterthur – wie konnte es so weit kommen?

28.02.2024; Zuerich; Fussball Schweizer Cup - FC Zuerich - FC Winterthur, Mirlind Kryeziu (Zuerich) Lindrit Kamberi (Zuerich) und Bledian Krasniqi (Zuerich) nach dem Spiel enttaeuscht 
(Claudio Thoma/freshfocus)
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«Wir sind der FC Zürich und nie das Opfer.» Ricardo Moniz setzt gleich mal den Ton. Dem FCZ-Trainer hat es nicht gefallen, dass einige seiner Spieler letzten Sonntag die Schuld an der 0:2-Niederlage gegen die Young Boys beim Schiedsrichter gesucht haben und nicht bei sich selber.

Auch sonst geht der 60-Jährige mit seinen Spielern hart ins Gericht. «Wenn du hier spielst, musst du mit Druck umgehen können – und das haben einige Spieler nicht gezeigt.» Wen er meint? Das lässt er offen.

Vielleicht ist es ja der Aufstellung zu entnehmen, wenn die Zürcher am Sonntag beim FC Winterthur antreten. Es ist der Kampf um Rang fünf und jenen Platz im Europacup, den die Clubführung als Saisonziel ausgegeben hat. Eine Niederlage kann sich der FCZ eigentlich nicht leisten.

Das Kantonsduell ist für die Zürcher zum Schicksalsspiel geworden. Vier Punkte, wie es so weit kommen konnte.

Die Ungeduld von oben

Die FCZ-Führung scheint kein Fan von Bert Lance zu sein. Oder sie kennt sein berühmtestes Zitat nicht. Der Mitarbeiter von US-Präsident Jimmy Carter meinte 1977: «If it ain’t broke, don’t fix it.» Wenn es nicht kaputt ist, dann flicke es auch nicht. Er glaubte, dem Staat mit diesem Grundsatz viel Geld sparen zu können.

Der FCZ hält sich in dieser Saison nicht an Lance. Und könnte deswegen tatsächlich viel Geld verlieren: Wenn er denn die Qualifikationsplätze für die Conference League verpasst.

Dabei hatten die Zürcher mal eine funktionierende Mannschaft. Sie lag zur Winterpause auf Rang drei und hatte neun Punkte Vorsprung auf den FC Winterthur, der heute einen Zähler vor ihr liegt.

Aber das war der Clubführung nicht gut genug. Bemerkenswert offen und hart beurteilten Präsident Ancillo Canepa und Sportchef Milos Malenovic im Winter die Arbeit ihres Trainers Bo Henriksen. Die Kritikpunkte lauteten: zu wenig Nachwuchsförderung, zu wenig dominantes Spiel, Tore nur aus Umschaltmomenten oder Standards, zu berechenbares Auftreten.

Alles Punkte, die man anführen konnte. Andererseits war es Henriksen mit seiner Art von Fussball gelungen, den letzte Saison noch akut abstiegsgefährdeten FCZ in ein Team in den Top 3 der Super League zu verwandeln.

Ancillo Canepa und Milos Malenovic

Canepa und Malenovic hätten im Sommer mit Blick auf die kommende Saison all das angehen können, was ihnen nicht passte. Stattdessen schraubten sie sozusagen in voller Fahrt an einem Motor herum, der nahe am Maximum drehte. Und brachten ihn so ins Stottern.

Die Clubführung wollte attraktiveren Fussball mit mehr eigenen Nachwuchsspielern. Sie erhielt eine Mannschaft, die in diesem Jahr pro Spiel im Schnitt magere 1,06 Punkte gewinnt. Vor Weihnachten waren es noch 1,72 gewesen.

Die Systemkrise

Beweis, dass die Kritik aus der Chefetage ihren Weg aufs Spielfeld gefunden hat: die Spielsysteme. In Tests im Wintertrainingslager liess Henriksen erstmals mit einer Viererkette in der Abwehr spielen. Beim 0:3 in Yverdon war es dann auch erstmals in einem Ernstkampf so weit. Zuvor hatte der Däne in 23 Spielen in Cup und Liga laut den Datensammlern von Wyscout 23-mal auf sein 3-4-3 gesetzt.

Seither ist es mit der Konstanz vorbei. Die Zürcher haben in 14 Spielen 5 verschiedene Formationen ausprobiert. Dreierkette, Viererkette, Fünferkette, ein Stürmer, zwei Stürmer, drei Stürmer – alles dabei.

Zuletzt stellte Ricardo Moniz bei seinem ersten Auftritt als Cheftrainer das Mittelfeld im Rhombus auf. Vermutlich nicht, weil diese Variante bislang noch gefehlt hatte in der ansonsten recht vollständigen Sammlung an möglichen Aufstellungen. Der neue Cheftrainer befindet sich schlicht auf der verzweifelten Suche nach einem System, in dem seine Spieler wieder einmal ins Tor treffen.

Mickrige 0,76 Goals gelingen dem FCZ pro Spiel im Jahr 2024. Anstatt bloss nach Kontern oder Standards erfolgreich zu sein, schiessen die Zürcher also gar keine Tore mehr.

Das Trainer-Jo-Jo

Trainer Ricardo Moniz (FCZ) reagiert im Fussball Meisterschaftsspiel der Super League zwischen dem FC Zuerich und den BSC Young Boys im Letzigrund, am Sonntag, 5 Mai 2024 in Zuerich. (KEYSTONE/Ennio Leanza)

Seit Saisonbeginn ist die Trainerposition beim FCZ ein Unruheherd. Erst kam die Meldung aus Dänemark, Henriksen wolle seinen auslaufenden Vertrag auf keinen Fall verlängern. Dann wurden die Gespräche bis über die Winterpause hinausgezögert. Und als endlich die allseits erwartete Meldung kam, Henriksen werde Zürich im Juni verlassen, sprang er überraschend nach Mainz ab.

Letzteres mag die Clubführung auf dem linken Fuss erwischt haben. Wie danach das Trainer-Duo Murat Ural und Umberto Romano installiert wurde, war trotzdem ein Fehler. Da wurde den beiden einerseits öffentlich das Vertrauen ausgesprochen. Andererseits verlangte Präsident Canepa, Sportchef Malenovic solle die beiden auf der Spielerbank unterstützen.

Eine der Folgen: In der Mannschaft wurde erzählt, Malenovic schicke seinen beiden Coachs sogar aus seinen Ferien den Trainingsplan.

Der Sportchef tut das zwar im Interview mit dieser Zeitung als «Gerücht» ab. Aber für die Wirkung innerhalb des Teams ist es egal, ob die Geschichte stimmt oder nicht. Allein ihre Existenz zeigt, wie zumindest einige Spieler ihre Trainer gesehen haben: Als blosse Handlanger des Sportchefs. Wenig überraschend, dass es den beiden so nicht gelang, ein schlingerndes Team wieder auf Kurs zu bringen.

Das soll nun Ricardo Moniz schaffen, der seit seiner Ankunft beim FCZ schon den dritten Posten besetzt. Erst war er Leiter Spielentwicklung, dann U-21-Trainer, jetzt Cheftrainer.

In der von Ancillo Canepa selbst verfassten Mitteilung stand, Moniz werde die erste Mannschaft vorübergehend übernehmen: «Bis Saisonende ad interim.» Und Moniz? Er erklärte kurz darauf, er wolle unbedingt über den Sommer hinaus Cheftrainer bleiben. Das Jo-Jo-Spiel geht munter weiter.

Die Unruhe im Club

22.08.2020; Zuerich; FUSSBALL U16 - FC Zuerich - Team Vaude;
Trainer Daniel Gygax (Zuerich) 
(Andy Mueller/freshfocus)

Zum zweimaligen Wechsel auf dem Trainerposten kommt die Unruhe, die auch sonst im FCZ herrscht. Da sind Spieler wie Antonio Marchesano, Adrian Guerrero und Nikola Boranijasevic, deren Verträge im Sommer auslaufen. Alle müssen davon ausgehen, dass ihre Zürcher Zeit endet.

Da sind auch die vielen Wechsel auf dem Campus, wo Malenovic seine Vorstellungen von richtiger Nachwuchsarbeit ohne viel Sentimentalitäten umsetzt. Rund ein Dutzend Mitarbeiter haben den Club in seiner noch kurzen Amtszeit verlassen.

Letzter prominenter Abgang: U-17-Trainer Daniel Gygax, der das Angebot abgelehnt hat, Assistenztrainer in der ersten Mannschaft zu werden. Stattdessen reichte der einstige Stürmer die Kündigung ein. Nach sieben Jahren als Nachwuchstrainer beim FCZ.

Für Malenovic und Canepa sind die vielen Abgänge blosses Nebenprodukt ihres konsequenten Handelns. Ihnen schwebt nichts weniger vor, als den «FCZ neu zu erfinden», wie es Canepa sagt. Das Vorgehen verunsichert oder verärgert aber auch bisherige und ehemalige Mitarbeiter. Kein Wunder, dass ihre Unzufriedenheit nach aussen dringt. Die «NZZ am Sonntag» wollte zuletzt ein «toxisches Klima der Angst» erkannt haben.

Canepa sagt dazu, es würden «Fehlinformationen gestreut». Der Umbau gehe «step by step» vor sich.

Bloss wirkt es derzeit halt so, als wolle der FCZ manchmal den zweiten Schritt vor dem ersten tun.