Fake News statt «Mega-Betrug»Die grosse Zeitungsente um 11'000 Marathon-Betrüger
Wie eine Nachricht um schummelnde Mexikaner für Schlagzeilen sorgt – aber ganz anders erzählt gehört.

Die Meldung raste subito um die (Medien-)Welt. Sie hatte es auch wirklich in sich: Rund 11'000 Läuferinnen und Läufer hätten am Mexiko-Marathon vom 27. August geschummelt – bei rund 32'000 Teilnehmern.
Die spanische Sportboulevard-Zeitung «Marca» hatte diese News publik gemacht, worauf sie sich verselbstständigte. Dass der globale Boulevard darauf ansprang, ist wenig erstaunlich. Wobei selbst die «Bild» zwar «11'000 Marathon-Läufer disqualifiziert» titelte, die Gefahr aber doch spürte, weil sie in der Oberzeile ein Fragezeichen zu «Mega-Betrug in Mexiko?» setzte. Weniger zimperlich war man bei «20 Minuten», das zum gleichen Medienhaus wie diese Redaktion gehört: «IRRE BETRUGSWELLE: Mit ÖV und Auto – über 11’000 Läufer bescheissen bei Marathon» lautete die Schlagzeile.
Auch renommiertere Medien übernahmen das Narrativ der lateinischen Superbetrüger: «Abkürzungen beim Marathon in Mexiko-Stadt. 11'000 Läufer nachträglich disqualifiziert», wusste der «Spiegel». Und der eigentlich stilsichere «Guardian» titelte: «Mexico City Marathon expels 11'000 runners for cutting sections of course» – also: Mexiko-Stadt-Marathon schliesst 11'000 Läufer aus, weil sie Streckenabschnitte ausgelassen haben. Auch diese Redaktion schrieb in der Unterzeile vom «neusten Skandal» bezüglich Lauf-Betrüger.
Der Marathon von Mexiko hat einen legendär schlechten Ruf.
Dabei hätte die schiere Menge selbst jeden Unsachverständigen stutzig machen müssen. Normalerweise werden an Marathons jeweils ein paar Einzelne überführt. Ihre Zahl bewegt sich im Verhältnis zur Gesamtmenge der Startenden meist im Promillebereich, ganz selten im einstelligen Prozentbereich.
Aber: Der Marathon von Mexiko hat einen legendär schlechten Ruf. 2017 wurden tatsächlich fast 6000 disqualifiziert. Das sind zwar schon enorm viele, aber bloss rund die Hälfte dieser angeblichen 11'000. Ein selbsternannter «Marathon-Detektiv» aus den USA hatte sie damals übrigens überführt (lesen Sie hier unser Porträt über Derek Murphy). Diesmal blieb er stumm.
Skurrilerweise war es dann die «Marca» selbst, die ihre Zeitungs-Ente in einem Folgetext öffentlich machte, ohne sie aber so zu nennen. Denn die Marathon-Veranstalter mussten auf den ungeheurlichen Verdacht natürlich reagieren – und veröffentlichten die offiziellen Zahlen. «Marca» publizierte sie.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Und da zeigte sich: Viel faker konnte diese Fake News nicht sein. Das beginnt schon bei den Teilnehmenden: 28'410 meldeten sich an (statt rund 32'000). 25'517 holten das Starterkit samt Messchip ab. Ins Ziel kamen 21'504 – und hier wird die Geschichte richtig interessant: Denn 1807 von ihnen hatten keineswegs die ganze Strecke absolviert, wie sich zeigte.
Heisst: Erneut hatten also sehr viele geschummelt – ob jedoch rund 11'000 oder 1807 tricksen, ist dann doch ein enormer Unterschied.
Und: Die Geschichte war in der Welt, zumal so gut wie keine der Publikationen ihre Falschmeldung korrigierte.
Fehler gefunden?Jetzt melden.