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Aufstrebender Schweizer Sprinter
«Es muss richtig schmerzen»

Müde in Luzern: Lionel Spitz blieb etwas unter seinen Erwartungen. 
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«Alles oder nichts» – das war die Devise von Lionel Spitz für das hochklassige 400-m-Rennen am Donnerstagabend in Luzern. Ganz entgegen seiner üblichen Strategie, die lautet: kontrolliert angehen und zuletzt aufdrehen. Beflügelt vom Silbergewinn an der U-23-EM vor nicht einmal einer Woche und ermüdet von fünf Rennen, hatte sich der Zürcher im Zwiespalt befunden. Doch er hielt an seinem Start fest, und: Er hatte nichts weniger im Kopf als den Schweizer Rekord des einstigen EM-Dritten Mathias Rusterholz (44,99).

Und alles oder nichts bedeutete für den 22-Jährigen: aggressiv angehen, einen Tick schneller als üblich, und schauen, wie er zur Ziellinie kommt. Wunschgemäss glückte dies Spitz nicht. In 45,90 Sekunden wurde er Fünfter, blieb 63 Hundertstel über seiner Bestzeit und sagte: «Die Müdigkeit war doch zu gross, die Zeit unter 46 Sekunden macht mir aber trotzdem Mut.»

Ohne gezieltes Training zum Titel

Doch wer ist dieser junge Mann, der mit seinen kühnen Plänen auffällt? Er ist der Aufsteiger der Schweizer Leichtathletik dieser, ja schon letzter Saison. Zu Beginn der Primarschule stieg er in die Sportart ein, im Track Team Adliswil – unter der Leitung seiner Mutter. Doch es war mehr ein Müssen denn ein Wollen. Lieber hätte er Fussball gespielt. Und weil er stur war, war es im Training mit dem Eifer nicht weit her. Auch der Kennerblick der Clublegende Hans Tanner («Lionel hat einen tollen Schritt») änderte nichts daran.

Bis Spitz die Faszination Leichtathletik selber entdeckte, dauerte es fast zehn Jahre. Ohne gezieltes Training lief er mit 16 zu einem Nachwuchsmeistertitel über 600 m. «Das weckte erstmals Ambitionen», blickt er zurück. Schnell sah er sich zu den 400 m hingezogen, jener Distanz, die Schnelligkeit, Stehvermögen und Ausdauer erfordert und als besonders hart gilt. Er sagt und lacht: «Ich mag die Laktat-Sessions, es muss richtig schmerzen.»

Mittlerweile gibt es für Spitz kaum mehr etwas anderes als den Sport. «Die 400 m sind mein Ein und Alles. Jeder Schritt dient dem Schnellerwerden.» Er erlebt sich immer ehrgeiziger, er sagt: «Mein Weg ist noch lange nicht zu Ende.» Grenzen sieht er keine. Die Olympischen Spiele des nächsten Jahres in Paris sind jetzt realistisch. Auch wenn Spitz die Limite noch nicht erfüllt hat – übers World Ranking wäre er wohl dabei. Die Spiele sollen ihm zeigen, dass er auf der obersten Stufe angekommen ist.

Hohe Ziele – und Abwechslung für den Kopf

Sein Blick richtet sich aber schon jetzt darüber hinaus. Er sieht den Horizont von drei Olympischen Spielen und doppelt so vielen Weltmeisterschaften. Und das verhehlt er nicht: Dereinst will auch Spitz zu den Weltbesten gehören. Er glaubt an sein grosses Potenzial. Und damit es nicht zu eindimensional wird für ihn, arbeitet er bei seinem einstigen Lehrbetrieb, einem Reisebüro, auf Stundenbasis – «das ist Abwechslung für meinen Kopf».

Das Spezielle an Spitz’ Weg ist aber sein Club. Obwohl er fürs Track Team Adliswil läuft, trainiert er seit Jahren mit Trainer Alex Hautle in der 400-m-Gruppe des TV Unterstrass in Zürich. Ein Wechsel ist für ihn kein Thema. «Adliswil ist der Verein meiner Mutter. Er ist eine Herzensangelegenheit», sagt er. Er ist dankbar dafür, dass dieses Setting passt. Sein Club bezahlt für das kompetitive Umfeld im TVU.

Dankbar ist Spitz auch dafür, dass die Zusammenarbeit von Club- und Nationaltrainer funktioniert. «Ihre Philosophie unterscheidet sich zwar massiv – aber ich profitiere.» Er bringe sich ein und entscheide, was er brauche. Das hat bisher bestens funktioniert. An der EM im letzten Sommer wurde er überraschend Siebter, als Ricky Petrucciani Silber gewann. In diesem Sommer ist Spitz mindestens gleichauf mit ihm.