Eklat in der Formel 1Red Bulls Motorsportchef beleidigt seinen eigenen Fahrer heftig
Helmut Marko redet über Sergio Pérez und schwadroniert über das Wesen der «Südamerikaner». Der Österreicher vertut sich dabei nicht nur geografisch. Die FIA reagiert.
Helmut Marko braucht keine Bedenkzeit. Ein Urteil über Max Verstappen? Mit Kaffee in der Hand? In zwei Minuten, zwischen Tür und Angel? Kein Problem. «Er hatte ein paar unüberlegte Momente», legt der Motorsportchef von Red Bull los. «Er lernt hoffentlich, dass er auch einmal zurückstecken muss und nicht immer aufs absolut Ganze gehen oder jeden Zweikampf gewinnen muss.» Oder: «Er war zu ungeduldig, zu aggressiv.» Und: «Der Zeitpunkt ist da, wo er auch einmal die Vernunft vor die Aggressivität stellen muss.» Zack! Jeder Satz sitzt.
Es ist Mai 2018 – und Verstappen in Aserbaidschan gerade mit Red-Bull-Teamkollege Daniel Ricciardo zusammengekracht. Beim Rennstall herrscht Aufregung vor dem nächsten Grand Prix von Spanien in Montmeló. Dort also steht dieser Helmut Marko am Tresen des Teamgebäudes im Fahrerlager, er, der diesen Verstappen entdeckt und beim österreichischen Team zu dem gemacht hat, was er nun ist: bald dreifacher Weltmeister. Marko spricht ohne Umschweife oder Schönfärberei über seinen Schützling. Die zwei Minuten reichen für eine Menge markiger Sätze.
Die Anekdote zeigt, wie der Österreicher funktioniert. Marko wirkt wie ein Relikt aus der Zeit, als Fahrer und Teamchefs noch nicht einmal wussten, was PR ist. Er sticht damit heraus in der oft verschwiegenen Formel 1. Ende April ist der Mann 80 geworden, dessen Visier beim Grand Prix von Frankreich 1972 von einem Stein durchschlagen wurde, wodurch er das linke Auge verlor. Seither steckt dort eine Prothese. Seine Karriere war mit einem Schlag zu Ende, der Vorvertrag mit Ferrari für das folgende Jahr nichts mehr wert. Dafür kümmert er sich längst um die Karrieren anderer.
Im Fahrerlager ist er nur «der Doktor»
Seit fast drei Jahrzehnten erspäht Marko Talente für Red Bull. Er gilt als hart im Umgang mit den jungen Piloten, im Fahrerlager wird er ehrfürchtig «der Doktor» genannt – Ende der 60er-Jahre promovierte er zum Doktor der Rechtswissenschaften. Als solcher hätte er eigentlich wissen können, dass er Worte mit Bedacht wählen sollte.
Das entfiel Marko offenbar nach dem Grand Prix von Italien. Nur so ist sein Auftritt beim Red-Bull-Sender Servus TV zu erklären. Für einmal drehte sich das Gespräch um Fahrer Nummer 2, um den Mexikaner Sergio Pérez. Dieser habe jeweils Probleme im Qualifying und mit Formschwankungen, sagte Marko. Und dann: «Er ist Südamerikaner, und er ist halt im Kopf nicht so völlig fokussiert, wie es beispielsweise Max ist oder es Sebastian war.»
Ein bisschen verwirrt also ist der Südamerikaner, nicht so wie der Niederländer Verstappen oder der Deutsche Vettel, die sich richtig konzentrieren können. Abgesehen davon, dass sich Marko geografisch vertut, weil Mexiko nicht in Südamerika liegt, sind seine Worte vor allem eines: rassistisch. Der Aufschrei war entsprechend gross. Vor allem bei Mercedes, das Gelegenheiten gerne wahrnimmt, verbal gegen den neuen Krösus der Formel 1 zu schiessen.
«Das ist nichts, wofür man sich entschuldigt und dann ist wieder alles in Ordnung.»
Toto Wolff, Teamchef des einstigen Dominators und österreichischer Landsmann von Marko, sagte: «Das ist nichts, was in der Vergangenheit hätte gesagt werden sollen, und sicherlich nicht jetzt oder in der Zukunft. Wir alle wissen, dass wir mehr Vielfalt in der Formel 1 brauchen, mehr Inklusion.» Und: «Es ist nicht nur das, was gesagt wurde, sondern es ist die Einstellung, dass man so etwas überhaupt sagen kann, und das hat keinen Platz in der Formel 1.»
Wolffs Star-Fahrer Lewis Hamilton legte nach: «Das ist nichts, wofür man sich entschuldigt und dann ist wieder alles in Ordnung. Ich finde, da muss mehr getan werden.»
Nur einer versteht ihn – ausgerechnet Pérez
Nun: Entschuldigt hat sich Marko wenigstens. Erst schriftlich auf der Website des TV-Senders, wo er «klarstellen» wollte, dass er «felsenfest davon überzeugt» sei, «dass man Menschen, egal welcher Kultur, welcher Nationalität oder ethnischer Herkunft, nicht generalisieren kann».
Vor dem GP von Singapur letzte Woche suchte er auch das persönliche Gespräch mit Pérez. Dieser fand den Angriff weniger schlimm als andere – vielleicht bangt er auch nur um seine Zukunft bei Red Bull. So sagte Pérez: «Wenn man die Aussagen isoliert liest, können sie respektlos wirken. Aber ich kenne Helmut. Das hilft, zu verstehen, was er wirklich meinte. Er hat sich persönlich bei mir entschuldigt, diese Entschuldigung habe ich akzeptiert. Wir haben eine sehr enge und gute Beziehung.»
Weniger sportlich nahm es der Weltverband FIA. Dieser sah seine Statuten verletzt und verwarnte den Österreicher schriftlich.
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