Kommentar zum Sommaruga-RücktrittEin Entscheid, der Respekt verdient
Die Bundesrätin bringt das Land durch ihren unerwarteten Rücktritt in eine schwierige Lage. Sie zieht damit aber die richtige Konsequenz aus den tragischen Vorgängen in ihrer Familie.
Simonetta Sommaruga (SP) war als Bundesrätin unnahbar wie kaum ein anderes Mitglied der Landesregierung. Auch in geselligen Runden wahrte sie stets Kontrolle und Form, sprach kein Wort zu viel, gab wenig preis – weder über berufliche Interna noch über sich persönlich.
Ausgerechnet diese so reservierte Politikerin tritt nun mit einer Begründung zurück, wie man sie von Angehörigen dieses Gremiums selten zu hören bekommt. «Vorletzte Woche hatte mein Mann einen Schlaganfall. Das war ein Einschnitt in seinem Leben – und auch in meinem.»
Sie wolle nun die Prioritäten in ihrem Leben anders setzen. Kein parteipolitisches Kalkül, kein wohlgeplanter Lebensabend, keine Amtsmüdigkeit. Stattdessen ist es ein familiärer Schicksalsschlag, der ihren Rücktritt verursacht – einen Rücktritt, der für die Amtsinhaberin selber so ungeplant kommt wie für die verdatterte Öffentlichkeit.
Der Abgang der Energieministerin erwischt das Land zu einem heiklen Zeitpunkt. Ganz Europa fürchtet sich vor kalten Heizungen im Winter, niemand weiss, ob uns genug Strom zur Verfügung stehen wird.
Das Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (Uvek) ist die Schaltzentrale, die uns durch die Krise steuern soll. Ausgerechnet jetzt gibt die Departementsvorsteherin den Platz an den Schalthebeln frei.
Ihr Entscheid wird nun zunächst einmal grosse Hektik im Parlament auslösen. Das gilt in erster Linie für Sommarugas eigene Partei, die SP: In nur fünf Wochen muss sie Kandidaturen für Sommarugas Nachfolge portieren. Bei den amtierenden Bundesrätinnen und -räten wiederum dürften die Gelüste wachsen, das Departement zu wechseln – zumal durch den Rücktritt von Ueli Maurer (SVP) auch das Finanzdepartement frei wird.
Und wer immer schliesslich das Uvek «erben» wird: Die oder der Neue muss von Tag eins an imstande sein, eine der schwierigsten Krisen der Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg zu managen.
Die Lage der Nation hat sich durch Sommarugas Entscheid nicht vereinfacht. Trotzdem gebührt ihr dafür Respekt. Schon zu normalen, erst recht in ausserordentlichen Zeiten wird von einem Mitglied des Bundesrats erwartet, zu hundert Prozent auf sein Amt fokussiert zu sein – unter Hintanstellung persönlicher oder familiärer Bedürfnisse.
Simonetta Sommaruga hat für sich realisiert, dass sie nach dem Schlaganfall ihres Mannes die Prioritäten anders setzen will. Sie zieht daraus nun die Konsequenzen. Sie, die Unnahbare, ruft uns damit das in Erinnerung, was sie uns während ihrer Amtszeit zeitweilig fast vergessen liess: dass auch Bundesrätinnen und -räte letztlich Menschen sind.
Fehler gefunden?Jetzt melden.