Aus dem Obergericht ZürichEhepaar wegen Menschenhandels angeklagt – Verteidigerin zielt auf Zeugin
Ein Ehepaar aus Südeuropa stand am Donnerstag vor dem Zürcher Obergericht. Laut Anklage haben die beiden ein Kindermädchen aus dem Ausland ausgebeutet und misshandelt.

Weil ein Ehepaar ein Kindermädchen ausgebeutet haben soll, musste es sich am Donnerstag vor dem Zürcher Obergericht verantworten. Die Anklage warf dem Ehepaar aus Südosteuropa Menschenhandel, Wucher, Drohung und weitere Delikte vor. Den Mann klagt sie zudem der sexuellen Nötigung an. Die Staatsanwältin forderte vor Obergericht eine Freiheitsstrafe von 45 Monaten und eine Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 30 Franken für den nicht vorbestraften Mann.
Die Frau soll laut Anklage mit einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 30 Monaten bestraft werden. 6 Monate davon seien zu vollziehen, 24 Monate zur Bewährung auszusetzen. Dazu sei eine unbedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 30 Franken auszusprechen.
Die aus dem gleichen Kulturkreis wie die Beschuldigten stammende Privatklägerin war zwischen November 2015 und Juni 2016 als Kindermädchen im Haushalt des Paars illegal angestellt. Sie hatte keine Arbeitserlaubnis für die Schweiz. Die Beschuldigten hätten bewusst die Notlage der jungen Frau ausgenutzt, hätten sie schikaniert und sie mit Drohungen eingeschüchtert, so die Anklage.
Zur Rückkehr überredet
Während ihrer überlangen Arbeitstage habe sie neben der Kinderbetreuung auch den ganzen Haushalt erledigen müssen. Sie sei beschimpft und misshandelt worden. Nach drei Monaten reiste sie zurück in die Heimat, kehrte aber wieder zu dem Paar zurück. Sie habe sich überreden und von falschen Versprechungen blenden lassen.
Aber es sei schlimmer gewesen als zuvor. Im Juni 2016 sei sie schliesslich vom Ehemann auch noch zu oralem Sex gezwungen worden. Er habe ihr mit dem Tod gedroht, wenn sie dies weitererzähle. Als sie der Frau auf deren Drängen hin dennoch von dem Vorfall berichtete, sei es zu einem schweren Streit gekommen. Sie habe um ihr Leben gefürchtet, berichtete die Geschädigte. Sie flüchtete aus der Wohnung und klingelte bei einem Nachbarn. Dieser rief die Polizei.
War es Menschenhandel?
Die Verteidigerin des Mannes konzentrierte sich am Donnerstagvormittag darauf, die Glaubwürdigkeit der jungen Frau zu erschüttern, auf deren Aussagen sich die Anklage zentral stützt. Sie habe in ihrer Heimat «ihr Auskommen gehabt», sei nicht in Not gewesen, habe allerdings mehr verdienen wollen, was durchaus verständlich sei.
Eine Notlage, besondere Verletzlichkeit oder Hilflosigkeit hätten nicht vorgelegen, sagte die Verteidigerin. Dies wäre aber Voraussetzung für eine Verurteilung wegen Menschenhandels. Die junge Frau hätte andere Arbeitsmöglichkeiten gehabt, habe schon vorher in der Schweiz gearbeitet. Zudem hätte sie jederzeit die Familie verlassen können. Kurz nachdem sie nach drei Monaten aus der Schweiz ausgereist sei, sei sie freiwillig zu der Familie zurückgekehrt.
Die Verteidigerin des Mannes plädierte für Freisprüche von den Hauptanklagepunkten. Angemessen sei für ihren nicht vorbestraften Klienten eine bedingte Geldstrafe von maximal 120 Tagessätzen zu 30 Franken wegen der Nebendelikte – etwa Widerhandlung gegen das Ausländer- und das AHV-Gesetz.
Der Anwalt der beschuldigten Frau schloss sich weitgehend den Ausführungen seiner Kollegin an. Auch er plädierte auf Freispruch seiner ebenfalls nicht vorbestraften Mandantin von den Vorwürfen des Menschenhandels, des Wuchers und der Drohung. Wegen der Nebendelikte sei eine bedingte Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu 30 Franken auszusprechen.
Die Privatklägerin habe durchaus ein finanzielles und ausländerrechtliches Interesse an dem Verfahren. Mit ihrem Status als Opfer von Menschenhandel lebe sie noch heute in der Schweiz und habe eine Arbeitsstelle.
Urteil frühestens am Freitag
Das Bezirksgericht Winterthur hatte das Paar aus Südosteuropa im Juni 2021 des Menschenhandels, des Wuchers und der Drohung schuldig gesprochen. Den Mann verurteilte es zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 36 Monaten. Er hatte sich laut Gericht auch der sexuellen Nötigung schuldig gemacht. Die Frau kam mit bedingten 22 Monaten davon. Der Privatklägerin sprach die Vorinstanz eine Genugtuung von 12’000 Franken zu.
Wann das Urteil des Obergerichts eröffnet wird, ist noch offen. Zuvor müssten die Beweisanträge auf Befragung weiterer Zeugen und der Beizug weiterer Unterlagen beraten werden, sagte der vorsitzende Richter. Je nach Entscheid würde das Verfahren zu einem späteren Zeitpunkt weitergeführt oder das Urteil am späten Freitagnachmittag eröffnet.
SDA
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