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Drei Monate nach Sturz Assads
Heftige Kämpfe in Syrien – Mindestens 340 Zivilisten bei Massakern in Syrien getötet

Syrische Sicherheitskräfte mit schweren Waffen während eines Einsatzes in Latakia, Syrien, am 7. März 2025 nach Angriffen auf Sicherheitskräfte.
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Bei dem schlimmsten Ausbruch von Unruhen in Syrien seit dem Machtwechsel vor rund drei Monaten sind Berichten zufolge Hunderte Menschen bei Kämpfen zwischen Sicherheitskräften und Anhängern des gestürzten Langzeitherrschers Baschar al-Assad getötet oder verletzt worden. Unter den Toten seien mindestens 93 Sicherheitskräfte der Interimsregierung sowie 120 bewaffnete Angreifer, berichtete die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Dabei sollen auch mindestens 340 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder, von Kämpfern aufseiten der neuen Machthaber hingerichtet worden sein.

Alleine in der Stadt Banias seien 60 Zivilisten durch Erschiessungen getötet worden. Bei den Opfern soll es sich um Angehörige der alawitischen Minderheit handeln, der auch al-Assad angehört.

«Es wurden Massaker an der alawitischen Religionsgemeinschaft verübt», sagte der Direktor der in Grossbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel-Rahman, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Aktivisten aus der Stadt Idlib, mit denen die dpa sprechen konnte, machten bewaffnete Unterstützer der Übergangsregierung dafür verantwortlich. Sie sollen sich Befehlen aus Damaskus widersetzt haben. Laut dem syrischen Staatsfernsehen sollen sich Unbekannte mit Uniformen der Regierungstruppen verkleidet und die Taten begangen haben, um einen Bürgerkrieg anzustiften. 

Die Zivilisten seien auf eine Art und Weise getötet worden, «die sich nicht von den Operationen der Sicherheitskräfte des ehemaligen Regimes unterscheidet – ein kollektiver Akt der Vergeltung», hiess es in einem Bericht der Beobachtungsstelle weiter.

Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa wandte sich am Freitagabend an die Bevölkerung. Überbleibsel der gestürzten Ex-Regierung hätten mit Angriffen versucht, «das neue Syrien zu testen». Al-Scharaa lobte die Reaktion der Sicherheitskräfte und rief die Angreifer auf, ihre Waffen niederzulegen. Jeder, der Übergriffe gegen Zivilisten begehe, werde hart bestraft, kündigte der frühere Rebellenchef zugleich an. Berichte über Massaker erwähnte er nicht. 

Erster grosser Test für Übergangspräsident al-Schaara

Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, zeigte sich «zutiefst besorgt». Er rief in einer Mitteilung alle Seiten auf, von Handlungen abzusehen, «welche die Spannungen weiter anheizen, den Konflikt eskalieren, das Leid der betroffenen Gemeinschaften verschlimmern, Syrien destabilisieren und einen glaubwürdigen und integrativen politischen Übergang gefährden könnten». Der Schutz der Zivilbevölkerung müsse gemäss dem Völkerrecht gewahrt werden. 

Geheimdienstchef Anas Khatab hatte die eigenen Kämpfer zur Zurückhaltung aufgerufen. Übergangspräsident al-Scharaa rief «alle Kräfte, die sich an den Kämpfen beteiligt haben» auf, sich den Befehlshabern des Militärs zu unterstellen und «die Stellungen unverzüglich zu räumen, um die aktuellen Verstösse zu kontrollieren». Für den früheren Rebellenchef sind die Auseinandersetzungen der erste grosse Test seit der Machtübernahme. 

Eine Menschenmenge versammelt sich bei einer nächtlichen Kundgebung in Idlib, Syrien, am 06. März 2025, um zu einer allgemeinen Mobilisierung nach Angriffen auf syrische Sicherheitskräfte aufzurufen.

«Die Überbleibsel des alten Regimes nutzen die begrenzten militärischen und sicherheitspolitischen Kapazitäten der syrischen Regierung aus, um den politischen Übergang in Syrien zu behindern», erklärte Lina Khatib von der Denkfabrik Chatham House dem «Wall Street Journal». Al-Schaaras Regierung stehe vor dem Dilemma, hart genug gegen Anhänger Al-Assads vorzugehen, um einen ausgewachsenen Aufstand zu verhindern – ohne aber die Alawiten zu verprellen, die um ihre Zukunft bangten und Angriffe erlebten, so die Zeitung.

Geheimdienstchef Khatab machte führende Figuren aus dem Militär- und Sicherheitsapparat des gestürzten Ex-Präsidenten für die Zusammenstösse verantwortlich. Diese hätten eine verräterische Operation gestartet, bei der Dutzende Mitglieder von Armee und Polizei getötet worden seien. Sie würden aus dem Ausland gesteuert, schrieb Khatab auf der Onlineplattform X. Tausende Menschen hatten sich in Damaskus und etlichen anderen Städten versammelt, um gegen die bewaffneten Anhänger al-Assads zu demonstrieren. 

Kämpfe im Kernland der Alawiten

Viele Menschen forderten, die bewaffneten Angriffe zurückzuschlagen. Die Sicherheitskräfte gehen laut der staatlichen Nachrichtenagentur Sana vor allem entlang der Mittelmeerküste, dem Kernland der alawitischen Minderheit, gegen Anhänger al-Assads vor. In der gebirgigen Küstenregion sind noch bewaffnete Gruppen mit Verbindungen zu der gestürzten Vorgängerregierung aktiv. 

Unter anderem in der Stadt Dschabla etwa 25 Kilometer südlich von Latakia, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, soll es zu schweren Gefechten gekommen sein. Laut Sana wehrten Sicherheitskräfte in Latakia einen Angriff auf ein Krankenhaus ab. Für die Stadt und auch die weiter südlich gelegene Küstenstadt Tartus wurden bis Samstagvormittag Ausgangssperren verhängt. 

Nach Angaben eines Offiziers verlegte die Übergangsregierung am Freitag grössere Truppenkontingente in die Küstenregion. Seitens der Regierungstruppen seien Artilleriegeschütze, Panzer und Raketenwerfer eingesetzt worden. Insgesamt starben bei den Kämpfen nach Angaben der Beobachtungsstelle für Menschenrechte bislang mindestens 237 Menschen. 

Assad hatte Syrien mehr als zwei Jahrzehnte regiert. Nach einer Blitzoffensive unter Führung der Islamistengruppe HTS Ende vergangenen Jahres floh er nach Russland. Die neue Übergangsregierung unter Führung von al-Scharaa versucht seitdem die Sicherheit im Land wiederherzustellen und die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Al-Scharaa versprach bei Amtsantritt, alle Gruppen in dem Land in einen Prozess der politischen Erneuerung einzubeziehen und Menschenrechte zu achten. Er hofft damit auf Aufhebung westlicher Sanktionen gegen Syrien.

DPA/sme