TV-Erfolg mit GruselfaktorDieser Netflix-Film trifft den Nerv der Zeit
Solidarität in der Klassengesellschaft: Der spanische Horrorthriller «Der Schacht» ist der Film der Stunde – und ein Streaming-Hit.
Was schauen wir in diesen Zeiten des Eingesperrtseins am liebsten? Tierdokumentationen? Eskapistische Romanzen und Heldengeschichten? Reiseberichte in fremde Länder und Welten? Nein. Wenn man den Statistiken des Streaming-Giganten Netflix trauen will, ist es ein Horrorfilm über… ein Gefängnis, aus dem es kein Entkommen gibt.
«El Hoyo» heisst der Thriller im Original. Er spielt in einer mysteriösen Erziehungseinrichtung, in der die Zellen aufeinandergeschichtet sind. Je zwei Gefangene bevölkern einen Stock. In der Mitte gibt es einen grossen Schacht, durch den täglich das Essen gereicht wird, ein ganzer Tisch voll. Es kommt auf einem Lift, der auf jeder Etage zwei Minuten hält. Dann gilt es reinzustopfen, so viel man kriegen kann. Horten darf man nichts, das wird sofort bestraft.
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Die Gefängnisküche ist exzellent, auf den oberen Stockwerken erhält man erlesene Köstlichkeiten. Je weiter unten man sitzt, desto weniger bleibt übrig. So ab Stock 160 gibt es gar nichts mehr ausser Scherben von zerstörten Tellern und Schüsseln. Man muss sich, um das Überleben zu sichern, nach Alternativen umsehen. Wie wärs mit der leckeren Lende des Kollegen auf dem gleichen Stock? So, dass dieser zwar nicht stirbt (er wäre zu schnell ungeniessbar), sondern dass man immer wieder an ihm rumschnipseln kann?
Das ist blutig und nicht wirklich subtil. Aber dem spanischen Regisseur Galder Gaztelu-Urrutia ist eine perfekte Allegorie auf die Klassengesellschaft gelungen. Oben die reichen Profiteure, unten die armen Schlucker. Das Spezielle an der Konstellation: Jeden Monat wird die Zellenbelegung neu durchmischt, niemand weiss, wo er landen wird. Wer eben noch ums nackte Überleben kämpfte, trampt dann plötzlich auf den andern rum.
Die Mutigen, die Verzweifelten, die Weltverbesserer
Das fordert immer wieder Opfer. Die Mutigen, die versuchen, den Schacht hochzuklettern. Die Verzweifelten, die sich runterstürzen. Und dann gibt es noch eine dritte Kategorie, die unerklärlichen Weltverbesserer. Die wissen, dass das Essen eigentlich für alle reichen würde. Sie versuchen, so etwas wie Solidarität unter den Gefangenen einzuführen. «Bist du ein Kommunist?», wird die Hauptfigur entsetzt gefragt, als er ohne Not Essen weitergeben will.
Der Film hatte letztes Jahr am Filmfestival Toronto Premiere und wurde sofort von Netflix gekauft. Selbstverständlich war damals nicht klar, wie sehr beim Aufschalten die gelebte Solidarität zum Schlagwort geworden ist, das die ganze Welt bewegt. So originell und so knallig verpackt hat man das Thema nirgendwo sonst zu Gesicht bekommen. Ohne Zweifel: Dieser «Schacht» ist der Film der Stunde.
Das Ende ist übrigens nicht ganz hoffnungslos. Bleibt aber offen.
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