Linker Ausnahme-Streamer im US-WahlkampfIn einer rechten Männersphäre hält Hasan Piker dagegen – und warnt Harris
Der Mann mit Millionenpublikum hat auf der Gaming-Plattform Twitch einen Ort geschaffen, der unpolitische Junge an politische Inhalte heranführt. Jetzt ist er frustriert vom Wahlkampf «seiner» Kandidatin Kamala Harris.
- Donald Trump setzt auf Auftritte bei rechten Podcastern mit grossem Publikum.
- Hasan Piker kritisiert Kamala Harris’ distanzierte Haltung zu linksprogressiven Themen.
- Der Webvideoproduzent betont die Notwendigkeit einer anderen Perspektive in rechts dominierten Manosphären und ist dort selbst sehr präsent.
Das war durchaus ein schlauer Schachzug des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump: Er hat zwar potenziell reichweitenstarke Auftritte in den Mainstreammedien abgesagt, dafür aber dort investiert, wo die Chance besteht, Nichtwähler zu Fans zu machen – bei den jungen Männern. Über die letzten Monate hat Trump eine ganze Reihe von meistens eher rechts gewickelten «Bro»-Podcastern und -Streamern mit Millionenpublikum abgeklappert: etwa Adin Ross, Logan Paul, die Nelk Boys, Theo Von und Lex Fridman. Dass Trump nun zu Joe Rogan geht, dem weltweit populärsten Podcaster überhaupt – und zeitweilig ein R.-F.-Kennedy-Jr.-Anhänger –, ist nur konsequent.
Vermutlich hat die Demokratin Kamala Harris hier Möglichkeiten verpasst, auch wenn sie im «Frauen»-Podcast «Call Her Daddy» auftrat und im Sport-Podcast «All the Smoke», der besonders schwarze Männer erreicht. Allerdings würde Harris bei den Bros ohnehin nicht so geschmeidig landen, wie es ihrem Rivalen geglückt ist, urteilte jüngst einer der wichtigsten linken Influencer in einer Männerszene – mit über 2,7 Millionen Followern auf Twitch und 1,4 Millionen Youtube-Subscribern: Hasan Piker. Das sei kein Weg, den sie «authentisch und organisch» beschreiten könne, findet er.
Der 33-jährige Kalifornier muss es wissen, schliesslich hat er sich seit 2013 an einem ungewöhnlichen Ort für Linke eine Starposition erarbeitet: auf der Gaming-Plattform Twitch. Geboren in New Jersey, als Muslim aufgewachsen in der Türkei, kam Hasan Piker 2009 zum Studium in die USA. Nach dem Bachelor in Politikwissenschaften und Kommunikation heuerte er bei seinem Onkel Cenk Uygur an. Dieser war mit seiner täglichen gestreamten Talkshow in den Nullerjahren ein Onlinepionier. Inzwischen ist Uygurs «The Young Turks» eines der grössten progressiven Onlinenetzwerke mit zahlreichen Programmen auf verschiedenen Plattformen, und Piker mit seinem dezidiert linken Kurs hatte unter anderem mit seiner gefeierten Facebook-Video-Serie «The Breakdown» zum Aufstieg des Unternehmens beigetragen.
Vor sechs Jahren begann Piker, nebenher auf Twitch zu livestreamen. Das war für ihn, wie er in den Medien sagt, befreiend, weil er spielen und talken konnte, solange und worüber er wollte. Ausserdem fand er es wichtig, in dieser Manosphäre, in der rechte Standpunkte dominieren, eine andere Perspektive zu Gehör zu bringen. 2020 machte er sich als Twitch-Streamer selbstständig, und es hat sich für ihn ausgezahlt: Er streamt sechs bis acht Stunden täglich und hat zusammen mit anderen Politstreamern aus der Gaming-Plattform einen auch politischen Treffpunkt gemacht, an dem sich die Gen Z, zumindest der männliche Teil, gern aufhält.
Wie viel Einfluss hat Piker real? So viel, wie einst Radiokommentator Rush Limbaugh – seinerzeit eine der prominentesten konservativen Stimmen – auf die Grossvätergeneration, hat er schon gescherzt. Piker, der sich online auch HasanAbi nennt – mit «abi» wird im Türkischen der ältere Bruder angesprochen –, startete mit «Fortnite»-Spielen und baute den politischen Kommentar immer weiter aus. Er ziehe die «Augäpfel» auf die Spielstreams; und ein Teil bleibe dann beim politischen Kommentar bei der Stange, erklärt er in einem Interview.
Piker warnt Kamala Harris und die Demokraten
Der sozialistisch gepolte Polittalker fasst oft heisse Eisen an, haut kontroverse Thesen heraus und hat sich verbal auch schon vergaloppiert. Twitch hat Piker beispielsweise 2021 für eine Woche von der Plattform verbannt, weil er mehrfach die antiweisse Bezeichnung «cracker» verwendet und verteidigt hatte.
Doch das hat den «abi» langfristig keine Anhänger gekostet. Und wenn er nun, nach anfänglicher Begeisterung für Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris, ihre Wahlkampagne und ihre veränderte Ausrichtung disst, hört ihm ein Haufen junge Menschen zu. Nicht nur Harris’ Verhältnis zu Israel missfällt HasanAbi – und vielen arabisch-amerikanischen Wählerinnen und Wählern, etwa im Swing-State Michigan. Harris’ Hauptproblem sei, so Piker, die Abkehr von der zu Beginn linkspopulistischen Grundhaltung, für die auch Tim Walz eingestanden sei.
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Die Demokraten achteten kaum noch auf das, was die Menschen im Land wirklich umtreibe. Sie setzten bloss darauf, den Leuten ein schlechtes Gewissen zu machen, um sie zum Wählen zu motivieren. Gestehe man ihnen keine Forderungen zu, biete man ihnen keine Hoffnung auf konkrete Verbesserungen, werde man sie verlieren; das Zauberwort «change» sei der Motor, der sie beflügle. Das «shaming» der Wähler dagegen sei eher kontraproduktiv.
Praktisch sämtliche Umfragen dazu bestätigen, dass wirtschaftliche Fragen wie Hilfen für die kleinen Leute und höhere Besteuerung für Unternehmen tatsächlich alle anderen Themen des Wahlkampfs um Längen schlagen bei der Entscheidungsfindung der Wähler. Das «negative messaging» rund um Trump als Demokratierisiko hat hingegen schon bei Kandidat Joe Biden nicht recht funktioniert. Hasan Piker jedenfalls ist desillusioniert von den «trumpianischen Demokraten» und macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Die Demokratische Partei habe extrem viel Übung darin, «dem Kiefer des Siegs Niederlagen zu entreissen».
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