Die Fantastischen Vier in Basel«Man muss gerade jetzt den Mut haben, positiv zu sein»
Am kommenden Wochenende eröffnen Die Fantastischen Vier, Deutschlands erfolgreichste Hip-Hop-Band, die Baloise Session 2023. Die BaZ sprach mit Mitbegründer Thomas D.

Thomas D, an der Baloise Session treten Sie vor sitzendem Publikum auf. Stellt das eine Partyband wie Die Fantastischen Vier vor besondere Herausforderungen?
Mal sehen, wie lange die Leute sitzen bleiben. Von uns Schwaben sagt man ja, dass wir gern nach innen feiern, und die Schweizer sind ja auch nicht für ihre überschwängliche Haltung bekannt. Ich denke trotzdem, dass es nur zwei Songs brauchen wird, bis alle stehen. Schliesslich machen wir Tanzmusik, da gehört die Bewegung dazu. Ich würde es trotzdem keinem übel nehmen, der sitzen bleibt. Ich gucke mir Konzerte mittlerweile auch gern im Sitzen an. Ich muss nicht mehr herumspringen, das tue ich ja schon beruflich.
Ihr Bandkollege Smudo sagt schon lange, dass Die Fantastischen Vier lustige Musik für ernste Zeiten spielen. Hat diese Maxime an Wichtigkeit zugelegt, da die Weltlage düsterer wird?
Ich glaube, dass man gerade jetzt den Mut haben muss, positiv zu sein, wo die Zeiten wenig verheissungsvoll sind. Natürlich gibt es Momente, wo man sich sagt, dass die Kacke am Dampfen ist und man dazu ein Statement ablassen will. Mit dem Stück «Endzeitstimmung» haben wir das 2016 getan. Mittlerweile hat sich der Song fast schon überholt: Jetzt wissen alle, dass die Kacke am Dampfen ist. Darum möchte ich «Endzeitstimmung» live auch nicht länger spielen. Ich kann mich den vielen Tragödien nicht verschliessen, die gerade passieren. Trotzdem würde ich den Leuten lieber ein positives Gefühl mit auf den Weg geben, als die Dinge zu reflektieren, die sie in den Medien gespiegelt bekommen.
Für Ihr Anfang Jahr erschienenes Album «The Liechtenstein Tapes» haben Sie fünfzehn Ihrer bekanntesten Stücke neu eingespielt. Worum ging es Ihnen bei diesem Remake-Projekt?
«The Liechtenstein Tapes» ist so etwas wie ein Livealbum ohne Publikum. So wie die Stücke jetzt daherkommen, klingen sie auch, wenn wir mit unserer Liveband auf der Bühne stehen. Mit den meisten der Musiker gehen wir seit 25 Jahren auf Tournee, in dieser Zeit hat sich musikalisch etwas entwickelt, das unsere Fans von den Konzerten her kennen. Selbst höre ich mir unsere Platten nicht an, weil ich die Songs bei den Konzerten spiele. Und wenn ich mir ein altes Stück wie «Ein Tag am Meer» doch anhöre, wundere ich mich darüber, wie sehr wir damals noch am Anfang standen.
An die Konzerte kommen mittlerweile mehrere Fangenerationen. Wie haben Sie es geschafft, ein derart durchmischtes Publikum für sich zu gewinnen?
Manche Bands finden ihre Fans sehr früh und werden zusammen mit ihnen alt. Uns wurde das grosse Geschenk gegeben, dass jüngere Fans uns über bestimmte Singles und Songs für sich entdeckt haben und bei uns geblieben sind. Ich kann mir das nur so erklären, dass wir nicht nach diesem Publikum greifen und uns bei ihm anbiedern, indem wir uns jünger geben, als wir sind. Wir sind echt, weil wir das sagen, was wir denken, und uns bei den Texten auch viel Mühe geben. Diese Authentizität und diese Qualität kommen bei den Leuten an.
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Wegen sexistischer und homophober Haltung vieler deutscher Rapper sorgt die deutsche Hip-Hop-Szene für heftige Diskussionen. Wie schlimm ist es tatsächlich um sie bestellt?
#MeToo und politischer Korrektheit zum Trotz ist der Hip-Hop wohl die letzte Bastion, wo sich die Gleichberechtigung noch immer nicht durchgesetzt hat. Da wird weiter von Bitches und Player gerappt, da werden immer noch inhaltlose Posen geschlagen. In Amerika hält man daran fest, über Drogen, Sex und dicke Autos zu rappen, während ich unter jüngeren Rappern und Rapperinnen aus Deutschland eine Tendenz hin zu Themen wie Vertrauen, Freundschaft und Liebe feststelle. Die müssen nicht mehr so tun, als wären sie die Drogendealer vom Dorf. Ich hatte meinem Sohn lange verboten, deutschen Hip-Hop abzuspielen, wenn wir zusammen im Auto unterwegs waren. Das hatte aber eher damit zu tun, dass die Musik mich an meinen Beruf erinnert hat, worüber ich sowieso zu viel nachdenke. Schlussendlich hat mein Sohn sich doch eingezwängt, so habe ich viele positive und eigenständige Sachen aus Deutschland zu hören gekriegt.
Ohne Die Fantastischen Vier wäre der deutsche Hip-Hop nie so gross geworden, wie er heute ist. Werden Sie von der Szene noch immer als zu kommerziell verschrien?
Das hat sich mittlerweile gelegt. Vor dreissig Jahren wurde der Hip-Hop in Deutschland ganz anders definiert. Da hat man nach Amerika geschielt und etwas betrieben, das man heute als kulturelle Aneignung bezeichnen würde. Da gab es auch so etwas wie eine Hip-Hop-Polizei, die allen vorschreiben wollte, wie man sich gemäss irgendwelchen imaginären Gesetzen zu verhalten hatte. Inzwischen ist das anders. Heute kennt man Die Fantastischen Vier als die dienstältesten deutschen Hip-Hopper, die diese Musik erfunden haben. Deswegen mögen muss man unsere Musik trotzdem nicht.
Basel, Event-Halle. Messeplatz. Samstag und Sonntag, 21. und 22. Oktober, 20 Uhr (ausverkauft). www.baloisesession.ch
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