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Syrisches Regime
Die Allianz zwischen Assad und Putin bröckelt

Da waren sie noch zufrieden miteinander: Der russische Präsident Wladimir Putin und der syrische Staatschef Bashar al-Assad Anfang Jahr in einer orthodoxen Kirche in Damaskus.
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Türkisfarbener Himmel, ein Bungalow im Sonnenlicht und vor allem: spritzendes Wasser über einem Pool. David Hockneys Gemälde «The Splash» mag minimalistisch sein, der Preis, den es im Februar bei einer Auktion von Sotheby’s erzielte, war eher opulent: 23,1 Millionen britische Pfund, rund 27,5 Millionen Franken. Der Bieter, der den Zuschlag bekam, blieb anonym, im April meinte jedoch die russische Zeitung «Gosnowosti» ihn enttarnt zu haben: Syriens Machthaber Bashar al-Assad soll das Werk für seine Gattin ersteigert haben. Vom Auktionshaus in London – der Stadt, in der Assad einst seine dort aufgewachsene Frau Asma kennen lernte – sei das Gemälde unterwegs nach Damaskus.

Wenn Potentaten mit Kunstauktionen in Verbindung gebracht werden, elektrisiert das den Boulevard. Und obwohl mindestens fraglich ist, dass Assad tatsächlich der Käufer ist, horchten hier auch Syrien-Experten auf: Die Meldung von «Gosnowosti» fügte sich in eine Serie von Analysen und Nachrichten russischer Medien, die den Verbündeten von Präsident Wladimir Putin schlecht dastehen liessen. Während laut Weltbank 80 Prozent der Syrer unter der Armutsgrenze leben, 45 Prozent der Wohnungen im Land zerstört sind und die Hälfte der Krankenhäuser – da kauft der Diktator millionenteure Geschenke?

Ein als «Tiger» bekannter General wird als möglicher Nachfolger genannt

Andere Stimmen hoben auf das politische Agieren ab: «Schwach» sei Assad und «unfähig», die Krise in seinem Land zu lösen, schrieb etwa die russische Nachrichtenagentur RIA-FAN. Und zitierte eine Erhebung, für die eine russische Stiftung 1000 Syrer befragt haben will: Nur 31 Prozent bewerteten Assads Arbeit positiv und wollten bei der für 2021 angesetzten Wahl für ihn stimmen. Im Vergleich zu den 88,7 Prozent, die Assad bei der bisher letzten und von Moskau anerkannten Abstimmung 2014 auf sich vereint haben will, wäre das ein doch bemerkenswerter Verlust.

Arabische Medien aus dem Anti-Assad-Lager vermeldeten angesichts dieser Töne bald, dass Putin die Geduld mit dem Klienten verloren habe. Schnell kursierten Namen, wen er stattdessen in Damaskus zu installieren gedenke: Der unter dem Kampfnamen «Tiger» bekannte General Suhail al-Hassan wurde genannt, aber auch Oppositionspolitiker wie Ahmad al-Jarba.

Ein enger Putin-Vertrauter agitiert gegen Assad

Dass hier wohl eher der Wunsch Vater des Gedankens gewesen sei, sagte am Dienstag selbst der US-Beauftragte für Syrien in einer per Videostream abgehaltenen Podiumsdiskussion: «Russland ist nicht glücklich mit Assad», konstatierte James Jeffrey, «doch das Problem ist: Sie sehen keine Alternative zu ihm.» Auch in Damaskus weiss man das, weshalb sich Assad zuletzt sogar erlaubte, das von Russland auf den Weg gebrachte Komitee zu sabotieren, in dem Syrer aus dem Oppositions- und Regierungslager zusammen mit Unabhängigen eine neue Verfassung erarbeiten sollten. Moskau hatte sich erhofft, so die politische Isolation durch den Westen in seiner Syrienpolitik zu durchbrechen und den Weg freizumachen für dringend benötigte Gelder. Die 250 Milliarden Dollar, die der Wiederaufbau Syriens mindestens kosten wird, hat weder Russland noch Assads anderer Verbündeter Iran übrig.

Gleichzeitig wird auch das syrische Regime bemerkt haben, dass nicht irgendwer in Moskau die harschen Töne sendete: Die Nachrichtenagentur RIA-FAN gehört Jewgeni Prigoschin, auch genannt «Putins Koch» – Herr über Trollarmeen und die Söldner der «Gruppe Wagner», die heikle Missionen für den Kreml übernehmen.

Ihn hat man besser nicht zum Feind: Jewgeni Prigoschin.

Screenshot: ZDF

Wenig später rechnete der Karrierediplomat Aleksandr Aksenenok mit Assad ab, der sich «unausweichlichen Reformen» widersetze und «unwillig oder unfähig» sei, die Korruption in den Griff zu kriegen. Aksenenok war früher Botschafter in Syrien und ist heute Vizedirektor des Russischen Rats für Internationale Angelegenheiten, der eng mit dem Aussenministerium verbunden ist. Sein Kommentar stellt keine offizielle Position des Thinktanks dar, wurde aber auf dessen Website veröffentlicht.

Anhänger fragen sich, wofür sie gekämpft haben

Die Signale der Unzufriedenheit kommen zu einem Zeitpunkt aus Moskau, der für Assad heikel ist: Nach neun Jahren Krieg hat er zwar Syrien weitgehend wiedererobert, doch immer mehr seiner Anhänger fragen sich, wofür sie gekämpft haben. Zerstörung und Sanktionen setzen der Wirtschaft zu, die Engpässe bei der Versorgung sind gravierend. Vergangene Woche benutzte Assad das sonst gemiedene Wort «Hunger» in einer Rede, kurz darauf entliess er den Handelsminister. Sein Nachfolger wird es nicht einfach haben; die Währung ist im freien Fall, anstatt 50 Pfund wie 2011 ist ein Dollar nun 1500 Pfund wert. Und als Rami Makhlouf, reichster Mann Syriens und Cousin des Präsidenten, den Tabubruch beging und Assad vor kurzem in einem Video kritisierte, spielte er indirekt auf die Unzufriedenheit an, die selbst in der Minderheit der Alawiten herrscht, auf die das Regime seine Macht stützt.

Khaled al-Aboud, ein Abgeordneter und Parlamentssekretär mit engem Draht zu den Sicherheitsdiensten, hatte nun eine ganz eigene Idee, wie sich nationale Einigkeit wiederherstellen lassen könne: Als Reaktion auf die negativen Kommentare aus Moskau drohte er der russischen Armee mit einem Guerillakrieg. Wenn Assad wolle, schrieb Aboud, könne er Putin von den Seiten der Geschichtsbücher tilgen.