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Möglicher Verkauf von Tiktok
Der Nerd, der im Visier des US-Präsidenten steht

Steht vor der schwierigsten Entscheidung seines Lebens: Zhang Yiming, hier in einer Aufnahme vom März in Palo Alto, Kalifornien.
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Bis zum Morgengrauen hat Zhang Yiming wieder einmal gearbeitet, wie er in einem Brief an seine Mitarbeiter am Dienstag verriet. Um 5.30 Uhr habe er ein letztes Mal die Nachrichten gecheckt, bevor er schlafen gegangen sei: Sein Name, seine Firma und seine App – überall ist davon zu lesen, seitdem US-Präsident Donald Trump damit gedroht hat, den populären Videodienst Tiktok in den USA zu verbieten, weil die Daten der zumeist jugendlichen hundert Millionen amerikanischen Nutzer nicht sicher seien vor dem Zugriff der Kommunistischen Partei Chinas (lesen Sie hier, welche Auswirkungen ein Verbot der App auf die Schweiz hätte).

«Es kommen wieder stürmische Zeiten»

Nun steht Zhang vor einer schweren Entscheidung, der vielleicht teuersten dieser Tage: Entweder verkauft er Tiktok an Microsoft (auf 50 Milliarden Dollar taxieren Analysten den Wert), oder er verliert womöglich alles, wenn Trump seine Drohung wahr macht und die App verbietet. «In den vergangenen zwei Jahren und insbesondere in jüngster Zeit hat die Stimmung gegen China in vielen Ländern deutlich zugenommen», schreibt Zhang. «Es kommen wieder stürmische Zeiten.»

Dabei hat es im Leben des Zhang Yiming bislang kaum Gegenwind gegeben. Mit 37 Jahren ist er Milliardär, auf umgerechnet knapp zwölf Milliarden Franken wird sein Vermögen geschätzt. Fast alles, was er anpackte, wurde zum Erfolg – vor allem Tiktok. 2016 kam die App in China unter dem Namen Douyin auf den Markt. Inzwischen hat der Dienst etwa eine Milliarde Nutzer weltweit.

Ein Algorithmus, der süchtig macht

Der Grund: Sobald man Tiktok startet, beginnt im Hintergrund künstliche Intelligenz zu arbeiten, nach wenigen Videos, die man zu sehen bekommt, hat die App die Interessen ausgewertet und blendet nur noch für den Nutzer relevante Videos ein. Jugendliche verbringen Stunden mit Tiktok, hangeln sich von einem Video zum nächsten, wie im Bann. «Ich habe lange Zeit nur Tiktok-Videos angesehen, ohne selbst welche zu drehen, da es sich hauptsächlich an junge Leute richtet», erzählte Zhang einmal. «Später haben wir allen Mitgliedern des Managements vorgeschrieben, eigene Tiktok-Videos zu erstellen, und sie müssen eine bestimmte Anzahl an Likes bekommen.» Wer nicht liefert, muss Liegestütze machen, eine Strafe wie beim Fussballtraining.

Geboren wurde Zhang 1983 in Longyan, in der südchinesischen Provinz Fujian, seine Eltern arbeiteten als Verwaltungsbeamte. 2001 schrieb er sich an der Universität in Tianjin ein, zunächst in Mikroelektronik, dann sattelte er auf Informatik um. Nach dem Abschluss fing er bei einem Online-Reisebüro an, schnell wurde er zum technischen Direktor befördert, dennoch verliess er die Firma und nahm ein Angebot von Microsoft an, ausgerechnet von jenem Konzern, der nun nach seiner App greift. Auch hier kündigte er rasch wieder: zu viele Regeln, zu viele Prozesse, zu wenig Freiheit. Seitdem ist Zhang selbstständig, 2012 gründete er schliesslich Bytedance, das Unternehmen, dem Tiktok gehört.

Eigentlich will er keinen Ärger mit der Politik

Sein erster Erfolg heisst aber Toutiao. Übersetzt: «Schlagzeile», ein sogenannter Nachrichtenaggregator. Je nach Vorlieben, Themen, Autoren oder Titeln offeriert einem die App Texte und Videos. Millionen Chinesen lesen nur noch über Toutiao. Wie bei Tiktok entscheidet der Computer, was man vorgesetzt bekommt, und das verblüffend genau. Technisch betrachtet ist Toutiao deutlich anspruchsvoller als Tiktok, ein globaler Erfolg wird der Dienst wohl dennoch nicht: Die strenge chinesische Zensur kontrolliert die Auswahl der Quellen, Tausende Zensoren überwachen bei Toutiao die Inhalte.

Nur einmal lag Zhang daneben: 2018 musste er eine Witze-App offline nehmen – Chinas Kader hat nicht sonderlich viel Humor. Die App sei «unvereinbar mit den sozialistischen Grundwerten», das «Xi-Jinping-Denken» sei nicht richtig implementiert worden, schrieb Zhang in einer Selbstkritik und stellte kurzerhand 4000 neue Löschfachkräfte für seine Firma ein. Sicher ist sicher, bloss kein Ärger mit der Politik.