Künstliche Intelligenz in FilmenDer Mensch wird zur Batterie
Die Science-Fiction inszeniert künstliche Intelligenz als Bedrohung des Menschen, der die KI doch geschaffen hat. Diese Ambivalenz treibt uns derzeit wieder um.
Zum ersten Mal bekommt es Ethan Hunt, der von Tom Cruise gespielte Agent der «Mission Impossible»-Serie, nicht nur mit schlechten Menschen zu tun, sondern auch mit einem bösen System. Und muss im neuen Film «Dead Reckoning» zweieinhalb Stunden lang gegen das Computerprogramm «The Entity» anrennen.
Die Filmkritik fand diese Darstellung des Bösen sehr modern. Man fragt sich, warum. Denn der Film zeigt nicht etwa, wie künstliche Intelligenz funktioniert. Sondern reduziert sie auf einen Schlüssel, den es braucht, um das Programm zur Weltherrschaft zu öffnen. Also jagen alle im Film diesem Schlüssel nach. Die letzte Actionszene spielt auf einem Zug, der von einer Dampflokomotive gezogen wird. Digital geht anders.
Wir fürchten, was wir geschaffen haben
Die Science-Fiction beschäftigt sich schon lange mit der künstlichen Intelligenz. Diese wird in den Filmen des Genres fast immer zur Gefahr dramatisiert. Als multimediale Organisation zum Beispiel. Oder als destruktiver Organismus, der Täuschung, Kontrolle und letztlich die Zerstörung der Menschen anstrebt. Diese Angst vor den Geschöpfen, die wir selber geschaffen haben, reicht als Erzählung, Mythos und Sage bis ins Altertum zurück. Sie brachte den jüdischen Golem im mittelalterlichen Prag zum Leben; liess Frankenstein die Kontrolle über sein Monster verlieren und machte das alpine Sennentuntschi zur Mörderin.
Durch die gegenwärtige Entwicklung haben diese flottierenden Ängste ein Update erhalten. Seit nämlich die Firma OpenAI im November 2022 Chat-GPT aufgeschaltet hat, ihr lernendes Kommunikationsprogramm, das im Januar bereits über 100 Millionen User gewonnen hatte, verdüstert sich die Debatte um die Beziehung zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz zusehends.
Schon jetzt merken wir nicht mehr, wenn wir mit einer Maschine reden. Wir werden zunehmend von Algorithmen manipuliert. Wann übernehmen Maschinen die Kontrolle? Wie gefährlich können sie uns dabei werden? Der Psychoanalytiker Daniel Strassberg deutet diese Ängste als Ausdruck einer tiefen Ambivalenz. Einerseits bauten wir Maschinen mit dem Ziel, sie uns immer ähnlicher werden zu lassen, sagt er. «Gleichzeitig haben wir Angst, dass sie uns zu ähnlich werden. Denn dann könnten sie die Macht übernehmen.»
Der Cop ist selber Replikant
Film I: Rick Deckard arbeitet als Cop in einem düsteren Los Angeles der Zukunft. Seine Aufgabe ist es, «Andies zu pensionieren», wie es in seinem Jargon heisst: Androide zu liquidieren, die sich illegal auf der Erde aufhalten. Der Film «Blade Runner» von Ridley Scott mit Harrison Ford in der Hauptrolle wurde 1982 bei Erscheinen wenig beachtet. Heute gilt er als einer der einflussreichsten Filme seines Genres. Und mit ihm wurde Philip K. Dick berühmt, der die Romanvorlage schrieb und später von Drogen und psychotischen Schüben zerrüttet wurde.
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Was Ridley Scotts Film so verstörend wirken lässt, ist eine kurze Traumsequenz, die er in seinem «Director’s Cut» zehn Jahre später einfügte. Diese deutet an, was viele Fans des Films vermutet hatten: dass Deckard, die Hauptfigur, selbst ein Android ist.
Die Demokratie gerät in Gefahr
Damit dramatisiert der Film eine Befürchtung, die unsere Beziehung zur künstlichen Intelligenz zunehmend belastet: Wir können diese immer schwerer als solche erkennen. Längst werden politische Reden von Programmen erstellt. Bereits treten Influencer als Avatare auf. Und bestätigen damit, was Philip K. Dick 1968 in seiner Romanvorlage zu «Blade Runner» vorwegnahm: dass auch die Fernsehmoderatoren Androide sind.
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Was den israelischen Historiker Yuval Noah Harari an Chat-GPT, dem neuen KI-Programm, am meisten irritiert, hat er in einem viel diskutierten Essay für den «Economist» ausgeführt: wie kompetent sich das Programm der Sprache bemächtigt hat. Und weil die Sprache zum Wesen des Menschen gehört, sieht der Historiker die künstliche Intelligenz als Gefahr für die Demokratie.
Angela Müller, Leiterin der Organisation Algorithm Watch CH, teilt die Sorge um die negativen Folgen von KI für die Gesellschaft, steht aber Hararis Befürchtungen skeptisch gegenüber. Und verweist dabei auf ein aufschlussreiches Paradox: «Dass wir die künstliche Intelligenz irgendwann nicht mehr kontrollieren können, muss man zunächst als eine Erzählung lesen», sagt sie. «Diese soll uns davon überzeugen, uns auf eine zukünftige Gefahr der künstlichen Intelligenz zu konzentrieren – statt auf ihre Risiken in unserer Gegenwart.»
Er verliebt sich in die Androidin
Film II: Der Programmierer Caleb wird von seinem Chef herbestellt, um den Turing-Test zu absolvieren. Der englische Kryptograf Alan Turing hatte nicht nur Enigma dechiffriert, das Codiergerät der Nationalsozialisten im Zweiten Weltkrieg (und den Krieg damit um zwei Jahre verkürzt, wie Winston Churchill später sagte). Sondern Turing hatte als Erster die Frage gestellt, ob Maschinen einmal werden denken können. Und dazu einen Test entwickelt, der Menschen helfen soll, Maschinen zu erkennen.
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Auf dem Anwesen seines Chefs lernt Caleb die Androidin Ava kennen, die ihn durch ihre Intelligenz und Sensibilität fasziniert. Je tiefer er sich auf sie einlässt, desto stärker werden seine Gefühle für sie. Als Caleb realisiert, was sie mit ihm und seinem Chef vorhat, ist es zu spät.
«Ex Machina» heisst die Dystopie des britischen Regisseurs Alex Garland von 2015. Sie gab bei Erscheinen viel zu reden, weil sie das Offensichtliche auf betörende Weise inszenierte: wie schnell Menschen Gefühle für Maschinen entwickeln. Und wie leicht sie sich damit von ihnen manipulieren lassen.
Die Gefahr geht vom Menschen aus
Diese Bereitschaft zur Empathie mit dem Künstlichen zeigte Joseph Weizenbaum schon vor 60 Jahren. Der deutsch-amerikanische Informatiker hatte «Eliza» entwickelt, ein schriftliches Therapieprogramm. Zu seiner eigenen Überraschung liessen sich Patienten sofort auf die Kommunikation mit Eliza ein. Und wurden wütend, wenn das Programm mit stereotypen Fragen – «erzählen Sie mir mehr über Ihre Mutter» – auf ihre Not reagierte.
Was Weizenbaums Experiment schon andeutete: dass die grösste Gefahr der künstlichen Intelligenz nicht vom Computer, sondern vom Menschen ausgeht – weil er den Computer erst programmiert und sich dann auf ihn einlässt. Das ist nur möglich dank seiner Fähigkeit zur Empathie. «Diese ist in der Tat überraschend, weil die Menschen ja wissen, dass sie es mit Maschinen zu tun haben», sagt Peter G. Kirchschläger, Ethikprofessor an der Universität Luzern. «Aber die Maschinen wissen auch immer besser, wie sie beim Menschen Empathie auslösen können.»
Die rote oder die blaue Pille
Film III: Neo betätigt sich in seiner Freizeit als Hacker. Er lernt eine Frau kennen, die ihn mit Morpheus bekannt macht, dem charismatischen Anführer einer Widerstandsbewegung. Morpheus konfrontiert Neo mit einer ungeheuerlichen Erkenntnis: Was er und die anderen Menschen für die Wirklichkeit halten, ist eine Simulation, die Matrix. Sie soll die Menschen davon ablenken, dass sie von den Maschinen wie Batterien gehalten werden. Neo beschliesst, sich den Aufständischen anzuschliessen; sie glauben in ihm den Erlöser zu sehen.
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Morpheus’ Frage an Neo, ob er die rote oder die blaue Pille nehmen wolle, also die Wirklichkeit erkennen oder weiter in der Simulation verdämmern möchte, ist seit Erscheinen von «The Matrix» (1999) und seinen drei Sequels in unser kollektives Unterbewusstsein eingesunken. Kein Film dieses Genres hat die Vorstellung einer virtuellen Realität so brillant visualisiert wie der von den Wachowski-Schwestern. «The Matrix» beeinflusste Philosophie, Filmästhetik und Werbung. Und geriet zu einer Metapher für den Kapitalismus, der die Menschen betäubt, um sie besser auszubeuten.
Wir sind unsere eigene Matrix
Dass wir die Realität immer partieller wahrnehmen, belegen schon die selektiven Nachrichten, Behauptungen und Gerüchte, die uns über die sozialen Medien zugespielt werden. Die neue Brille von Apple wird das Gefühl eines virtuellen Existierens noch verstärken. Wie weit unsere politische Einstellung bereits von der künstlichen Intelligenz bestimmt wird, machte der Skandal um das Softwareprogramm Cambridge Analytica deutlich. Seine Algorithmen beeinflussten im Auftrag amerikanischer Politiker und anderer Akteure die Wählerinnen und Wähler.
Wie das Verhalten der Bürgerinnen und Bürger manipuliert werden wird, wenn die Programme noch effizienter, die Datenmengen noch grösser und die Aktivierung aller Sinne noch konsequenter betrieben wird, lässt sich nur ahnen. Eine simulierte Welt zu errechnen wie in «The Matrix» wird gar nicht nötig sein. Die Politik muss nur sicherstellen, welcher Welt die Konsumenten und Wählerinnen vertrauen. Wir sind unsere eigene Matrix.
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