Aberglaube oder Wunderding?Das steckt hinter der magischen Metallscheibe von Djokovic
Der Meister der Selbstoptimierung setzt auf Nanotechnologie – und glaubt, dass ihm diese zu Höchstleistungen verhilft. Er sagt gar: «Das ist das grösste Geheimnis meiner Karriere.»
Fabio Fontana ist bestens gelaunt. «Danke für Ihr Interesse», sagt der 42-jährige Italiener mit den grau melierten Haaren und dem gewinnenden Lächeln zu Beginn des Zoom-Gesprächs. 2012 gründete er seine Firma Tao Technologies, die vor allem via soziale Medien Werbung machte für ihr Produkt. Nun knackte sie den Jackpot: Novak Djokovic klebt die kleine Metallscheibe, von der Fontana Wunderdinge verspricht, während seiner Matchs in Roland Garros auf seine Brust. Und als er in seinem Zweitrundenmatch das Leibchen wechselte, sah das die ganze Welt.
War das eine gezielte Werbeaktion? Wie kam der Kontakt mit Djokovic zustande? Fontana lächelt und winkt ab. «Diese Information kann ich leider nicht mit Ihnen teilen.» Er habe E-Mails von Djokovics Anwälten erhalten, die ihn zu Diskretion aufforderten. Was er selbstverständlich respektiere. Denn der Serbe sei kein Botschafter für die Firma. «Ihn könnten wir uns gar nicht leisten. Aber wer weiss, vielleicht in Zukunft einmal.»
«Ich versuche, der Iron Man des Tennis zu sein.»
Djokovic nannte den Namen der Firma nicht, als er in Paris auf das Metallplättchen angesprochen wurde. Doch es war ein Leichtes, die Fotos zu vergrössern und ihn zu entziffern. «Als Kind liebte ich Iron Man. Ich versuche, ihn nachzuahmen», sagte Djokovic. «Mein Team lieferte mir eine unglaublich effiziente Nanotechnologie, die mir hilft, auf dem Platz mein Bestes zu geben. Das ist das grösste Geheimnis meiner Karriere. Sonst würde ich wahrscheinlich nicht hier sitzen.»
Es klang irgendwie ironisch. Aber wenn der 36-Jährige nicht an die Wirkung von Taopatch glauben würde, würde er sich das Metallplättchen auch nicht auf die Brust kleben. Nach seinem dritten Match nochmals danach gefragt, wich er aus: «Wie vor ein paar Tagen gesagt: Ich versuche, der Iron Man des Tennis zu sein.»
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Fontana respektiert selbstverständlich die Privatsphäre von Djokovic. Ein bisschen Interpretation von dessen Aussagen darf aber schon sein: «Wenn Novak sagt, dies sei eines der Geheimnisse seiner Karriere, wird er es wahrscheinlich nicht erst seit einem Tag oder einem Monat benutzen, sondern seit mehreren Monaten.»
Aber wie soll Taopatch funktionieren? Aktiviert durch Körperwärme und Sonneneinstrahlung soll es Lichtteilchen (Photonen) aussenden, die der jeweiligen Person helfen sollen, ihr körperliches Gleichgewicht zu finden und ihre Muskeln zu entspannen. Dabei würden keine chemischen Substanzen frei, betont Fontana. Es sei also kein Doping. Viele Athletinnen und Athleten würden es benützen, was eine gute Werbung sei. Man wolle aber vor allem Patienten mit Multipler Sklerose und Parkinson helfen. «Unsere wirkliche Aufgabe ist es, die Kraft und die Beweglichkeit von Menschen mit neurologischen Krankheiten zu verbessern.»
«Aus wissenschaftlicher Sicht ist Taopatch bei Multipler Sklerose nicht erklärt. Es müsste viel mehr dazu geforscht werden.»
Also die Nachfrage bei der Neurologie der Schulthess-Klinik, was man von Taopatch halte. Man kenne das Produkt nicht, heisst es da. Und was sagt die Schweizerische Multiple-Sklerose-Gesellschaft dazu? Susanne Kägi, dort Co-Leiterin Beratung, antwortet: «Wir haben bisher keine Anfragen von Klientinnen und Klienten zu Taopatch. Es wird in der Schulmedizin nicht eingesetzt. Es fehlt die wissenschaftliche Evidenz, um eine Wirkung bei MS nachzuweisen. Es gibt zwei kleinere Studien dazu, aber die sind so klein, dass sie wissenschaftlich nicht relevant sind. Aus wissenschaftlicher Sicht ist Taopatch bei MS nicht erklärt. Es müsste viel mehr dazu geforscht werden, damit man es empfehlen könnte.»
Die Verbreitung der Firma, die inzwischen in diversen Ländern präsent ist, auch in der Schweiz, erklärt sich also wohl vor allem durch cleveres Marketing. Tao Technologies hat Sportler als Botschafter wie den italienischen Radrennfahrer Andrea Pasqualon oder die Weitspringerin Laura Strati. Gemäss der Firma schwören auch Topfussballer und Olympioniken darauf. In der Schweiz unterhält man seit dem vergangenen Jahr eine Partnerschaft mit dem Golfturnier in Crans-Montana. Und nun ergab sich der Glücksfall mit Djokovic.
«Wenn Djokovic dieses Pflaster hilft, damit er den Kopf frei hat, ist das wunderbar für ihn. Aber den Effekt zu pauschalisieren, ist unseriös.»
«Viele Athletinnen und Athleten haben Dinge, an die sie sich klammern. Das können Rituale sein, aber auch gewisse Produkte», sagt Gery Büsser, Chefarzt Sportmedizin bei der Schulthess-Klinik und Teamarzt der ZSC Lions. Das können Armbänder oder Halsbänder sein, Socken, oder eben nun ein Metallplättchen. Er kenne Taopatch nicht, sagt Büsser. «Aber wenn man diese Produkte streng wissenschaftlich untersuchen würde, hätte man die Resultate in 10, 15 Jahren. Und dann interessiert das niemanden mehr. Dann sind schon längst neue Dinge auf dem Markt.»
Wenn eine Sportlerin oder ein Sportler zu ihm komme mit einem Produkt, frage er: «Kann es schaden? Wenn nicht, versuche ich nicht, es ihnen auszureden. Wenn es ihnen ein gutes Gefühl gibt, wieso nicht?» Am Anfang gebe es oft einen Placeboeffekt, wenn man an etwas glaube, so Büsser. «Wenn Djokovic dieses Pflaster hilft, damit er den Kopf frei hat, ist das wunderbar für ihn. Aber den Effekt zu pauschalisieren, ist unseriös.» Und problematisch wird es, wenn Menschen, die krank sind, sich davon eine Wunderheilung erhoffen.
Klar ist: Athletinnen und Athleten sind stets auf der Suche nach etwas, das ihnen einen Vorteil verschafft. Stefanos Tsitsipas nahm in Roland Garros Melatonin-Pillen, um seinen Schlaf-wach-Rhythmus zu regulieren. Nachdem er von Carlos Alcaraz deklassiert worden war, sagte er, nun höre er wieder damit auf. Es habe nicht funktioniert.
Djokovic ist der Meister der Selbstoptimierung. Bereits 2010 brachte er in einem Anhänger eine Überdruckkammer ans US Open, um seine Erholung zu beschleunigen. Diesen parkierte er neben der Anlage.
Er spreche immer von seinem «ganzheitlichen Ansatz», sagte der serbische Journalist Sasa Ozmo, einer der besten Djokovic-Kenner. Das Schlüsselerlebnis sei für ihn gewesen, als ihm 2010 Doktor Igor Cetojevic seine Zöliakie nachgewiesen habe, indem er ihn mit der linken Hand ein Stück Brot an seinen Körper habe drücken lassen und die rechte, ausgestreckte hinuntergedrückt habe. Was angeblich nur gelang wegen des schädlichen Einflusses des Brotes. Djokovic schwört seitdem auf glutenfreie Ernährung und schrieb sogar ein Buch darüber.
Auf seiner ständigen Suche hat er ein Faible für Esoteriker entwickelt wie den Spanier Pepe Imaz oder den selbst ernannten Gesundheitspapst Chervin Jafarieh, einen US-Iraner, der mit seiner Firma Cymbiotika teure Nahrungsergänzungsmittel vertreibt. Auch Taopatch ist nicht günstig. Eine Packung mit Metallplättchen und Pflastern kostet zwischen 200 Franken (Taopatch Mini) und 1800 Franken (Taopatch Platinum).
Bis jetzt hat das Metallplättchen den Erfolg von Djokovic am French Open zumindest nicht beeinträchtigt. Er kämpft eisern wie eh und je, am Freitag spielt er gegen Jungstar Carlos Alcaraz um den Finaleinzug. Er drücke natürlich Djokovic die Daumen, sagt Fabio Fontana. «Ich war schon immer ein Djokovic-Fan.»
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