10 Downing StreetDas hat seit 25 Jahren kein britischer Premier mehr getan
Rishi Sunak zieht in Londons berühmteste Adresse ein, wo er bereits einmal gewohnt hat. Der Premier setzt damit eine alte, von Tony Blair unterbrochene Tradition fort.
Eine der Überraschungen, die Rishi Sunak zu seinem Amtsantritt als Premierminister bereithielt, war die Ankündigung, mit seiner Familie in No. 10 Downing Street wohnen zu wollen. Das hat seit einem Vierteljahrhundert kein britischer Premier mehr getan.
Zwar ist diese neben Buckingham Palace wohl berühmteste Londoner Adresse die offizielle Residenz des britischen Regierungschefs, doch seit Tony Blair 1997 Premier wurde und Platz für seine drei Kinder brauchte, haben alle Amtsinhaber in der Wohnung im Nachbarhaus gewohnt. No. 11 war bis dahin dem Schatzkanzler vorbehalten, doch mit vier Schlafzimmern sind die privaten Räumlichkeiten dort geräumiger als die in dem berühmten Nachbarhaus. Blair tauschte also damals mit seinem kinderlosen Schatzkanzler Gordon Brown.
Dass Sunak als Premierminister nun nach 25 Jahren wieder in No. 10 einzieht, wie seine Sprecherin bestätigte, hat einen einfachen Grund: Als Schatzkanzler von Boris Johnson hat er dort mit seiner Frau Akshata Murthy und den beiden Töchter Krishna und Anoushka bereits gewohnt. Sie seien dort «sehr glücklich» gewesen.
Die Tradition begann 1735
Der neue Premier setzt damit also eine von Blair unterbrochene Tradition fort, die 1735 begann. Damals schenkte König George II. seinem Premier Sir Robert Walpole das Haus als Residenz. Obwohl nie eine Verpflichtung bestand, als Regierungschef dort zu wohnen, war es den meisten Premiers wichtig, den Ort und seine Symbolkraft zu nutzen – zum Arbeiten, zur Repräsentation und eben auch zum Leben. Der Grundriss und die bauliche Ausstattung des Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert, in dem sich die Büros der Premierminister und ihrer Mitarbeiter befinden, sind dabei im Wesentlichen gleich geblieben.
In den Akten des britischen Bauministeriums ist festgehalten, dass das Gebäude, kostengünstig auf sumpfigem Untergrund errichtet, bereits 30 Jahre nach dem Einzug Walpoles als «alt» und «stark verfallen» galt. Prominente Architekten wie William Kent und Sir John Soane änderten im 18. und 19. Jahrhundert Details, im späten 19. Jahrhundert erfolgte eine grössere Renovierung.
Da das etwa 350 Quadratmeter grosse Haus nicht erweitert werden konnte, ist allein schon aufgrund der Platzverhältnisse der Stab der Premiers immer vergleichsweise überschaubar geblieben. Harold McMillans Versuche im Jahre 1958, den Wohnraum innerhalb No. 10 zu erweitern und dafür Büroraum zu opfern, war nur wenig erfolgreich, weil sowohl die Regierungsbeamten als auch der beauftragte Architekt grössere Veränderungen blockierten. Die Privatwohnung blieb klein, der Rest des Hauses labyrinthartig.
Die bekannteste Eingangstür des Königreichs
Der offizielle Teil von Haus No. 10 ist wohlbekannt. So dürfte die schwarzlackierte Tür der meistfotografierte und -gefilmte Eingang des Vereinigten Königreichs sein. Gerade in Zeiten politischer Krisen, von denen das Land in der jüngeren Vergangenheit viele erlebt hat, sind Bilder von Ministern, die hier hinein- und heraushuschen das Rückgrat der politischen Berichterstattung. Dahinter liegt das Treppenhaus, das in einem kräftigen Gelb gestrichen ist, und in dem chronologisch von unten nach oben Porträts aller früheren Premierminister hängen.
Der Cabinet Room, in dem jeden Donnerstag das Regierungskabinett zusammenkommt, ist bereits seit längerem mit schalldichten Türen ausgestattet, obwohl der hier ansässige Kater (oder «Chief Mouser») Larry anscheinend jederzeit ungestört ein- und ausgehen kann. Über dem steinernen Kamin, der ein architektonisches Originaldetail darstellt, hängt ein Porträt Sir Robert Walpoles – ein Symbol der Kontinuität.
Der grösste Salon, der sogenannte Pillars Room, wird meist für grosse Empfänge genutzt. Im benachbarten Terracotta Room finden oft Fernsehinterviews statt. Premierminister Edward Heath liess hier seinen Flügel aufstellen. Währen des Zweiten Weltkriegs pflegte Winston Churchill seine Mahlzeiten in den etwas bombensichereren Garden Rooms im Untergeschoss einzunehmen.
Rückkehrer Sunak will nichts mehr verändern
Die Privatgemächer der Premiers, ob sie nun in No. 10 oder 11 residieren, sind den Blicken der Öffentlichkeit in der Regel verborgen. Ihre Einrichtung bleibt den jeweiligen Bewohnern überlassen. Boris Johnson und seine Frau Carrie Symonds wohnten während seiner Zeit als Premier in No. 11 und gaben 200’000 Pfund für die aufwendige Renovierung der Wohnung aus, was zu heftigen Reaktionen führte, weil Johnson nicht offenlegte, wie er diese Massnahmen finanziert hatte.
Liz Truss dagegen hatte in ihrer kurzen Amtszeit keine Gelegenheit, grössere Veränderungen in No. 11 vorzunehmen. Ihr Nachfolger Rishi Sunak zieht jetzt in eine Wohnung, die er schon als Schatzkanzler nach seinem Geschmack eingerichtet hatte. Sicherlich auch, um sich vom skandalumwitterten Boris Johnson abzusetzen, hat der neue Premier betont, er werde an dieser Einrichtung in No. 10 nichts mehr verändern.
Fehler gefunden?Jetzt melden.