Wohnungen in der Stadt ZürichDaniel Leupi schnürt ein 300-Millionen-Paket für günstige Wohnungen
Um den Anteil gemeinnütziger Wohnungen in der Stadt zu steigern, geht die Stadt in die Offensive. Und übersteigt sogar die Forderungen der Linken im Gemeinderat.

Es ist ein Rennen, das die Stadt zu verlieren droht. Bis 2050 soll in Zürich jede dritte Mietwohnung gemeinnützig sein. Die Bevölkerung hat dieses Ziel 2011 mit einer Dreiviertelsmehrheit in der Gemeindeordnung festgeschrieben.
Nun will der Stadtrat dem gemeinnützigen Wohnungsbau mehr Schub verleihen. Er lanciert dafür einen 300 Millionen Franken grossen Wohnbaufonds, wie Finanzvorsteher Daniel Leupi (Grüne) am Freitag mitteilte. Mit diesem Geld will er gemeinnützige Akteure – private und öffentliche – beim Kauf von Liegenschaften, aber auch beim Bau und der Erneuerung von Mietwohnungen unterstützen.
Mit dem Wohnbaufonds schaffe die Stadt «für gemeinnützige Wohnbauträgerschaften in einem sehr anspruchsvollen Umfeld mehr Optionen zum Ausbau ihres Bestandes», wird Stadtrat Daniel Leupi in der Mitteilung zitiert. Das heisst: Wenn beispielsweise eine Genossenschaft für den Kauf einer Liegenschaft mitbietet, könnte die Stadt unter gewissen Bedingungen ihr mit Geld aus dem 300-Millionen-Topf helfen.

Seit das Drittelsziel verankert wurde, stagniert die Quote der gemeinnützigen Mietwohnungen. Der Anteil ist in den vergangenen Jahren sogar leicht gesunken, auf 26,4 Prozent. Zwar gelang es Stiftungen, Genossenschaften und der Stadt, mehr Mietwohnungen mit günstigen Mieten zu bauen. Sie konnten aber die Neubauten der renditeorientierten Anbieterinnen nicht übertreffen, was zur sinkenden Quote führte.
Die Stadt, Stiftungen und Genossenschaften beteuern immer wieder, dass es in der Stadt kaum Gründstücke zu kaufen gebe, und jene, die es gebe, seien zu teuer für sie. Denn hohe Landpreise würden auch zu hohen Mieten führen, was dem gemeinnützigen Gedanken widerspreche. So schreibt etwa die Stiftung zur Erhaltung von preisgünstigen Wohn- und Gewerberäumen der Stadt Zürich (PWG) in ihrem aktuellen Jahresbericht: «Wir haben an 12 Bieterverfahren teilgenommen, aber ohne Erfolg. Wir wurden immer deutlich überboten.»
Millionen sind keine Darlehen
Das Geld aus dem neuen Wohnbaufonds würde in Form von Beiträgen an Genossenschaften oder Stiftungen ausbezahlt werden und nicht als Darlehen. Es muss also nicht zurückbezahlt werden. Dies hat nicht nur auf die Finanzen der Stadt einen Einfluss, sondern macht auch für Mieterinnen und Mieter einen Unterschied.
Ein fiktives, vereinfachtes Beispiel: Eine Stiftung möchte eine Liegenschaft für 30 Millionen Franken kaufen. Mehr würde sie nicht bezahlen wollen, da sie ansonsten Mieten verlangen müsste, die ihre Vorstellungen einer angemessenen Kostenmiete übersteigen würden. Eigentlich müsste die Stiftung aber 33 Millionen Franken bezahlen, um das Angebot eines renditeorientierten Bieters zu schlagen. Nun könnte der Wohnbaufonds zum Zug kommen, um diese Differenz auszugleichen. Somit könnte die Stiftung das Haus kaufen und trotzdem günstige Mieten verlangen.
Die Stadt entrichtet solche Abschreibungsbeiträge bereits heute an die PWG. Diese Beiträge können laut der Mitteilung separat fortgeführt oder in den neuen Wohnraumfonds integriert werden.
100 Millionen Franken will der Stadtrat sofort in den Fonds als Objektkredit einbezahlen lassen und weitere 200 Millionen Franken in Form eines Rahmenkredits bewilligen lassen. Das heisst, bewilligen Gemeinderat und Stimmvolk die Beträge, könnte die Stadt später zügig Millionenbeträge sprechen, ohne einzelne Millionenbeiträge jeweils vom Gemeinderat absegnen lassen zu müssen. «Damit das neue Förderinstrument seinen Beitrag leisten kann, ist es zentral, dass die Beiträge zeitgerecht gesprochen werden können», wird Daniel Leupi zitiert.
Gemeinderat forderte 50 Millionen
Der Wohnbaufonds ist ein alter Wunsch der Zürcher Linken. SP, Grüne und AL packten diesen 2017 in eine entsprechende Motion, 2018 überwies das Parlament den Vorstoss gegen den Widerstand der Bürgerlichen und der Grünliberalen, die ihn im Rat als «geplanten Irrsinn» bezeichneten. Der Fonds zeige nun erstmals, wie teuer das Drittelsziel die Bevölkerung zu stehen kommen könnte, dieses Preisschild habe Rot-Grün den Zürcherinnen und Zürchern vorenthalten, so die Gegner. Pikant: SP, Grüne und AL forderten damals 50 Millionen Franken, die Vorlage des Stadtrats übertrifft diese jetzt um ein Mehrfaches.
Eigentlich hätte der Stadtrat die Vorlage bereits zwei Jahre nach dem Ja vorlegen müssen. Doch er liess sich Zeit bei der Umsetzung, bat zweimal um Fristerstreckung und erhielt diese vom Gemeinderat gewährt. Inzwischen sind beinahe vier Jahre verstrichen. Dies könnte das Vorhaben in Bedrängnis bringen.
In der nächsten Legislatur hat die Linke nur noch eine Stimme mehr. Einzelne Absenzen bei Ratssitzungen könnten über Erfolg und Niederlage von Vorlagen entscheiden. Findet der Wohnbaufonds im Rat dann eine Mehrheit, wird am Ende die Stimmbevölkerung über den 300 Millionen Franken teuren Impuls im Rennen ums Drittelsziel entscheiden.
Korrektur, 22.3.2022, 8.10 Uhr: In einer ursprünglichen Version dieses Artikels hiess es, bis 2050 soll in Zürich jede dritte Wohnung gemeinnützig sein. Korrekt ist: Jede dritte Mietwohnung soll gemeinnützig sein.
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