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China-Kritiker gewinnt Wahlen
Taiwaner wählen die Distanz zu Peking

Taiwanese Vice President Lai Ching-te, also known as William Lai, left, celebrates his victory with running mate Bi-khim Hsiao in Taipei, Taiwan, Saturday, Jan. 13, 2024. The Ruling-party candidate has emerged victorious in Taiwan's presidential election and his opponents have conceded. (AP Photo/Louise Delmotte)
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«Ein Sieg für die Gemeinschaft der Demokratien»: Mit diesen Worten beschrieb Taiwans neu gewählter Präsident Lai Ching-te am Samstagabend bei einer Pressekonferenz seinen Wahlsieg. Nach Auszählung eines überwiegenden Teils der Wahlzettel erreichte der Spitzenkandidat der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) und aktuelle Vizepräsident rund 40 Prozent der Stimmen. Ab Mai wird er den demokratischen Staat vor Chinas Küste regieren.

Hinter ihm liegt Hou Yu-ih von der chinafreundlichen Kuomintang (KMT) mit etwa 33 Prozent. Auf dem dritten Platz landete die erst 2019 gegründete Taiwanische Volkspartei (TPP). Ihr Spitzenkandidat Ko Wen-je kam auf ungefähr 26 Prozent.

Der Sieg der DPP setzte eine neue Bestmarke: Keine andere Partei konnte seit 1996 in drei aufeinanderfolgenden Legislaturperioden den Präsidenten stellen – seitdem wird das Staatsoberhaupt in Taiwan direkt gewählt. Der Präsident benennt den Ministerpräsidenten und ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte.

Peking sprach von Entscheidung zwischen «Krieg und Frieden»

Bereits am Samstagnachmittag hatten sich Lai-Unterstützer vor dem DPP-Hauptquartier versammelt. Viele in grüner Parteikleidung und mit Regenbogenfahnen – unter der aktuellen Präsidentin Tsai Ing-wen hat Taiwan als erstes Land in Asien die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare legalisiert. Daneben wehten Ukraine-Flaggen. Seit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping auch eine gewaltsame Vereinigung nicht mehr ausschliesst, fragen sich viele Taiwaner, ob ihnen das gleiche Schicksal drohen könnte wie den Ukrainern.

Faktisch sind China und Taiwan getrennt, seit die Kommunisten unter Mao 1949 den chinesischen Bürgerkrieg gewannen. Doch auch wenn Taiwan nie von der Kommunistischen Partei Chinas regiert wurde, erhebt diese Ansprüche auf die Insel. Sollte eine friedliche Vereinigung scheitern, droht Peking mit einer gewaltsamen Einnahme. Im Vorfeld hatte Chinas Führung die Wahl als eine Entscheidung zwischen «Krieg und Frieden» bezeichnet und gewarnt, die Taiwaner sollten diese «umsichtig» treffen.

Am Samstagabend machte Peking klar, dass die Wahl den generellen Trend hin zu einer «unausweichlichen Wiedervereinigung» mit dem Festland nicht verändern könne. «Die Ergebnisse der beiden Wahlen zeigen, dass die Demokratische Fortschrittspartei nicht in der Lage ist, die vorherrschende öffentliche Meinung zu repräsentieren», sagte Chen Binhua, der Sprecher des Büros für Taiwan-Angelegenheiten. Taiwan gehöre zu China.

Das Trommelfeuer aus Peking hatte die Präsidentschaftswahlen auch in diesem Jahr vor allem zu einer Abstimmung über das zukünftige Verhältnis zum Nachbarn gemacht. Das Land habe den Einmischungsversuchen «externer Kräfte» widerstanden, erklärte Lai mit Blick auf Chinas Drohungen. Taiwan habe der Welt gezeigt, dass die Insel sich, vor die Wahl gestellt, nicht für die Autokratie, sondern für die Demokratie entscheide.

Hätten sich Lais Konkurrenten zusammengetan, hätten sie gewonnen

Die beiden Gegenkandidaten Hou und Ko hatten im Wahlkampf für eine Wiederannäherung an China geworben und Lais Ankündigungen, an der bisherigen Politik der Distanz zu Peking festzuhalten als «grösste Gefahr für den Frieden» bezeichnet.

Lai gewann die Wahl zwar mit einigem Vorsprung, anders hätte es allerdings ausgesehen, wenn die im Wahlkampf zwischenzeitlich angestrebte Allianz zwischen KMT und TPP zustande gekommen wäre. Während Lai auf rund 5,58 Millionen Stimmen kam, hatten die Gegenkandidaten zusammen etwa 8,36 Millionen. Ein Zeichen dafür, dass es durchaus eine grosse Anzahl von Taiwaner gibt, die mit Sorgen auf die Spannungen in der Taiwanstrasse blicken.

Gerade die TPP hatte auch unter jüngeren Wählern viele Unterstützer gewinnen können, die nach acht Jahren Tsai-Regierung in der DPP eine Partei des Stillstands sehen. Sie sorgen sich beispielsweise um die hohen Lebenshaltungs- und Wohnungskosten, ein Problem, das seit vielen Jahren kaum angegangen wird.

In seinen ersten Äusserungen nach dem Wahlsieg sprach Lai von seiner Verantwortung, «Frieden und Stabilität» in der Taiwanstrasse aufrechtzuerhalten, «zum Wohlergehen der Menschen auf beiden Seiten». Anstelle von Konfrontation und Provokationen versprach er Dialog und Austausch. Gleichzeitig sei er aber entschlossen, «Taiwan vor den andauernden Bedrohungen und Einschüchterungsversuchen» durch China zu schützen. «Frieden beruht auf Stärke, nicht auf dem Wohlwollen der Invasoren», sagte Lai. Er hoffe, dass China in der Zukunft die neue Situation akzeptieren könne und verstehe, dass nur Frieden für beide Seiten von Vorteil sei.

Im Parlament verliert die DPP wohl die absolute Mehrheit

Die Unzufriedenheit mit der DPP spiegelte sich auch im neuen Parlament wider, für das die Taiwaner parallel zu den Präsidentschaftswahlen stimmten. Im sogenannten Legislativ-Yuan hatte die DPP bislang die absolute Mehrheit. Diese wird sie nach vorläufigen Ergebnissen verlieren. Berichten zufolge erreichten die DPP und die KMT in dem 113 Sitze zählenden Parlament je 36 Sitze. In der aktuellen Konstellation könnte der TPP zukünftig eine entscheidende Rolle zukommen.

Viele Reformen sind ohne die Zustimmung der Legislative in Taiwan nicht umsetzbar, was die Arbeit von Lais Regierung behindern könnte. Wie die Zusammenarbeit zwischen Präsident und Parlament in den nächsten Jahren aussehen wird, ist insofern noch völlig offen.

Der neu gewählte Präsident räumte am Samstagabend ein, dass die Partei sich in einigen Bereichen «prüfen» müsse, ausserdem wolle er sich alle Parteiprogramme vornehmen und Initiativen seiner Kontrahenten in seine Agenda aufnehmen. «Wir werden öffentliche Beteiligung fördern und politische Differenzen überbrücken», versprach Lai.

Der Wahltag selbst verlief gewohnt unspektakulär. Nachdem die Spitzenkandidaten in den letzten Tagen noch in volksfestartigen Wahlkampfveranstaltungen mit Tausenden Teilnehmern um Stimmen geworben hatten, bildeten sich am Samstagmorgen schnurgerade Schlangen vor den Wahllokalen mit geduldig wartenden Taiwanern. Als die Stimmenabgabe endete, begannen die Auszählungen, die in Taiwan öffentlich sind. Wahlzettel werden für die Zuschauer hochgehalten und laut vorgelesen, um den Vorgang transparent zu machen.