Tiefe GeburtenrateSüdkoreanische Regierung verkuppelt Singles
Die Behörden erhoffen sich durch die Blind-Dating-Veranstaltungen nicht grosse Gefühle – sondern vor allem mehr Nachwuchs.
Nichts gegen Stadtverwaltungen, aber Liebe ist nicht gerade das erste Wort, das einem beim Gedanken an die Kommunalbehörde in den Sinn kommt. Zumindest in Südkorea scheint der Beruf von Stadtbeamten aber gar nicht allzu weit entfernt von der Tätigkeit, die man traditionell eher dem Liebesgott Amor zuschreibt.
Wie die «New York Times» berichtet, nehmen immer mehr südkoreanische Grossstädte das Liebesleben ihrer Bürgerinnen und Bürger in die Hand und spielen Matchmaker. An riesigen Blind-Date-Veranstaltungen sollen junge Menschen zueinanderfinden. Die Verkupplungsevents dienen aber nicht etwa dem Zweck, der Einsamkeit von Singles entgegenzuwirken, sondern sollen viel eher das Bevölkerungswachstum ankurbeln.
Denn Südkorea ist das Land mit der niedrigsten Geburtenrate weltweit. Nur 0,78 Kinder gebärt eine Frau dort im Durchschnitt. In der Schweiz liegt der Schnitt bei 1,38 Kindern. Um eine Bevölkerung auf einem konstanten Niveau zu halten, braucht ein Land eine Geburtenrate von 2,1.
Teure Kinderbetreuung
In Südkorea wird vermutet, dass die tiefe Geburtenrate auch damit zusammenhängt, dass immer weniger Leute heiraten. Nur zwei Prozent der Geburten finden in dem Land ausserehelich statt. Der Bürgermeister von Seongnam, Shin Sang-jin, sieht die Verkupplung von Liebespaaren deshalb auch in der Verantwortung der Stadtverwaltung. «Ich denke, es ist die Aufgabe der lokalen Regierungen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass Menschen, die heiraten wollen, ihre Partner finden», zitiert ihn die «New York Times».
Seongnam liegt im Südosten von Seoul. Erst kürzlich organisierte die Grossstadt ein Blind-Dating-Event – mit grossem Erfolg. Über 1000 Menschen hatten sich für die Veranstaltung beworben. 50 Frauen und 50 Männer verbrachten schliesslich einen Abend miteinander in einem Ballsaal eines Hotels zwischen rosa Luftballons.
Doch längst nicht alle halten die Kuppelversuche der Verwaltung für angemessen. Viele junge Leute sehen den Grund für den fehlenden Nachwuchs nicht in ihrem Datingleben, sondern eher in der teuren Kinderbetreuung, dem schwer bezahlbaren Wohnraum und der Benachteiligung von Müttern auf dem Arbeitsmarkt. Blind Dating vermöge dagegen wenig auszurichten. Andere kritisieren, dass der Eingriff der Regierung in das Liebesleben zu weit gehe.
China lanciert eigene Dating-App
Trotz Kritik: Die Dating-Events sind beliebt. In kleineren Städten werden ähnliche Veranstaltungen schon seit einigen Jahren durchgeführt. Zur Frage, ob diese die Geburtenrate wirklich ankurbeln, gibt es allerdings keine genauen Auswertungen.
Auch in anderen Ländern mit Nachwuchsproblemen wie China und Japan gibt es behördlich organisierte Dating-Events. In China geht die Regierung sogar noch einen Schritt weiter, wie der «Guardian» schreibt; im März dieses Jahres habe die Stadt Guixi im Osten des Landes eine eigene Dating-App lanciert – als Teil einer grösseren Initiative zur Erhöhung der Heiratsrate. Mithilfe persönlicher Daten wollen die Behörden demzufolge alleinstehende Bürgerinnen und Bürger zusammenbringen, die sich anschliessend bei einem Blind Date treffen und verlieben sollen – oder zumindest vermählen. Denn schliesslich sind hier immer noch Behörden am Werk – und nicht Amor.
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