Berufungsprozess am ObergerichtBrutaler Femizid oder tragischer Unfall?
Das Bezirksgericht Meilen hatte keine Zweifel, dass ein Mann 2020 seine Partnerin in Hombrechtikon totgeprügelt hat. Weil der Beschuldigte weiter seine Unschuld beteuert, muss nun auch das Obergericht über den Fall entscheiden.

Hämatome, Kratzer, zahlreiche Rippenbrüche, Lungenverletzungen und eine Vielzahl von Einblutungen im Kopfbereich, an Herz und Leber: Gesamthaft über 20 Verletzungen wies der Körper einer im März 2020 im Spital Männedorf verstorbenen Frau auf.
Zugefügt haben soll sie ihr der eigene Partner. Infolge eines Streits habe er die Frau in seiner Unterkunft, dem ehemaligen Gasthaus Eichwies in Hombrechtikon, mit «bestürzender Brutalität» mit Schlägen und Fusstritten traktiert, zeigten sich die Richter des Bezirksgerichts Meilen überzeugt. Sie sprachen den gebürtigen Polen im Dezember 2021 deshalb wegen Mordes schuldig und verurteilten ihn zu einer Freiheitsstrafe von 16 Jahren. Ausserdem verhängten sie eine Landesverweisung von 15 Jahren. Dem minderjährigen Sohn des Opfers sprachen die Richter eine Genugtuung von 50’000 Franken zu.
Weil sowohl der Beschuldigte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil eingelegt haben, wird der Fall am Montag am Obergericht nun erneut verhandelt.
Diametrale Ansichten
Während der zweitägigen Verhandlung am Bezirksgericht Meilen stellten Staatsanwalt und Verteidigerin Plädoyers, die unterschiedlicher nicht hätten sein können. So sprach der Staatsanwalt von einem Femizid aus verletzter Eitelkeit und forderte eine Gefängnisstrafe von 18 Jahren und eine anschliessende Landesverweisung für 15 Jahre. Demgegenüber beantragte die Verteidigerin den totalen Freispruch, die sofortige Haftentlassung ihres Mandanten sowie eine Genugtuung. Die Verstorbene sei betrunken gestürzt, lautete das Narrativ der Juristin.
Es ist davon auszugehen, dass die beiden Parteien auch vor Obergericht an ihren Anträgen festhalten.
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