Banksys Schimpansen-Gemälde erzielt Rekordpreis
Bei Sotheby's erzielt «Devolved Parliament» 11,1 Millionen Euro, gleichzeitig eröffnet Banksy im Problemviertel Croydon einen Pop-Up-Store. Wie geht das zusammen?
Im Auktionssaal explodieren die Gebote. Als die Interessenten für Los 28, Banksys Gemälde «Devolved Parliament» innerhalb von Sekunden von zwei, auf drei, schliesslich fünf Millionen erhöhen, bemerkt der Auktionator Oliver Barker, er sei jetzt doch ein wenig aufgeregt. Drei Bieter sind über Telefone zugeschaltet, vertreten durch je zwei Mitarbeiter von Sotheby's und einen jungen Mann mit der Bieternummer 918, der bei sechs Millionen Pfund ganz still wird, aber dann plötzlich doch wieder einsteigt, als die beiden übrigen sich bei 8,4 Millionen Pfund festgefressen haben. Von da aus ist es nicht mehr weit bis zu neun Millionen Pfund. Glückwunsch, Applaus. So aufregend kann Geldausgeben sein.
Die neben dieser enormen Summe wohl zweitwichtigste Information: Diesmal hat der Künstler sein Werk nicht geschreddert, jedenfalls nicht während der Auktion. War auch nicht nötig. Kein Gemälde bekam bei Sotheby's Versteigerung zeitgenössischer Kunst am Donnerstagabend mehr Aufmerksamkeit als Banksy's Spottgemälde auf das britische Unterhaus. Keines löste ein so hitziges Wettbieten aus, keines erzielte ein solch sensationelles Ergebnis.
Dieses Parlament ist keine Versammlung peinlicher Gestalten, sondern eine todtraurige Veranstaltung.
Am Ende ging das Affentheater vor ehrwürdiger Kulisse für umgerechnet 11,1 Millionen Euro an einen unbekannten Käufer – fünf Mal teurer als geschätzt. Gewiss, Jean-Michel Basquiats «Pyro» aus dem Jahr 1984 brachte dieselbe Summe, aber dass das nicht ganz überraschend kam, sah man schon daran, dass es nicht mal eine Einstiegsschätzung gab. Neun Millionen Pfund für einen Basquiat, so scheint es, sind für diesen erlesenen Käuferkreis eine stolze Summe, aber keine Sensation.
Banksys monumentales – goldgerahmtes! – Gemälde hatte jüngst allerlei Fragen aufgeworfen, nachdem die «New York Times» und nach ihr andere Medien feststellten, dass es einem früheren Gemälde mit dem Titel «Question Time» von 2009 zwar sehr ähnelte, aber in Details doch abwich.
«Question Time» zeigte ebenfalls palavernde Primaten und war schon damals als bitterböser Witz über Grossbritanniens parlamentarisches Personal begriffen und im Bristol Museum ausgestellt worden, aber es gab Unterschiede: eine gelbe Banane in der Hand eines Affen zeigte ursprünglich nach oben, hing in der jüngsten Version aber braun herab, die Leuchter an der Decke strahlten nicht mehr, Verzierungen an Bänken wurden verändert.
Ein gewisser Widerspruch
Gab es also zwei ähnliche Gemälde? Und falls nicht, wer hatte das Werk von 2009 verändert? Nun: Banksy selbst, erklärte Sotheby's. Der britische Künstler habe das Bild «Question Time» bearbeitet und umbenannt. Banksy's Firma «Pest Control» habe die Echtheit des Werkes, das nun «Devolved Parliament» heisst, bestätigt.
Dass das Thema des Gemäldes mit jedem Tag Brexit-Quälerei noch zwingender, noch aktueller werden würde, konnten ja weder Sotheby's noch Banksy 2009 ahnen.
Bei Sotheby's füllt «Devolved Parliament» mit einer Grösse von 2,70 mal 4,50 Meter und einer Ausstrahlung wie ein Schlachtengemälde leicht einen der Nebenräume. Das ist umso erstaunlicher, als die neue Variante nicht so sehr satirisch als vor allem bedrückend wirkt. Die Affen auf den Abgeordnetenbänken: nicht lächerlich, sondern ratlos. Dieses Parlament ist keine Versammlung peinlicher Gestalten, sondern eine gelähmte, ja todtraurige Veranstaltung.
Ein Pop-Up-Store im «Kriegsgebiet»
Alex Branczik, Leiter der Abteilung für Zeitgenössische Kunst bei Sotheby's, wird später zur Identität der Bieter nur sagen, es seien «globale» und auch «institutionelle» Interessenten im Rennen gewesen. Ausserdem freut er sich sehr, dass mit Banksy und Basquiat zwei Street-Art-Künstler derartige Höhen erreicht haben.
Dass es einen gewissen Widerspruch gibt zwischen der Idee der Zugänglichkeit von Street-Art und ihrem Verkauf bei einem exklusiven Milliardärs-Vergnügen wie einer Sotheby's-Auktion, erwähnt er nicht.
Banksy hingegen, man wagt sich da nicht zu weit hinaus, Banksy muss sich dieses Widerspruchs bewusst sein, anders ist nicht zu erklären, warum er sein zweites grosses Herbstprojekt ausgerechnet nach Croydon verlegt hat. Croydon ist dem britischen Publikum vor allem bekannt durch die Ausschreitungen vor ein paar Jahren, als Geschäfte brannten, Menschen starben und Medien von einem «Kriegsgebiet» sprachen. Die Gegend gilt bis heute als zumindest problematisch.
Nun aber hat Croydon einen Banksy, ach was, viele Banksys. In einem Eckgebäude, gegenüber einem KFC in einem Fake-Fachwerkgebäude und Metzgereien namens «Meat Wise», «Mr. Meat» und «Black butcher», hat Banksy einen Flagship-Store eingerichtet. Unter dem Schriftzug «Gross Domestic Product» (Bruttoinlandsprodukt) hat er Schaufenster mit Werken dekoriert, die bald online zu kaufen sein sollen – und die die Mechanismen des Kunstmarktes mindestens so bitter verspotten wie «Devolved Parliament» das britische Parlament.
Gewiss, es gibt gewaltige Arbeiten, das Fell eines Gummitigers mit katastrophal schlechten Zähnen und dem Hinweis, dass die britische Regierung pro Jahr 7,8 Millionen Pfund dafür ausgibt, Kindern unter fünf Jahren Zähne zu ziehen. Die Schutzweste, die der britische Rapper Stormzy beim Glastonbury-Festival trug. Eine Lampe mit Pussy-Riot-Strickmütze. 15 Zimmeruhren mit Banksy-Ratte.
Aber am vertracktesten sind doch die Arbeiten zum Merchandising, Spraydosen mit einem ungelenken «Banksy»-Schriftzug darauf, darunter der Kommentar, dass es sich selbstverständlich nicht um alte Spraydosen handele, die er selbst beschriftet hat. Eine Verneigung vor Basquiat ist dabei als zerknüllte Skulptur namens «Banksquiat», die Banksy als Kommentar zur «endlosen Kommerzialisierung» von Basquiats Werken präsentiert – der er wiederum seine eigene hinzufügt. Ein paar unbeholfen bemalte Becher und Teller, die, genau, eben nicht Banksy, sondern Kinder bemalt haben.
«Sie haben Ihr Ziel erreicht»
Der ganze Popup-Store, der nur bis Ende Oktober zu sehen sein wird, ist ja überhaupt nur nötig geworden, weil er mit einer Grusskarten-Firma in juristischem Streit liegt, weil diese sein Urheberrecht verletzt hat. Der beste Weg, um dies zu verhindern, sei die Produktion eigener Merchandising-Artikel. Auf einer Webseite könne man diese bald erwerben, die Einstiegspreise sollen bei zehn Pfund liegen, bei begrenzter Auflage.
So verspricht es ein Zettel an der Eingangstür, hinter der eine fast märchenhafte Installation zu erkennen ist: Aus einer geöffneten Kasse plätschert Wasser in Einkaufskörbe mit Seerosen, darüber kreisen mechanische Schmetterlinge. Hätte der Handel mit Kunst doch nur immer solche Poesie.
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