Wundersame Auferstehung in Melbourne Ist Djokovic ein Schauspieler? Oder ist er Superman?
Der Serbe ringt Carlos Alcaraz im Viertelfinal des Australian Open 4:6, 6:4, 6:3, 6:4 nieder – trotz einer Verletzung am linken Bein. Er räumt ein: Diese habe ihm wohl sogar geholfen.
Ist Novak Djokovic ein guter Schauspieler? Oder ist er Superman? Wahrscheinlich ist er von beidem etwas. Jedenfalls sorgt der Serbe im mit Spannung erwarteten Duell der Generationen gegen Carlos Alcaraz wieder einmal für ein Drama, wie man es nur von ihm kennt. Gegen Ende des ersten Satzes beginnt er, zu humpeln und sein Gesicht zu verziehen. Zwischendurch schlägt er so harmlos auf wie ein Hobbyspieler, weil er sich beim Aufschlag nicht mehr mit dem linken Bein abstossen kann. Er nimmt ein Verletzungs-Time-out und lässt sich abseits des Courts behandeln. Und viele fragen sich: Gibt er auf?
Dann springt er wieder wie ein junges Reh
Diese Ungewissheit sät auch Zweifel im Kopf von Alcaraz. Er gewinnt zwar, als die Partie bei 5:4 fortgesetzt wird, den ersten Satz. Doch als Djokovic danach zu attackieren beginnt, als gäbe es kein Morgen, wirkt der Spanier ratlos. Djokovic humpelt zwar zwischen den Punkten immer noch ab und zu, doch wenn der Ball im Spiel ist, springt er wieder über den Court wie ein junges Reh. Alcaraz kann damit nicht umgehen. Nichts mehr ist zu sehen von der Unbeschwertheit, die ihn sonst so stark macht.
Der Spanier kann nach einem 0:3-Rückstand im zweiten Satz zwar nochmals ausgleichen, doch Djokovic schafft mit einem weiteren Break zum 6:4 und mit freundlicher Mithilfe seines Gegners den Satzausgleich und ist fortan der bestimmende Spieler. Spätestens ab dem dritten Satz ist dem zehnfachen Australian-Open-Champion nichts mehr anzumerken von einer Verletzung. Schliesslich setzt er sich in einem über dreieinhalbstündigen Kampf 4:6, 6:4, 6:3, 6:4 durch.
Als er um ein Uhr morgens das Platzinterview gibt, blickt er hoch zu seinen Kindern Tara (7) und Stefan (10) auf der Tribüne und sagt: «Ich bin überrascht, dass ihr noch hier seid. Ich liebe euch. Aber wann geht ihr endlich zu Bett?»
Von Jim Courier auf seine Verletzung angesprochen, sagt er: «Ich möchte nicht zu viel verraten, da ich ja noch im Turnier bin. Ich weiss nicht, ob ich weitergespielt hätte, wenn ich den zweiten Satz verloren hätte. Aber irgendwann haben die Schmerzmittel reingekickt. Ich merkte, dass Carlos etwas zögerlich wurde, und ich fühlte mich besser und besser.» Bedauernd fügte er an: «Das war eines der epischsten Matches, das ich je gespielt habe. Schade, war es nicht der Final. Wir werden sehen, wie es sich anfühlt, wenn die Schmerzmittel nachlassen.»
Immerhin hat Djokovic nun einen zusätzlichen Tag Pause: Am Freitag trifft er im Halbfinal auf den formstarken Alexander Zverev, der endlich den Ruf loswerden möchte, in den entscheidenden Spielen zu versagen. «Der zusätzliche Tag kommt für mich zum perfekten Zeitpunkt. Der Schlüssel ist nun, wie ich mich erhole», sagte Djokovic – und scherzte: «Sascha und ich habe eine Vereinbarung: Solange ich spiele, lässt er mich an den Grand Slams gewinnen.» Die ersten drei Grand-Slam-Duelle gegen den Deutschen hat er gewonnen.
Gegen Alcaraz, gegen den er die letzten beiden Wimbledon-Finals verloren hat, stellte Djokovic an Grand Slams auf 2:2 in den Direktduellen. Tennistechnisch ist ihm der junge Spanier wohl inzwischen überlegen, aber die speziellen Umstände dieses Viertelfinals machten Alcaraz zu schaffen.
Einmal äffte Alcaraz Djokovic nach
Er verhielt sich wie gewohnt fair, wirkte aber zuweilen genervt, zuweilen ratlos. Und einmal äffte er bei einem Seitenwechsel ganz kurz Djokovic nach, wie er hinkte. Mental war Alcaraz in diesem Duell nicht auf der Höhe. Es gelang ihm nach der frühen Verletzungspause von Djokovic nie mehr, zu seinem gewohnten druckvollen Spiel zu finden.
Es sei nicht einfach, normal weiterzuspielen, wenn man sehe, dass der Gegner physisch Mühe habe, sagte Alcaraz. «Du denkst: Okay, jetzt muss ich vor allem schauen, dass ich keine Fehler mache. Du schlägst den Ball nicht mehr so wie vorher. Und Novak begann, aggressiver zu spielen. Ich sage nicht, dass er eine Show gemacht hat. Alle sahen, dass er im zweiten Satz Probleme hatte. Aber im dritten und vierten Satz war er wieder voll da. Und wenn er auf diesem Niveau spielt, ist es schwierig gegen ihn.»
Der Serbe räumte ein, dass ihm die Verletzung wahrscheinlich sogar geholfen habe: «Manchmal hilft es, wenn man weiss, dass man mehr riskieren muss. Ich begann, aggressiver zu spielen, und das war für mich der Schlüssel.»
Alcaraz: «Ich profitiere von solchen Erfahrungen»
Djokovic lobte Alcaraz über alle Massen als grossen Champion. Doch am Australian Open tut sich der junge Spanier weiter schwer. Hier hat er noch nie den Halbfinal erreicht, in Paris, Wimbledon und New York siegte er bereits. Er verlasse Australien trotzdem hoch erhobenen Hauptes, sagte Alcaraz, nur wenige Minuten nach dem Spiel. «Ich darf mich glücklich schätzen, solche Matches zu erleben. Ich bin erst 21 und profitiere von all diesen Erfahrungen. Das wird mir für die Zukunft helfen.»
Leichter Fehler von Alcaraz. Das wird ihn nerven. Da war er gut drin im Ballwechsel.
Leichter Fehler von Djokovic. Erneut mit der Vorhand.
Djokovic drückt weiter aufs Tempo.
Fehler Djokovic. Das muss er in Kauf nehmen beim Risiko, das er momentan auf sich nimmt.
Lockeres Game für den Spanier.
Alcaraz muss sich nun überlegen, wie er mit dem totalen Angriff von Djokovic umgeht. Gut aufzuschlagen ist schon einmal ein Anfang.
Djokovic holt sich das Game mit einem Netzangriff. 3:0. Verrückte Szenen hier in der Rod Laver Arena.
Der Aufschlag funktioniert jetzt wieder bei Djokovic.
Alcaraz verteidigt sich gut. Er bleibt dran.
Djokovic verschlägt einen Smash von der Grundlinie. Das ist definitiv nicht sein Paradeschlag.
Ass.
Aufschlag-Volley von Djokovic. Das Überraschungsmoment spricht für ihn.
Djokovic holt das Break. Er setzt nun auf die totale Offensive und überrascht damit Alcaraz.
Der nächste Returnwinner von Djokovic. Er erspielt sich tatsächlich einen Breakball.
Returnwinner von Djokovic auf den zweiten Aufschlag von Alcaraz.
In der Defensive läuft Djokovic nun nicht mehr auf jeden Ball.
Wie geht Alcaraz mit dieser Situation um? Wenn er in die Offensive kommt, hat Djokovic Mühe. Doch das versucht der Serbe zu vermeiden. Er riskiert nun viel.
Ein schnelles Game für Djokovic. Das dürfte für ihn Balsam sein. Doch wie stark ist er angeschlagen?
Totaler Angriff scheint nun die Devise von Djokovic zu sein. Bisher geht es gut.
Der Spanier sichert sich den ersten Satz mit einem Ass. Nach 54 Minuten hat der Spanier vorgelegt. Und die grosse Frage ist: Wie sehr ist Djokovic eingeschränkt?
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