Auf den Spuren der Schweiz
Die Grand Tour of Switzerland ist die ultimative Route für jeden Roadtrip-Fan. Vor allem am Steuer eines Schweizer Oldtimers.

Als Land der Seen und Berge bietet die Confoederatio Helvetica ein unerschöpfliches Repertoire an unterschiedlichsten Landschaften und Naturschönheiten. Vom türkisblauen Bodensee bis zum Lac Léman, von den Wäldern des Jura bis zu den prächtigen Berner Bauernhäusern, von den Chalets im Wallis bis zu den grünen Weiden Graubündens, von den Zahnradbahnen im Waadtländer Hinterland bis hin zu vielem anderen – die Schweiz birgt unzählige Sehenswürdigkeiten.
Am besten geniesst man all diese Aus- und Einblicke auf den Nebenstrassen des Nationalstrassennetzes. Doch es bleiben zwei Fragen offen. Die erste lautet: Welche Route soll man wählen, um nichts oder möglichst wenig zu verpassen? Hier ist die Antwort einfach: die Grand Tour of Switzerland. Sie führt durch das gesamte Land, über 1643 Kilometer, überquert fünf Alpenpässe und verbindet 45 Sehenswürdigkeiten, darunter 13 Unesco-Welterbestätten. Ausserdem führt sie durch zwei Biosphärenreservate und an 22 grossen oder kleinen Seen vorbei. Die Route kann in beide Richtungen – und natürlich auch nur in Abschnitten – befahren werden, es empfiehlt sich jedoch, sie im Uhrzeigersinn zu befahren, da sie dann mit 650 Schildern ausgeschildert ist, was in der Gegenrichtung nicht der Fall ist.
Und die zweite Frage lautet: Welches Auto soll man dafür wählen? Wir entscheiden uns für ein einheimisches Produkt. Eines, das zumindest hier montiert wurde.
Automontage Schinznach-Bad
Die Grand Tour of Switzerland kann an fast jedem Ort entlang der Route gestartet werden. Schweiz Tourismus, der Initiator der Grand Tour, schlägt vor, die Tour an verschiedenen strategischen Punkten zu beginnen. Wir haben uns dazu entschieden, im Herzen des Landes zu beginnen, auf dem Bundesplatz in Bern. Der Begleiter auf dem kleinen Teilstück von Bern nach Zürich, das wir fahren, ist ein wunderschöner Plymouth Barracuda aus den 1960er-Jahren.

Was der mit der Schweiz zu tun hat? Nun – Ende der 1940er-Jahre begann die Asag, die wie die Amag zur Walter Haefner Holding AG gehörte, angesichts der hohen Zölle, die auf den Import von Neuwagen erhoben wurden, mit der Montage von Autos in der Schweiz. Denn die Zulieferung von Teilen war günstiger als der Direktimport. Und sie schuf Arbeitsplätze. So entstand die Automontage in Schinznach-Bad. Unter den 29’227 Fahrzeugen, die zwischen 1949 und 1972 in der Schweiz gebaut wurden, befand sich auch dieser Plymouth. Genauer gesagt handelt es sich um ein Exemplar aus dem Jahr 1966, das sich in einem perfekten Zustand befindet – im Fachjargon würde man von einem Concours-Zustand sprechen.
Start in der Bundeshauptstadt
Auf dem Bundesplatz startet der Plymouth seinen Sechszylindermotor. Vorbei am Bärenpark, an der Berner Altstadt (dem ersten Unesco-Weltkulturerbe entlang der Route) und am Zytglogge-Turm – und schon liegt die Stadt hinter uns. Und schnell wird klar: Es ist ein wahres Vergnügen, diesen schweizerisch-amerikanischen Wagen zu fahren, mit seiner präzisen Lenkung, die sich mit dem kleinen Finger bedienen lässt, den weichen Sitzen und dem dank der schön gewölbten Heckscheibe, die viel Licht ins Innere lässt, hellen Innenraum.

Durch die Windschutzscheibe erscheint Burgdorf mit seiner Altstadt und dem imposanten, gut erhaltenen Schloss. Danach führt die Grand Tour in die Hügellandschaft des Emmentals, einer Region, die für ihre schönen Bauernhöfe bekannt ist. In Affoltern stellt die traditionsreiche Schaukäserei Affoltern aus dem Jahr 1741 einen schmackhaften Emmentaler AOP her. In Trubschachen erzählt das Kambly-Universum die Geschichte der berühmten Biskuitfabrik, die seit mehr als einem Jahrhundert besteht. Auf der weiteren Route werden der Sempachersee, der Hallwilersee und der Baldeggersee vor der Ankunft in Luzern passiert.
Die Tour führt am meistbesuchten Museum des Landes vorbei, dem Verkehrshaus der Schweiz. Wer Lokomotiven, Autos, Schiffe oder Flugzeuge liebt, kommt an diesem Ort nicht vorbei. Es folgt die nördliche Umrundung des Vierwaldstättersees über Weggis, Vitznau und Gersau, wo der Barracuda an Bord der Autofähre geht. Die Fähre namens Tellsprung stellt in knapp 20 Minuten die Verbindung zum Südufer des Sees her und bietet den Reisenden zudem eine erstklassige Aussicht auf die herrliche Landschaft. Etwas weiter entfernt, auf der anderen Seite des Sees, liegt die Geburtsstätte der Eidgenossenschaft, wo sich der Legende nach am 1. August 1291 die Gesandten der Urkantone Uri, Schwyz und Unterwalden auf der Rütliwiese trafen, um den ewigen Bund zu schliessen.
Bremsen aus einer anderen Zeit
Das Ende des Vierwaldstättersees wird umfahren, und wir rollen in die Stadt Schwyz ein. Auf dem Hauptplatz kann man die prächtig bemalten Fassaden des Rathauses bewundern. Auf den hügeligen und bergigen Strecken ausserhalb der Stadt werden die Bremsen des Plymouth auf eine harte Probe gestellt. Das Fahrwerk und die Trommelbremsen des in Auburn Hills, Michigan, entwickelten Amerikaners waren, obwohl in der Schweiz hergestellt, nicht für die Schweizer Topografie ausgelegt. Die fehlende Anpassung und die Grösse der amerikanischen Fahrzeuge hatten die Amag damals dazu bewogen, sich auf die Montage und den Import anderer Fahrzeuge wie des Karmann-Ghia zu konzentrieren.

Trotz der 650 Schilder, die auf die Route der Grand Tour hinweisen, gibt es immer noch einige Stellen, an denen die Schilder fehlen. Seis drum, denn so entdecken wir auch immer wieder neue Ausblicke, die einem vor lauter Schönheit einen Schauer über den Rücken jagen. Dann etwa, wenn der Zürichsee langsam vor uns auftaucht.
Um in die Wirtschaftsmetropole zu gelangen, fahren wir mit dem Plymouth auf den Damm zwischen Pfäffikon im Kanton Schwyz und Rapperswil im Kanton St. Gallen. Der Zürichsee wird umrundet und eine Reihe schicker Quartiere durchquert: Männedorf, Meilen, Herrliberg, Erlenbach und schliesslich Küsnacht, das Ziel unserer 317 Kilometer langen Etappe. Es war nur ein kurzes Teilstück der Grand Tour of Switzerland, doch im Genusstempo gefahren lang genug. Und so sparen wir uns den Rest der Route für ein andermal auf – schliesslich hat die Schweiz noch mehr eigene Autos zu bieten.
Dieser Artikel stammt aus der «Automobil-Revue» – www.automobilrevue.ch

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