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Anklage publik: Thomas N. hatte die nächsten Opfer bereits angerufen

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Der vierfache Mord war ihm offenbar nicht genug. Wie die 20-seitige Anklageschrift im Fall Rupperswil zeigt, die das Bezirksgericht Lenzburg heute Morgen veröffentlicht hat, begann Thomas N. bereits kurz nach seiner Tat vom 21. Dezember 2015 mit der Planung weiterer, gleichgelagerter Verbrechen. Er suchte im Internet nach Knaben, welche dem jüngsten Opfer von Rupperswil ähnlich sahen. An diesem hatte er sich sexuell vergangen, bevor er ihm die Kehle durchschnitt.

In einem Notizbuch legte der damals 32-Jährige Thomas N. fein säuberlich Bilder von 11 Jungen ab, allesamt zwischen 11 und 15 Jahre alt, versehen mit Namen und anderen Informationen wie Wohnort und Schule. Bei zwei dieser potentiellen Opfer ging er noch weiter: Zu einem Buben aus dem Kanton Bern tätigte der Beschuldigte bereits am 27. Dezember 2015 Recherchen im Internet – nur sechs Tage nach dem Vierfachmord. Im Januar 2016 begab er sich fünf Mal in die Nähe des Wohnortes des Jungen, um den Tagesablauf der Familie zu eruieren. An zwei Tagen rief Thomas N. die Festnetznummer der Familie an.

In der Anklageschrift heisst es: «Der Beschuldigte hatte den Plan, wiederum die Familie in seine Gewalt zu bringen, die einzelnen Personen festzuhalten, so die Herausgabe von Geld und anderen Handlungen zu erzwingen.» Und weiter: Thomas N. habe geplant, mit dem Buben gegen dessen Willen sexuelle Handlungen vorzunehmen, die Familienmitglieder zu töten und deren Haus in Brand zu setzen.

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Die Tat schockierte die Gemeinde Rupperswil: Bewohner gedenken der Opfer mit Kerzen. (24. Dezember 2015)
Im Verhandlungssaal erläutern die Psychiater ihre Gutachten, vor dem Gebäude harren Medienvertreter aus.
Mediensprecherin Nicole Payllier, Gerichte Kanton Aargau, beantwortet Fragen.

Gleich ging der Beschuldigte bei einem Buben aus dem Kanton Solothurn vor. Auch bei ihm spazierte Thomas N. im Januar 2016 durch das Wohnquartier, spionierte den Tagesablauf der Familie aus. Konkret schrieb er in sein Notizbuch: «Di 7:40 alle zuhause, wach». Auch sie rief er zuhause an. Als jemand ans Telefon ging, gab er an, sich verwählt zu haben. Er recherchierte im Internet zur Familie – ebenso zu den Öffnungszeiten einer Bank in der Nähe. Bereits in Rupperswil hatte er die Mutter der Familie genötigt, Bargeld an zwei Bancomaten in der Nähe abzuheben.

Mit List ins Haus gelangt

Den Zugang zum Haus am Morgen des 21. Dezember 2015 hatte Thomas N. sich mit einem gefälschten Brief der Kreisschule Buchs-Rohr verschafft. Er gab sich als Mitarbeiter des Schulypsychologischen Dienstes der Schule aus. Der Angeklagte hatte schon länger einen Blick auf den 13-jährigen Sohn der Opferfamilie geworfen, wie aus der am Montag veröffentlichten Anklageschrift hervorgeht. Der Beschuldigte habe seit vielen Jahren um seine pädophile Veranlagung gewusst.

Mit zuvor gekauften «Sexspielzeugen» missbrauchte er den Jugendlichen mehrfach – und machte dabei Aufnahmen. Der Beschuldigte lud gemäss Anklageschrift die von ihm gemachten Fotos und Filmaufnahmen, welche die sexuellen Handlungen mit dem Jugendlichen zeigen, noch am Tag des Vierfachmordes von seinem Mobiltelefon auf seinen Laptop.

Täter schaute sich Aufnahmen immer wieder an

Die Aufnahmen der sexuellen Handlungen seien für die Zukunft gedacht gewesen. Wie aus der Anklageschrift weiter hervorgeht, schaute sich der Schweizer diese immer wieder an – letztmals am 6. Mai 2016. Sechs Tage später wurde er in Aarau verhaftet, 146 Tage nach dem Gewaltverbrechen.

Bei den Opfern des brutalen Vierfachmordes handelt es sich um eine 48-jährige Frau, deren Söhne im Alter von 13 und 19 Jahren sowie um die 21-jährige Freundin des älteren Sohnes.

Gemäss Anklageschrift tötete der Angeklagte zunächst den 19-Jährigen, dann dessen Freundin und die 48-jährige Frau. Zuletzt brachte er den 13-Jährigen um. Die Tatwaffe war ein zuvor gekauftes Messer, mit dem er den Opfern die Kehle durchschnitt. Um die Spuren zu verwischen, hatte er im Rucksack auch sechs Flaschen Fackelöl dabei. Dieses schüttete er in den Räumen aus und zündete es an.

Weitergelebt, als wäre nichts gewesen

«Das Leben des Beschuldigten verlief weiter wie vor der Tat», heisst es in der Anklageschrift. Nach dem Gewaltverbrechen war der Mann nach Hause gegangen. Er wohnte bei seiner Mutter in der Nähe des Tatorts in Rupperswil. Während die Feuerwehr versuchte, den Brand zu löschen, duschte er. Im Laufe des Nachmittags machte er mit seiner Mutter einen Spaziergang mit seinen zwei Husky-Hunden. Am Abend ging er mit zwei Kollegen nach Zürich in den Ausgang.

Das Geld, welches die Frau an zwei Bancomaten abgehoben hatte, verwendete er für das Nachtessen in Zürich am Tag des Verbrechens, für Tierarztrechnungen und für Krankenkassenprämien. Zudem finanzierte er seiner Mutter zum 60. Geburtstag eine Reise nach Paris.

Ab morgen steht der Beschuldigte vor dem Bezirksgericht Lenzburg. Die Strafanträge gibt die Staatsanwaltschaft erst während des Prozesses bekannt. Er findet aus Platzgründen in einem Saal der Kantonspolizei Aargau in Schafisheim AG statt und dauert voraussichtlich vier Tage. Falls das nicht reicht, wurde für den 21. März ein Reservetag festgesetzt.

Der Prozess findet aus Platzgründen in einem Saal der Kantonspolizei Aargau in Schafisheim AG statt. Falls vier Tage nicht ausreichen, wurde für den 21. März ein Reservetag festgesetzt. Das Interesse an der Gerichtsverhandlung ist gross: Erwartet werden 65 Medienschaffende, auch aus dem Ausland, die übrigen 35 Plätze wurden an Privatpersonen vergeben. Laut Gericht hatten sich über 200 weitere Personen angemeldet, mussten aber abgewiesen werden. Die nötige Auswahl sei auch «mit dem Ziel eines möglichst ausgewogen durchmischten Zuschauerkreises vorgenommen» worden.

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Video: «Warum mussten die vier Menschen sterben?»