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Wunder der Evolution
Fünfarmige Köpfe krabbeln über den Meeresboden

«Es ist, als ob der Seestern keinen Rumpf hätte und am besten als Kopf beschrieben werden könnte»: Exemplar der Art Patiria miniata.
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Seesterne bestehen aus entwicklungsbiologischer Perspektive fast nur aus Kopf. Das schreiben US-Forschende im Fachjournal «Nature». Bislang gab die Anatomie der Seesterne der Wissenschaft Rätsel auf. Der sternförmige Aufbau mit fünf identischen Armen lässt zunächst offen, wo sich Kopf und Körper befinden. Unter Wissenschaftlern führte das schliesslich zu der Vermutung, dass Seesterne vielleicht gar keinen Kopf haben.

Das US-Team kommt nun mit molekularbiologischen Methoden zu einem gegenteiligen Befund. «Es ist, als ob der Seestern keinen Rumpf hätte und am besten als Kopf beschrieben werden könnte, der über den Meeresboden krabbelt», erklärt Hauptautor Laurent Formery von den Universitäten Stanford und UC Berkeley. «Das ist ganz und gar nicht das, was Wissenschaftler über diese Tiere angenommen haben.»

Das Team um Formery hatte untersucht, in welchen Körperpartien des Seesterns verschiedene Gene während der Entwicklung und des Wachstums exprimiert werden. Die Aktivität bestimmter Gene ist dabei in der Tierwelt charakteristisch für die Ausbildung der verschiedenen Körperteile wie Kopf, Rumpf oder Schwanz. Anhand der genauen Kartierung der Genexpression lässt sich dieser Teil dann einem Körpersegment zuordnen.

Mithilfe dieser Technik konnte das Team für junge Seesterne der Art Patiria miniata eine dreidimensionale Karte der Genexpression erstellen und festlegen, in welchem Abschnitt Gene für die Bildung eines bestimmten Körperteils aktiv waren. Erstaunlich für die Gruppe war, dass kein genetisches Muster für die Ausbildung einer Rumpf-Region gefunden wurde.

Seesterne stülpen ihren Magen zum Fressen nach aussen

Das Team um Formery wählte für seine Forschung einen anderen Ansatz als frühere Untersuchungen: Statt genauestens die Anatomie unter die Lupe zu nehmen, entschieden sie sich für einen molekularen Fokus. «Untersuchungen dieser Art hätten früher Monate gedauert. Jetzt können sie innerhalb weniger Stunden erledigt werden und sind hundertmal günstiger als noch vor fünf Jahren», erklärt David Rank, Co-Autor der Studie.

Fast alle Tiere, einschliesslich des Menschen, haben einen bilateralen, symmetrischen Körperbau und können entlang einer einzigen Achse, die vom Kopf zum Schwanz verläuft, in zwei spiegelbildliche Hälften geteilt werden. Kopf, Rumpf und Schwanz sind deutlich zu identifizieren.

Auch die ältesten bekannten Fossilien von Stachelhäutern, zu denen die Seesterne gehören, verfügen über einen derartigen Körperbau. Warum es im Laufe der Evolution zu dem einzigartigen Aufbau der Seesterne kam, ist noch nicht abschliessend geklärt.

«Es ist wirklich eine radikale Transformation des ursprünglichen Körperplans. Gemäss unserem Modell sind Stachelhäuter wie Seesterne und Seeigel eines der extremsten Beispiele für die Entkoppelung von Rumpf und Körper, das wir heute kennen», schreiben die Studienautoren. Seesterne sind in vielerlei Hinsicht besonders: Sie besitzen weder Blut noch Hirn und stülpen ihren Magen zum Fressen nach aussen. Seit rund 480 Millionen Jahren bevölkern sie in der heutigen Form die Weltmeere – und das sehr erfolgreich: Weltweit gibt es rund 1600 verschiedene Arten.