Kinder befragen Amir Abrashi«Ich wollte mit Ronaldo tauschen, aber er gab sein Trikot nicht her»
Der GC-Captain stellt sich am Zukunftstag 22 Kindern im Interview. Dabei verrät der 33-Jährige, was er nach Niederlagen zu Hause tut. Und dass er immer hinter seinem guten Freund Xherdan Shaqiri steht.

Amir Abrashi hat extra noch die Clubjacke angezogen, um ein Zeichen zu setzen. Er ist nicht der Einzige, wie er bald erkennen muss.
Es ist Zukunftstag, auf der Sportredaktion dieser Zeitung warten 22 Kinder, um den GC-Captain zu interviewen. Und ein paar Buben ziehen kurz vor Gesprächsbeginn ihr FCZ-Oberteil aus der Tasche, um klarzumachen, wem ihr Herz gehört.
Die Kinder spielen Fussball oder Unihockey, sie tanzen oder schwimmen. Sie fanen für Manchester City, Real, Bayern und den FCZ, aber nicht für GC – zumindest nicht vor dem Gespräch. Danach aber stehen auch die Jungs mit den FCZ-Trikots in der ersten Reihe, um Autogramme zu holen und mit Abrashi ein Selfie zu machen. Er hat sie im Interview mit seiner sympathischen Art und Offenheit für sich gewonnen.
Warum sollte ein guter Fussballer für GC spielen?
GC ist Rekordmeister und Traditionsclub, GC ist älter als der FCZ. Als ich zu GC kam (2010 von Winterthur), war ich mit dem Club sehr schnell verbunden. Ich könnte mir nicht vorstellen, für den FCZ zu spielen.
Wie viel Geld müsste man dir bezahlen, damit du zum FCZ wechseln würdest?
Da kannst du mir geben, was du willst. Es geht bei diesem Entscheid auch um Stolz und Ehre. Ich würde für kein Geld zum FCZ. GC ist mein Club, bei GC bin ich mit dem Herzen zu 100 Prozent dabei, das lässt sich mit Geld nicht einfach ändern. Ein Wechsel würde auch bei den Fans nicht gut ankommen.
Was ist es für ein Gefühl, bei einem Derby aufzulaufen?
Die Derbys sind in der Meisterschaft die besten Spiele. Dann ist der Letzi voll, dann sind viele Emotionen dabei. Spiele gegen Basel sind auch reizvoll, aber Derbys sind etwas ganz Besonderes. Der Druck ist definitiv grösser. Ich bin angespannter und möchte mit meiner Mannschaft die Nummer 1 in der Stadt sein. Niederlagen gegen den FCZ schmerzen mehr als andere.
Was machst du, um nach einer Niederlage wieder gut gelaunt zu sein?
Niederlagen bereiten mir grosse Mühe. Ich brauche ein bis zwei Tage, bis ich sie verdaut habe. Ich schliesse mich zu Hause ein und will am liebsten gar nicht raus. Ich warte aufs nächste Training, damit ich den Fokus aufs nächste Spiel ausrichten kann.
Hast du Kollegen beim FCZ?
Nein, nicht mehr. Früher spielte Admir Mehmedi beim FCZ. Vor und nach dem Match waren wir Freunde, während des Spiels allerdings nicht. Er foulte mich ab und zu, das machte mich wütend. Sonst? Blerim Dzemaili kenne ich gut, Adrian Nikci oder Berat Djimsiti. Aber die sind alle nicht mehr da.

Was würde dir ein neues Stadion in Zürich bedeuten?
Sehr viel – nicht nur mir, sondern auch vielen anderen. Wir haben sehr viele Fans, die nicht mehr ins Stadion kommen, weil der Letzigrund nicht unser Stadion ist. Wir brauchen den Hardturm wieder!
Was hältst du von der Idee, dass GC und der FCZ fusionieren könnten?
Ich finde es super, wie es ist. Es braucht die Rivalität zwischen den beiden Clubs. Aber was es nicht braucht, ist Gewalt zwischen den Fans.
Mit wem würdest du gerne zusammenspielen?
Meine Antwort geht in eine andere Richtung: Ich hätte gerne einmal für Bayern München gespielt, ich war schon als Kind Fan dieses Clubs und bin es noch immer. Es war für mich nur schon ein Highlight, gegen die Bayern zu spielen.
Was war dein emotionalstes Spiel?
Sicher der Cupfinal 2013 mit dem Sieg gegen Basel, es war mein erster Titel mit GC. Oder die EM 2016. Wir hatten uns mit Albanien erstmals für ein grosses Turnier qualifiziert und trafen im ersten Gruppenspiel ausgerechnet auf die Schweiz mit meinen Kollegen Xherdan Shaqiri und Granit Xhaka. Das war sehr emotional. In besonderer Erinnerung habe ich auch einen Match gegen Portugal mit Cristiano Ronaldo.
Die Schweiz gewann an der EM 1:0, haben dich Shaqiri und Xhaka danach getröstet?
Getröstet nicht, aber tatsächlich war es so, dass ich nach dem Turnier mit Xherdan in die Ferien ging. Seine Familie kommt wie bei mir ursprünglich aus Kosovo. Er ist ein Freund von mir. Die Schweiz war gegen Polen ausgeschieden – wir haben uns also gegenseitig getröstet. (lacht)
Wie fandest du Shaqiris Aktion an der WM 2018 gegen Serbien, als er den Doppeladler zeigte?
(schmunzelt) Ich stehe zu ihm und unterstütze ihn – egal wobei. Wenn ein Spieler ein Tor erzielt, hat er die Emotionen nicht immer im Griff, manchmal passieren Dinge einfach. Das gehört zum Fussball.

Was hat es dir bedeutet, für Albanien zu spielen?
Sehr viel. Ich erlebte, welche Emotionen der Fussball in Albanien auslösen kann. Nachdem wir uns für die EM qualifiziert hatten, kamen die Leute zusammen und feierten, die Strassen waren voll. Diese Freude zu ermöglichen und mitzuerleben, das war einer der schönsten Momente meiner Karriere, sehr emotional.
Welches ist das grösste Stadion, in dem du je gespielt hast?
Das Stadion in Dortmund. Ich war fünfeinhalb Jahre bei Freiburg, während dieser Zeit habe ich in allen Bundesliga-Stadien gespielt. Marseille war auch toll, da war ich während der EM 2016. Das grösste Erlebnis aber war Dortmund.
Wann kam der Moment, in dem du wusstest, dass du Fussballprofi werden willst?
Schon früh. Zuerst war es aber nur ein Traum. Ich wusste auch, dass ich zuerst eine Lehre oder Ausbildung machen muss. Als ich dann bei Winterthur in die erste Mannschaft kam (in der Saison 2007/08), spürte ich, dass ich meinem Traum immer näher kam. Winterthur spielte damals noch in der Challenge League, ich wollte noch weiter nach oben. Der Wille allein genügt aber nicht. Es braucht vollen Einsatz, ich musste auch Rückschläge einstecken und durfte trotzdem nicht aufgeben.
War es schwierig, neben der Schule zu trainieren?
Ja, die Doppelbelastung war eine Herausforderung. Ich habe nach der Schule eine Lehre als Anlage- und Apparatebauer gemacht. Kennt ihr diesen Beruf? Schweissen? Nicht? Es war eine anstrengende, aber auch eine gute Zeit. Ich wusste ja damals nicht, wie weit es für mich im Fussball gehen wird. Es kann immer etwas schieflaufen. Häufig kam ich erst um 22 oder 23 Uhr nach Hause, ging um 6 Uhr wieder aus dem Haus und nach der Arbeit direkt ins Training. Ich lernte während dieser Zeit viel über Disziplin und Planung. Ich bin stolz darauf, eine Lehre absolviert zu haben, das sage ich auch jungen Spielern.
Warum eigentlich Fussball und nicht Eiskunstlauf?
(schmunzelt) Eiskunstlauf ist ein sehr schöner Sport. Beim Eiskunstlauf braucht es Finesse, ich bin aber eher der Typ Kämpfer und hätte das Eis wohl zerstört. Eishockey wäre eher etwas für mich gewesen, allerdings haben die Spieler da schnell ein paar Zähne weniger.
Was ist dein Ritual vor dem Spiel?
Ich habe kein klassisches Ritual. Aber ob Auswärts- oder Heimspiel, ich bereite mich schon morgens spezifisch auf den Match vor. Ich wärme mich auf, mache Übungen, etwas Stretching, gehe joggen, damit ich später nicht von 0 auf 100 bereit sein muss.
Schmerzt es nicht, wenn ein Ball mit 100 km/h auf dich zukommt und du einen Kopfball machst?
Das kann schon wehtun. Aber das pusht mich nur noch mehr.
In deiner Jugend hast du beim FC Weinfelden-Bürglen gespielt. Gehst du einmal zurück zu diesem Club?
Nein, nein, mit dem Kanton Thurgau habe ich abgeschlossen. (lacht) Nein, im Ernst: Man darf nicht vergessen, woher man kommt. Ich bin in Bischofszell aufgewachsen, das kennt wahrscheinlich niemand von euch. Ich habe in Weinfelden die Sportschule besucht, das war ein grosser Schritt für mich. Ich erinnere mich gerne zurück, aber nach GC wird es für mich als aktiver Fussballer nichts mehr geben.
«Ich bin einer, der nur für den Matchtag lebt. Wenn wir gewinnen, bin ich der glücklichste Mensch.»
Was sagst du dazu, dass es unter den Kindern und Jugendlichen viel mehr FCZ- als GC-Fans gibt?
Schade. Aber das liegt auch an uns. Der FCZ wurde Meister, es gab einen Trend. Wir müssen jetzt versuchen, diesen Trend zu brechen. Wir müssen schauen, dass junge Leute wie ihr wieder zu GC finden. Dafür müssen wir Resultate liefern und Erfolg haben, nur ist das nicht immer so einfach.
Wirst du in der Öffentlichkeit oft angesprochen? Und wenn ja: Wie ist das?
Ja, das passiert. Ich nehme mir gerne Zeit, wenn jemand ein Foto machen möchte. Diese Anerkennung zu bekommen, ist schön und macht stolz. Wenn mich die Leute dann einmal nicht mehr kennen, habe ich eher ein Problem.
Wenn du einen Wunsch frei hättest, wie würde er lauten?
Das nächste Spiel zu gewinnen. Das ist wirklich so, kein Witz. Ich bin einer, der nur für den Matchtag lebt. Wenn wir gewinnen, bin ich der glücklichste Mensch.
Wem hättest du den Ballon d’Or gegeben?
Messi hat die Trophäe verdient, er gewann mit Argentinien ja auch die WM.
Aber als Iniesta mit Spanien die WM gewann, holte Messi den Ballon d’Or, nur weil er mehr Tore erzielte. Jetzt holte Messi die WM, aber Haaland schoss mehr Tore. Warum hat also Messi gewonnen?
(lacht) Du wirst einmal Journalist, den müsst ihr unter Vertrag nehmen! Ich weiss nicht, was genau hinter dieser Wahl steckt. Es sind alles herausragende Fussballer, und Haaland wird den Ballon d’Or noch gewinnen. Ich habe gegen ihn gespielt, als er noch in Dortmund war – eine Maschine!
Messi oder Ronaldo?
Beides sind fantastische Spieler. Messi hatte mehr Talent, aber ich bin eher bei Ronaldo, weil er für seine Erfolge härter arbeiten musste, weil er so viel für seinen Körper gemacht hat. Darum spielt er auch jetzt mit 38 noch.
Was hältst du davon, dass wie Ronaldo viele Spieler nach Saudiarabien wechseln?
Das ist speziell. Es geht halt um viel Geld, das kann niemand leugnen und auch niemand ändern.
Würdest du gerne mal mit Ronaldo das Trikot tauschen?
Ich wollte mit ihm tauschen, aber er gab sein Trikot nicht her, niemand von uns bekam es. Es war schön, gegen ihn zu spielen, seine Ausstrahlung ist riesig. Gegen Iniesta spielte ich auch, aber Ronaldo ist noch einmal ein anderes Kaliber. Da wurde ich kribbelig.
Hast du schon einmal mit jemandem Trikots getauscht oder Fotos gemacht?
Ich habe ein paar Trikots geholt, ja. In der Bundesliga zum Beispiel von den damaligen Bayern-Spielern Ribéry oder Robben – oder von Akanji, als er bei Dortmund war. Das sind schöne Erinnerungen.
Wer war dein Idol als Kind?
Zinédine Zidane, aber nicht wegen der Kopfnuss!
Was ist das Schönste am Fussball?
Es ist ein Mannschaftssport. Wir arbeiten zusammen, ich kann die ganze Energie rauslassen. Und im Spiel vergesse ich alles, habe keine Sorgen und erlebe nach Siegen die schönsten Emotionen. Das werde ich nach meiner Karriere vermissen.
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