Die unbekannteren Seiten der Tina TurnerAls sich Tina Turner in die Schweizer Politik einmischte
Wie trainierte Tina Turner ihre Beine? Wo stand sie politisch? Und wie verlief ihre Einbürgerung? Spurensuche zu einem Menschen, der nicht viel von sich preisgab.
Ihre politische Gesinnung
Es gab Zeiten, da kam kaum eine amerikanische Kulturschaffende umhin, sich zu einem politischen Lager zu bekennen. Tina Turner hielt sich dahingehend vornehm zurück. Nach der Wahl von Barack Obama soll sie an einem Konzert jubelnd verkündet haben: «Wir haben einen neuen Präsidenten!», was allgemein als Sympathiebekundung verstanden wurde. 2013 meldete sie sich immerhin zu einer helvetischen Initiative zu Wort. Die FDP hatte im Sinn, die Leerträgervergütung auf CDs abzuschaffen, was die Urheber von Musik viel Geld gekostet hätte. «Tina Turner ist gegen die Abschaffung der Leerträgervergütung», lautete das dürre Statement, das per Mail aus dem Hause Turner verschickt wurde.
Ihre Beziehung zu den USA
Trotz diverser Grammy-Gewinne, Platin-Auszeichnungen und sonstiger Huldigungen erstaunt es, dass keines der Soloalben von Tina Turner auf Platz 1 der amerikanischen Charts landete. So sagte Tina Turner einmal, dass sie Europa den USA vorziehe, denn in Amerika sei nichts mehr von Dauer. Nach zwei Monaten gelte eine Platte bereits als alt.
Ihre Beine
Tina Turners Beine waren vermutlich die meistbeachteten der Popgeschichte. Sie sollen bei Lloyd’s of London über unbestätigte 3,5 Millionen Franken gegen Schäden versichert worden sein. Und sie seien übrigens nicht das Resultat ausdauernder Muskelstudio-Sessions oder eines speziellen Turnprogramms gewesen, wie man stets glaubte. Nein, sie sollen durch das jahrelange Tragen hochhackigen Schuhwerks ganz von selbst dergestalt in Form gekommen sein, hat Tina Turner einmal verraten.
Ihre Einbürgerung
Spätestens seit dem Film «Die Schweizermacher» ist bekannt, dass es zuweilen nicht ganz einfach ist, die schweizerische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Doch wie lief das im Falle von Tina Turner ab? In ihrer Autobiografie beschreibt sie ihren Auftritt vor der Einbürgerungsbehörde im Jahr 2012 als ziemlich einschneidend: «Da war ich nun schon vor Millionen von Menschen aufgetreten, ohne das geringste Lampenfieber zu empfinden, doch als ich vor dieser Gruppe stand, sank mir das Herz in die Hose.» Der Versuch, die Gemeindevertreter mit Lutschpastillen zu bestechen, sei kläglich missraten, sehr gut angekommen sei hingegen, dass sie sich über den Schweizer Psalm kundig gezeigt habe: «Wieder einmal hatte mich ein Song gerettet», schrieb sie in ihrem Buch.
Tina Turner und die Diskretion
Nach ihrem Umzug in die Schweiz wurden Stimmen laut, die sie der Steuerflucht bezichtigten. Am 7. Februar 1995 trat sie vor die heimische Presse und versuchte, diesen Eindruck zu dementieren. Der wirkliche Grund für den Umzug sei einerseits, dass ihr Lebenspartner Erwin Bach zum Marketing Director von EMI Schweiz befördert worden sei. «Und hier ist es so ruhig, die Luft so frisch; mir gefällt es hier. Es ist der ideale Ort, um sich nach einer langen Tournee zu erholen.» Sie richtete ihrer Gemeinde aber auch aus, dass man von ihr nicht allzu viel mitbekommen werde: «Zu Hause singe ich nicht, auch nicht in der Badewanne», sagte sie, Einkaufsbummel wolle sie diskret abwickeln und möglichst keine Bodyguards aufbieten müssen. Eine Ankündigung, die sie eingehalten hat.
Was sie an der Schweiz beeindruckte
Neben der Luft, der Ruhe und der Zurückhaltung der heimischen Bevölkerung soll Tina Turner von den «edlen Damen auf dem Zürichberg» – ihrer ersten Adresse in der Schweiz – beeindruckt gewesen sein: «Ich lerne von den feinen Ladys dort. Ich schaue ihnen ab, so viel ich kann», sagte sie einst in einem Interview. Etwas schwerer tat sie sich mit der Zürcher Drogenszene: «Ich weiss Bescheid über das Zürcher Drogenproblem», sagte sie 1995 dem «Blick». «Als ich letztes Jahr hier war, sind mir die Drogenwracks sogar auf der Bahnhofstrasse aufgefallen. Jetzt sieht man viel weniger Süchtige in der Stadt. Es freut mich, wenn die Stadt Zürich das Drogenproblem in den Griff bekommt.»
«Rock ’n’ Roll hat nun mal viel mit Sex zu tun, und mir wäre nie in den Sinn gekommen, wie eine Nonne zu singen.»
Ihr letztes Studioalbum
Auch wenn heute einhellig die Wucht und der Glamour von Tina Turners Karriere hervorgehoben werden, hinkte ihr letztes Studioalbum «Twenty Four Seven» hinter den Erwartungen ihrer Plattenfirma und vieler Fans her und schnellte nur in der Schweiz auf Platz 1 der Hitparade. In den US-amerikanischen Billboard Charts reichte es nur noch für Platz 21. Das Album wurde auch von der Kritik skeptisch betrachtet: Sehr streng ging der amerikanische «Rolling Stone» mit der Produktion ins Gericht, wobei hier, wie in fast allen Kritiken, immerhin die Stimme von Tina Turner lobend hervorgehoben wurde: «Sie fegt durch die elf generischen Tracks mit der Kraft eines Tornados, der durch einen Wohnwagenpark peitscht. Die kitschigen synthetischen Arrangements – ein fehlgeleiteter Versuch, zeitgemäss zu sein? – machen die Sache nur noch schlimmer. Seit ihrem dramatischen und wohlverdienten Comeback im Jahr 1984 hat sie sich immer mehr auf blitzsaubere Produktionen und mittelmässige Popkost verlegt.»
Ihre Allüren
Das wohl Verblüffendste an diesem Menschen war, dass es niemanden gab, der auch nur ein schlechtes Wort über Tina Turner verlor. Leute, die sie kannten, berichten von einer grossen Herzlichkeit und Wärme, die ihr eigen gewesen seien. Skandale gab es – ausser in ihrer dunklen Phase der Drogensucht – keine. Die einzige Extravaganz, die sie sich geleistet hat, ist aus Köln überliefert: Sie lebte dort zurückgezogen in einer Villa und wollte eines Novembers ihren Geburtstag in weisser Kulisse feiern. Da kein Schnee lag, soll sie laut einer Nachbarin ihr Anwesen kurzerhand mittels herbeigekarrten Kunstschnees in eine imposante Winterlandschaft verwandelt haben.
Ihre Sponsoren
Ihren spektakulärsten Werbedeal schloss Tina Turner mit dem Süssgetränkefabrikanten Pepsi ab. 1987 drehte sie für die Firma zusammen mit David Bowie einen etwas rätselhaften Werbespot. Die Handlung: David Bowie hantiert an einer sonderbaren Hi-Tech-Maschine, füttert diese mit Bildern und einem Damenschuh, kippt ungeschickterweise eine Flasche Pepsi ins Maschinengetriebe, worauf das Ding explodiert und eine aufreizend gekleidete Tina Turner hervorbringt, welche dann vor dem Pepsi-Signet mit Bowie ein Duett zum Hit «Modern Love» tanzt. Andere Sponsoren waren naheliegenderweise die Strumpfmarke Hanes Hosiery, Giorgio Armani und – etwas weniger naheliegenderweise – die deutsche Bierbrauerei Warsteiner.
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Das Fernseh-Embargo
Es gab Zeiten, da galt ein Auftritt von Tina Turner im öffentlich-rechtlichen Fernsehen als nicht opportun. So berichtete der Moderator Dietmar Schönherr einst, dass ihm die Sendeanstalten ORF und ZDF einen geplanten Auftritt von Ike und Tina Turner in der Sendung «Wünsch Dir was» (1969 bis 1972) untersagten. Die beiden seien «zu sexgeladen».
Frausein im Popbusiness
Tina Turner hat zeitlebens gegen den grassierenden Machismo im Musikbetrieb angekämpft. So wurde sie beispielsweise dafür kritisiert, dass sie in ihrem Song «In Your Wildest Dreams» den spanischen Gastperformer Antonio Banderas zu brünstigen «Amor, Amor»-Schmachtlauten angestachelt habe und dass sich solches Songmaterial für eine ältere Dame wie sie nicht mehr anbiete. Das geschah notabene in Zeiten, in denen ein alternder Mick Jagger Zeilen wie «I wanna fuck your sweet ass» dichtete oder ein greiser John Lee Hooker den Koitus besang: Tina Turner zeigte sich solchen Einwänden gegenüber trotzig: «Ich weiss, dass ältere Frauen im Rock ’n’ Roll nichts verloren haben. Als Mann geht das vielleicht noch, als Frau aber nicht», sagte sie in einem Interview, um gleich nachzuschieben: «Ich aber werde bestimmt noch mit 90 Musik machen.» Und weiter: «Rock ’n’ Roll hat nun mal viel mit Sex zu tun, und mir wäre nie in den Sinn gekommen, wie eine Nonne zu singen – aber vulgär war ich nie.»
Ihre Übernamen
Die beiden verbreitetsten Übernamen der Tina Turner sind «The Queen of Rock ’n’ Roll» oder «The Voice». Sie wurde auch als «erster weiblicher Superstar» bezeichnet oder als «The hardest working legs in showbusiness». Keith Richard nannte sie «Mutter Teresa des Rock ’n’ Roll», und auf dem Filmset zu «All That Glitters» wurde sie «Zehn-Millionen-Dollar-Baby» genannt, nachdem bekannt worden war, dass sie aus Angst, bei den Dreharbeiten verletzt zu werden, eine hoch dotierte Versicherung abgeschlossen hatte.
Ihr Einfluss
Heute wird viel darüber debattiert, dass es dem Popzirkus an weiblichen Vorbildern fehlt. Tina Turner war das Paradebeispiel eines solchen Leitbilds. Beyoncé sagte, dass Tina Turners Karriere eine Art Leitfaden für sie gewesen sei. Janet Jackson bezeichnete Turner als ihre grösste Inspiration, wegen ihrer Stärke und ihres Selbstbewusstseins. Rihanna liess sich von Turners Bühnenpräsenz beeinflussen, und Whitney Houston war ein bekennender Fan.
Musikalisch wird Tina Turner eher nicht als Innovatorin in die Geschichte eingehen, sondern primär als eine staunenswerte Performerin. Das rührt daher, dass sie sich – wie viele andere Popsterne übrigens auch – die meisten ihrer Songs von bewährten Songschreibern und Hitproduzenten schreiben liess und diese bloss interpretierte. So wunderte sich ein Kritiker 1984 bei der Würdigung des grossen Comeback-Albums «Private Dancer» über die «vielen Coverversionen» auf dem Album. Der Titeltrack sei ein Song von Mark Knopfler, der diesen für die Dire Straits geschrieben, dann aber wieder vom Album entfernt habe, weil er thematisch keine Lust mehr auf den Song verspürt habe. Dass Tina Turners Songs dermassen gut die Launen der Zeit überstehen würden, ahnte damals kaum jemand. Dies ist einzig und allein ihrer extraordinären Stimme und ihrem unendlichen Charisma geschuldet.
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