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Aerodynamik
Turbulenzen bei der Autoentwicklung

Da computergestützte Simulationen immer noch an Grenzen stossen, sind Windkanaltests für neue Fahrzeuge weiterhin unerlässlich.
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Als vor mehr als 40 Jahren Audi den neuen A 100 mit dem damals für eine Limousine sensationellen Luftwiderstandsbeiwert (Cw) von 0,30 vorstellte, lenkte das den Blick der breiten Öffentlichkeit aufs Thema Aerodynamik. Die Wissenschaft, die die Bewegung eines Objekts in einer gasförmigen oder flüssigen Umgebung untersucht, spielte zuvor überwiegend im Rennsport oder bei leistungsstarken Sportwagen eine Rolle. Steigende Leistungswerte der Motoren, höhere gefahrene Geschwindigkeiten selbst mit Alltagsautos und schliesslich auch die Anforderungen, den Verbrauch und damit die CO₂-Emissionen zu senken, rückten die Aerodynamik immer stärker in den Fokus.

Der Wechsel auf die Elektromobilität verstärkt die Bedeutung der Aerodynamik zusätzlich. Denn mit ihrem Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent sind Elektromotoren weitaus effizienter als Verbrennungsmotoren, deren Effizienz im Idealfall 40 Prozent beträgt. Dieser Effizienzunterschied verschiebt die Bedeutung der Aerodynamik, erklärt Thomas Wiegand, Leiter Aerodynamik in der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Porsche: «Für ein Fahrzeug mit einem Diesel- oder Benzinmotor machen die Verluste durch Aerodynamik weniger als zehn Prozent im WLTP-Fahrzyklus aus.» Damit kann man den Hauptteil der Energieverschwendung dem Verbrennungsmotor zuschreiben. Bei einem Elektrofahrzeug sieht die Situation anders aus. Die Verluste durch Aerodynamik lägen da im WLTP-Fahrzyklus zwischen 30 und 40 Prozent, meint Wiegand. «Da Fahrzeuge in der realen Welt normalerweise schneller fahren, kann dieser Wert noch höher sein, vielleicht sogar bis zu 50 Prozent.»

Entscheidend für die Reichweite

Der Luftwiderstand spielt also eine entscheidende Rolle für den Energieverbrauch, insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten. «Da der Luftwiderstand mit steigender Geschwindigkeit exponentiell zunimmt, spielt er eine entscheidende Rolle beim Verbrauch, insbesondere auf der Autobahn», weiss Marcel Straub, leitender Ingenieur für Aerodynamik und Wärmemanagement bei Porsche. Viele Experten betrachten den Luftwiderstand als den zweitwichtigsten Faktor für die Reichweite eines E-Fahrzeugs, nach der Batteriekapazität natürlich. Diese kann man zwar erhöhen, um die Reichweite zu verlängern, doch das ist nicht die beste Lösung, sagt Wiegand: «Anstatt Geld in eine grössere Batterie zu stecken, ist es besser, es in aerodynamische Elemente zu investieren.» Das macht das Auto nicht nur umweltfreundlicher, sondern vor allem auch leichter.

Der VISION EQXX zeigt, wie sich Mercedes-Benz die Zukunft des Elektroautos vorstellt. Der Mercedes-Benz VISION EQXX fährt über 1.000 km mit einer Batterieladung und einem Durchschnittsverbrauch von 8,7 kWh/100 km.

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The VISION EQXX shows how Mercedes-Benz imagines the future of electric cars. The Mercedes-Benz VISION EQXX sets efficiency record – over 1,000 km on a single battery charge and average consumption of 8.7 kWh/100 km.

E-Autos haben dabei konstruktionsbedingte Vorteile. Im Gegensatz zu Modellen mit Verbrennungsmotor haben sie keinen zentralen Tunnel im Unterboden. Ausserdem benötigen E-Motoren im Gegensatz zu Verbrennern keine Ansaugluft. Und schliesslich, obwohl Stromer einen Kühler für die Batterie haben, benötigen sie nicht so viel Luft wie die verschiedenen Kühler eines Verbrennungsfahrzeugs. Bei Verbrennern erzeugen die notwendigen Öffnungen für die verschiedenen Kühlsysteme und die unregelmässige Form des Unterbodens zwangsläufig Verwirbelungen, die den Luftwiderstand erhöhen. Im Gegensatz dazu ermöglicht die Position der Batterie zwischen Vorder- und Hinterachse bei E-Autos einen völlig glatten Unterboden.

Anpassbare Karosserie

Angesichts dessen stellt sich die Frage, wie sich E-Autos in Zukunft entwickeln werden – und wie die Fahrzeuge aussehen werden. Nach Meinung von Thomas Wiegand wird die aktive Aerodynamik in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle spielen. Tatsächlich, so sagt er, sollen die Fahrzeuge der Zukunft in der Lage sein, ihr Erscheinungsbild je nach Geschwindigkeit erheblich anzupassen. Mercedes-Benz hat mit dem Vision EQXX einen Prototyp entwickelt, dessen Karosserie die Luft buchstäblich abweist. Dank eines aktiven Diffusors am Fahrzeugheck, der sich um 20 Zentimeter nach hinten herausschiebt, wenn das Auto mit einer Geschwindigkeit von mehr als 60 km/h fährt, hat der EQXX einen sensationellen Cw-Wert von 0,17. Dieser Aerodynamikrekordwert ermöglichte beim Prototyp einen Verbrauch von nur 8,3 kWh/100 km. Das ist etwa die Hälfte des Verbrauchs sparsamer aktueller E-Autos.

BEAUTY SHOT - EN SITUATION - PLATEFORME INTEGREE

Eine etwas weniger realistische Lösung zeigt das Renault-Konzeptfahrzeug Morphoz. Das Showcar kann den Radstand und damit seinen hinteren Teil verlängern, um nicht nur das Kofferraumvolumen, sondern auch den Luftwiderstand zu optimieren. Die physischen Veränderungen der Karosserie sind aber nicht die einzigen Aspekte, an denen Entwickler arbeiten. An der Universität Stuttgart erforschen Wissenschaftler einen völlig neuen Ansatz. «Wir prüfen, ob es möglich ist, den Cw-Wert an bestimmten Stellen der Karosserie mithilfe von Vibrationen zu reduzieren», sagt Andreas Wagner, Automobilingenieur und Professor an der Hochschule. «Wenn wir mit Lautsprechern einen definierten Schallimpuls um das Auto herum erzeugen, können wir das Verhalten des Luftstroms ums Fahrzeug beeinflussen». Bei einem SUV konnte der Cw-Wert so um sieben Prozent reduziert werden. Allerdings sei der Weg bis zur Serienproduktion noch lang, denn es müsse sichergestellt werden, «dass die Passagiere im Innenraum keine Geräusche hören».

«Anstatt Geld in eine grössere Batterie zu stecken, ist es besser, es in aerodynamische Elemente zu investieren.»

Thomas Wiegand, Leiter Aerodynamik bei Porsche

Die Parameter, welche die Aerodynamik beeinflussen, sind sehr vielfältig. Es sind so viele, dass ein Mensch sie nicht alle berücksichtigen kann. Algorithmen hingegen sind in der Lage, alle Daten zu analysieren und speziell die Kombinationen zu finden, die einen niedrigen Cw-Wert versprechen. Doch das Design bleibt immer noch das bestimmende Element für den Autokauf, daher arbeiten die Aerodynamiker Hand in Hand mit den Designern. «Für uns geht es darum, Formen zu entwickeln, die sowohl schön als auch aerodynamisch sind. Natürlich handelt es sich immer um Kompromisse», erklärt Thomas Wiegand. Und das ist nicht alles. Auch das Fahrverhalten wird durch Design und Aerodynamik beeinflusst, ausserdem der Fahrkomfort (insbesondere akustisch). All diese Faktoren zeigen die Komplexität der Entwicklung einer Karosserie und die Herausforderungen, die die Industrie manchmal erfolgreich, manchmal weniger erfolgreich meistert.

Dieser Artikel stammt aus der «Automobil Revue» – www.automobilrevue.ch

Bei Elektrofahrzeugen befinden sich die Batterien zwischen Vorder- und Hinterachse, somit ist der Unterboden völlig glatt und kann fast verwirbelungsfrei umströmt werden.