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Kritik an Swiss Rowing
Kultur der Angst und Bodyshaming: Schweizer Ruderer erheben schwere Vorwürfe

Jeannine Gmelin aus der Schweiz läuft barfuss während des Ruder-Weltcups in Luzern am 10. Juli 2022.
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Das Schweizer Ruder-Leistungszentrum im obwaldnerischen Sarnen sieht sich mit heftigen Anschuldigungen konfrontiert. In einer Reportage der «Luzerner Zeitung» kritisieren zahlreiche aktive und ehemalige Athletinnen und Athleten die Handlungen von Ex-Cheftrainer Ian Wright und Verbandsdirektor Christian Stofer scharf. Die wichtigsten Punkte:

Die Vorwürfe gegen Ian Wright

Der Neuseeländer war zwischen 2014 und 2016 sowie von 2022 bis Herbst 2024 Cheftrainer des Schweizer Teams. Mittlerweile ist er Nationalcoach in China. Gemäss den Enthüllungen der «Luzerner Zeitung» machten seine Trainingsmethoden vielen Sportlerinnen und Sportlern zu schaffen.

«Die Kultur basierte auf Angst sowie der krassen Überzeugung, dass nur ein Mensch die absolute Wahrheit kennt und immer alles weiss», sagt die ehemalige Spitzenruderin Jeannine Gmelin und meint mit ihrer Aussage Wright. «Ich finde es nach wie vor erschreckend, dass Trainer und Staff von Athletinnen und Athleten absolute Professionalität und ein enormes Mass an Loyalität verlangen, aber das, was von der Gegenseite geboten wird, alles andere als professionell ist.»

Pascale Walker von der Schweizer Ruder-Nationalmannschaft beim Tragen eines Ruderboots am Rotsee während des Trainings für die Lucerne Regatta 2022.

Gleich mehrere Ruderinnen kritisieren Wrights Umgang mit Verletzungen. Mit Blessuren habe man bei ihm kein Mitgefühl gefunden. «Ich habe sehr lange mit Schmerzen gerudert. Als ich dies erwähnte, wurde ich von ihm als Simulantin abgestempelt», erklärt Pascale Walker, die 2024 bei den Olympischen Spielen in Paris im Vierer sass.

«Als ich verletzt war, sagte mir Ian Wright, das sei mein Fehler. Zeitweise fielen bei uns sechs von neun Ruderinnen wegen Rippenverletzungen aus», so eine weitere Ruderin, die in der Reportage der «Luzerner Zeitung» anonym bleibt. Der ehemalige Physiotherapeut des Schweizer Ruderteams, Tijmen Teunissen, geht sogar so weit, dass er sagt, die Athleten hätten ihre Verletzungen bewusst verschwiegen, um ihre Selektion nicht zu gefährden.

Der Niederländer arbeitete bis zu den Spielen in Paris für die Schweizer Equipe. Auch er lässt kein gutes Haar am früheren Cheftrainer. «Ian Wright hat die Athletinnen und Athleten abhängig von sich gemacht, indem er ihnen Angst machte.» Er habe sie mental enorm belastet und seine Macht missbraucht. Als Beispiel nennt er Körperfettmessungen, die bei Wright nicht anonym wie sonst üblich, sondern vor versammelter Mannschaft stattgefunden hätten. Schnitt jemand schlecht ab, habe es Sprüche von ihm gegeben.

Aber auch bei seinen Trainerkollegen kam Wright nicht immer sonderlich gut an. Frauentrainer Nick Lloyd geriet mit ihm im März 2023 aneinander. Nach einem Wortgefecht sollen die beiden Übungsleiter handgreiflich geworden sein. Swiss Rowing beantragte eine Aussprache, veranlasste aber keine disziplinarischen Massnahmen.

Die Anschuldigungen gegen Christian Stofer

Die Hoffnung, mit ihren Sorgen bei Verbandsdirektor Christian Stofer auf ein offenes Ohr zu stossen, blieb gemäss der «Luzerner Zeitung» weitestgehend aus. «Die grösste Angst von Christian Stofer war, dass jemand das System stört. Wer kritisierte, redete gegen eine Mauer», prangert der ehemalige Spitzenruderer Augustin Maillefer an.

Viele Athletinnen und Athleten loben Stofers Engagement für den Schweizer Rudersport. Dennoch habe er sich, trotz zahlreicher Beschwerden gegen Wright, immer hinter den Neuseeländer gestellt. «Christian Stofer meint es wirklich gut. Aber er hat seine Seele an Wright verkauft», befindet Teunissen.

Was sagt der Ruderverband?

Gegenüber der «Luzerner Zeitung» nimmt Swiss Rowing schriftlich Stellung. Der Verband schreibt: «Das Wohlergehen der Athletinnen und Athleten sowie Mitarbeitenden muss selbstverständlich eine hohe Priorität geniessen.»

Nach Abschluss des olympischen Zyklus sei eine Auslegeordnung auf allen wichtigen Ebenen erfolgt, schreibt Swiss Rowing weiter. «Die Verbandsleitung ist daran, die Strategie sowie relevante Prozesse zu überarbeiten und mit dem neuen Headcoach zusammen in der Trainingsarbeit gewisse Weichen neu zu stellen.»

Nationaltrainer ist mittlerweile der Franzose Alexis Besançon. «Wir haben jetzt eine Perspektive erhalten, um für unsere Sache zusammenzustehen. Das verleiht uns viel mehr Selbstvertrauen», gibt sich eine Ruderin hoffnungsvoll. Mit GC-Verwaltungsrat András Gurovits hat der Verband seit Januar auch einen neuen Präsidenten.

Was macht Swiss Sport Integrity?

Die Situation im nationalen Ruder-Leistungszentrum in Sarnen beschäftigt seit geraumer Zeit auch Swiss Sport Integrity (SSI). Bereits 2022 gingen bei der Ethikmeldestelle Meldungen von Athletinnen und Athleten sowie Personen aus deren Umfeld gegen den Verband, gegen Cheftrainer Wright und gegen Direktor Stofer ein.

Es entstand eine der grössten Untersuchungen im Bereich Ethik seit der Gründung von SSI. Sie dauerte über ein Jahr, und es wurden mehr als ein Dutzend Befragungen durchgeführt. Untersucht wurden die Trainingsmethoden und ob im Umgang mit den Sportlerinnen und Sportlern ethische und fürsorgerische Grenzen überschritten wurden.

Die Untersuchungen blieben für Wright ohne Folgen. Es konnten keine konkreten psychische oder physische Verstösse festgestellt werden. Zwar kritisierte Swiss Integrity die Methoden des Neuseeländers, aber die Vorfälle wurden als zu wenig schwerwiegend eingestuft. Auch die Untersuchung gegen Verbandsdirektor Stofer wurde 2023 eingestellt.

Doch damit ist das Kapitel für Swiss Rowing nicht geschlossen. Im Frühling 2024 ging eine neue Anzeige von verschiedenen Personen bei SSI mit ähnlichen Anschuldigungen ein. Die Untersuchung läuft noch.